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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
kürlichen Verknüpfungen bestehen: aber es ist doch leicht
zu begreifen, daß hiebey wenn sie für sich einzeln genom-
men werden, eine völlige Ersetzung der Seelenkräfte
durch die Körperkräfte nicht unmöglich sey. Jn der
That ist es dieses, was die vorhin angeführten Bey-
spiele von dem, was in dem enthaupteten Menschen vor-
gehet, beweisen. Bey ihnen ist es, wo die angenom-
mene Gewohnheit zur wahren Natur wird. Weil sol-
che einzelne Verbindungen so oft in den zusammengesetz-
tern Reihen als Theile vorkommen: so wird ihre Asso-
ciation auch vorzüglich fest und unauflöslicher. Aber
von diesen kann man auf die ganzen Reihen nicht schlies-
sen, die nach Absicht und Plan angelegt sind, derglei-
chen zu den Kunstfertigkeiten gehören. Denn ob nun
zwar daraus die allgemeine Möglichkeit erhellet, daß,
was bey kürzern Reihen geschieht, auch bey längern an
sich möglich sey: so ist es doch gewiß, daß das letztere
in der menschlichen Organisation so viele Hindernisse fin-
det, daß es niemals zu Stande kommt. Und von dem,
was wirklich geschieht, ist hier nur eigentlich die Frage.
Warum sollte der organisirte menschliche Körper nicht
dazu aufgelegt seyn, wozu die Automata gewesen sind,
die Menschenwitz erfunden hat? Vielleicht ist die Or-
ganisation wirklich bey einigen Thieren so wirksam. Aber
darum kann ich doch die Leibnitzische Harmonie nicht
für die wahre Vorstellung von unserer Natur halten, ob
sie gleich nicht unmöglich ist, und der Schöpfer wohl ei-
nen Körper hätte machen können, der ohne Seele eben
das verrichte, was der unsrige nur unter ihrem Einfluß
thun kann.

12.

Es scheint mir unnöthig zu seyn die Bewegungs-
reihen, die zwischen den beiden äußersten Arten dersel-
ben fallen, nämlich zwischen den meist willkürlichen und

den

im Menſchen.
kuͤrlichen Verknuͤpfungen beſtehen: aber es iſt doch leicht
zu begreifen, daß hiebey wenn ſie fuͤr ſich einzeln genom-
men werden, eine voͤllige Erſetzung der Seelenkraͤfte
durch die Koͤrperkraͤfte nicht unmoͤglich ſey. Jn der
That iſt es dieſes, was die vorhin angefuͤhrten Bey-
ſpiele von dem, was in dem enthaupteten Menſchen vor-
gehet, beweiſen. Bey ihnen iſt es, wo die angenom-
mene Gewohnheit zur wahren Natur wird. Weil ſol-
che einzelne Verbindungen ſo oft in den zuſammengeſetz-
tern Reihen als Theile vorkommen: ſo wird ihre Aſſo-
ciation auch vorzuͤglich feſt und unaufloͤslicher. Aber
von dieſen kann man auf die ganzen Reihen nicht ſchlieſ-
ſen, die nach Abſicht und Plan angelegt ſind, derglei-
chen zu den Kunſtfertigkeiten gehoͤren. Denn ob nun
zwar daraus die allgemeine Moͤglichkeit erhellet, daß,
was bey kuͤrzern Reihen geſchieht, auch bey laͤngern an
ſich moͤglich ſey: ſo iſt es doch gewiß, daß das letztere
in der menſchlichen Organiſation ſo viele Hinderniſſe fin-
det, daß es niemals zu Stande kommt. Und von dem,
was wirklich geſchieht, iſt hier nur eigentlich die Frage.
Warum ſollte der organiſirte menſchliche Koͤrper nicht
dazu aufgelegt ſeyn, wozu die Automata geweſen ſind,
die Menſchenwitz erfunden hat? Vielleicht iſt die Or-
ganiſation wirklich bey einigen Thieren ſo wirkſam. Aber
darum kann ich doch die Leibnitziſche Harmonie nicht
fuͤr die wahre Vorſtellung von unſerer Natur halten, ob
ſie gleich nicht unmoͤglich iſt, und der Schoͤpfer wohl ei-
nen Koͤrper haͤtte machen koͤnnen, der ohne Seele eben
das verrichte, was der unſrige nur unter ihrem Einfluß
thun kann.

12.

Es ſcheint mir unnoͤthig zu ſeyn die Bewegungs-
reihen, die zwiſchen den beiden aͤußerſten Arten derſel-
ben fallen, naͤmlich zwiſchen den meiſt willkuͤrlichen und

den
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[347/0377] im Menſchen. kuͤrlichen Verknuͤpfungen beſtehen: aber es iſt doch leicht zu begreifen, daß hiebey wenn ſie fuͤr ſich einzeln genom- men werden, eine voͤllige Erſetzung der Seelenkraͤfte durch die Koͤrperkraͤfte nicht unmoͤglich ſey. Jn der That iſt es dieſes, was die vorhin angefuͤhrten Bey- ſpiele von dem, was in dem enthaupteten Menſchen vor- gehet, beweiſen. Bey ihnen iſt es, wo die angenom- mene Gewohnheit zur wahren Natur wird. Weil ſol- che einzelne Verbindungen ſo oft in den zuſammengeſetz- tern Reihen als Theile vorkommen: ſo wird ihre Aſſo- ciation auch vorzuͤglich feſt und unaufloͤslicher. Aber von dieſen kann man auf die ganzen Reihen nicht ſchlieſ- ſen, die nach Abſicht und Plan angelegt ſind, derglei- chen zu den Kunſtfertigkeiten gehoͤren. Denn ob nun zwar daraus die allgemeine Moͤglichkeit erhellet, daß, was bey kuͤrzern Reihen geſchieht, auch bey laͤngern an ſich moͤglich ſey: ſo iſt es doch gewiß, daß das letztere in der menſchlichen Organiſation ſo viele Hinderniſſe fin- det, daß es niemals zu Stande kommt. Und von dem, was wirklich geſchieht, iſt hier nur eigentlich die Frage. Warum ſollte der organiſirte menſchliche Koͤrper nicht dazu aufgelegt ſeyn, wozu die Automata geweſen ſind, die Menſchenwitz erfunden hat? Vielleicht iſt die Or- ganiſation wirklich bey einigen Thieren ſo wirkſam. Aber darum kann ich doch die Leibnitziſche Harmonie nicht fuͤr die wahre Vorſtellung von unſerer Natur halten, ob ſie gleich nicht unmoͤglich iſt, und der Schoͤpfer wohl ei- nen Koͤrper haͤtte machen koͤnnen, der ohne Seele eben das verrichte, was der unſrige nur unter ihrem Einfluß thun kann. 12. Es ſcheint mir unnoͤthig zu ſeyn die Bewegungs- reihen, die zwiſchen den beiden aͤußerſten Arten derſel- ben fallen, naͤmlich zwiſchen den meiſt willkuͤrlichen und den

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/377>, abgerufen am 24.11.2024.