sionen auf das Gehör mögen unter die erstern gehören, welche die Reflexion gewahrnimmt und unterscheidet, aber daß sie als Merkzeichen von Gegenständen ge- brauchet wurden, setzte voraus, daß diese Empfindun- gen mit den Empfindungen des Gefühls und des Ge- sichts vereiniget waren, und zusammen Eine Jdee von einem Objekte ausmachten. Diese Vereinigung konnte aber so geschwinde nicht vor sich gehen. Die Eindrücke des Gehörs weisen am wenigsten auf die Stelle hin, wo sie her kommen. Wie konnte also der Mensch, der das Schaaf vor Augen hatte, wissen, daß der Schall des Blöckens von dem Dinge herkomme, das er sah und fühlte? Ehe er dieß erkannte, mußte die so klar und leicht sich absondernde sichtliche Gestalt des Schaafs und seine Farbe schon bemerket seyn. Der Hang, bey den Sachen auf die Töne Acht zu haben, und sie dadurch zu charakterisiren, scheinet mehr eine Wirkung von vorher gegangenen Erfahrungen zu seyn, aus denen man es erlernet hatte, daß diese die brauchbarsten Bezeichnun- gen wären, um andern seine eigenen Eindrücke bekannt zu machen; als davon, daß die Gegenstände sich am leich- testen durch ihre Töne hätten in uns bemerken und unter- scheiden lassen.
Die Ursache, warum alle Arten von Empfindun- gen und Jdeen sich mit den Gehörseindrücken in der Folge vereiniget, und durch den nämlichen Weg mit diesen hervor zu gehen, scheint viel näher zu liegen. "Die Gehörsempfindungen sind die einzigen, welche "so wie sie aufgenommen sind, nachgemacht und äußer- "lich dargestellet werden können, ohne die nämlichen "oder ihnen ähnlichen Dinge, von welchen sie zuerst ent- "standen, vor sich zu haben." Das gesehene Rind durch gezogene Linien wieder sichtbar zu machen, war weitläuftig. Die Mittheilung des Geschmacks, des Geruchs und des Gefühls erfodert, daß dieselbigen Ge- genstände den Sinnen des andern vorgehalten wurden,
oder
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zum eilften Verſuch.
ſionen auf das Gehoͤr moͤgen unter die erſtern gehoͤren, welche die Reflexion gewahrnimmt und unterſcheidet, aber daß ſie als Merkzeichen von Gegenſtaͤnden ge- brauchet wurden, ſetzte voraus, daß dieſe Empfindun- gen mit den Empfindungen des Gefuͤhls und des Ge- ſichts vereiniget waren, und zuſammen Eine Jdee von einem Objekte ausmachten. Dieſe Vereinigung konnte aber ſo geſchwinde nicht vor ſich gehen. Die Eindruͤcke des Gehoͤrs weiſen am wenigſten auf die Stelle hin, wo ſie her kommen. Wie konnte alſo der Menſch, der das Schaaf vor Augen hatte, wiſſen, daß der Schall des Bloͤckens von dem Dinge herkomme, das er ſah und fuͤhlte? Ehe er dieß erkannte, mußte die ſo klar und leicht ſich abſondernde ſichtliche Geſtalt des Schaafs und ſeine Farbe ſchon bemerket ſeyn. Der Hang, bey den Sachen auf die Toͤne Acht zu haben, und ſie dadurch zu charakteriſiren, ſcheinet mehr eine Wirkung von vorher gegangenen Erfahrungen zu ſeyn, aus denen man es erlernet hatte, daß dieſe die brauchbarſten Bezeichnun- gen waͤren, um andern ſeine eigenen Eindruͤcke bekannt zu machen; als davon, daß die Gegenſtaͤnde ſich am leich- teſten durch ihre Toͤne haͤtten in uns bemerken und unter- ſcheiden laſſen.
Die Urſache, warum alle Arten von Empfindun- gen und Jdeen ſich mit den Gehoͤrseindruͤcken in der Folge vereiniget, und durch den naͤmlichen Weg mit dieſen hervor zu gehen, ſcheint viel naͤher zu liegen. „Die Gehoͤrsempfindungen ſind die einzigen, welche „ſo wie ſie aufgenommen ſind, nachgemacht und aͤußer- „lich dargeſtellet werden koͤnnen, ohne die naͤmlichen „oder ihnen aͤhnlichen Dinge, von welchen ſie zuerſt ent- „ſtanden, vor ſich zu haben.“ Das geſehene Rind durch gezogene Linien wieder ſichtbar zu machen, war weitlaͤuftig. Die Mittheilung des Geſchmacks, des Geruchs und des Gefuͤhls erfodert, daß dieſelbigen Ge- genſtaͤnde den Sinnen des andern vorgehalten wurden,
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zum eilften Verſuch.
ſionen auf das Gehoͤr moͤgen unter die erſtern gehoͤren,
welche die Reflexion gewahrnimmt und unterſcheidet,
aber daß ſie als Merkzeichen von Gegenſtaͤnden ge-
brauchet wurden, ſetzte voraus, daß dieſe Empfindun-
gen mit den Empfindungen des Gefuͤhls und des Ge-
ſichts vereiniget waren, und zuſammen Eine Jdee von
einem Objekte ausmachten. Dieſe Vereinigung konnte
aber ſo geſchwinde nicht vor ſich gehen. Die Eindruͤcke
des Gehoͤrs weiſen am wenigſten auf die Stelle hin,
wo ſie her kommen. Wie konnte alſo der Menſch, der
das Schaaf vor Augen hatte, wiſſen, daß der Schall
des Bloͤckens von dem Dinge herkomme, das er ſah
und fuͤhlte? Ehe er dieß erkannte, mußte die ſo klar und
leicht ſich abſondernde ſichtliche Geſtalt des Schaafs und
ſeine Farbe ſchon bemerket ſeyn. Der Hang, bey den
Sachen auf die Toͤne Acht zu haben, und ſie dadurch zu
charakteriſiren, ſcheinet mehr eine Wirkung von vorher
gegangenen Erfahrungen zu ſeyn, aus denen man es
erlernet hatte, daß dieſe die brauchbarſten Bezeichnun-
gen waͤren, um andern ſeine eigenen Eindruͤcke bekannt
zu machen; als davon, daß die Gegenſtaͤnde ſich am leich-
teſten durch ihre Toͤne haͤtten in uns bemerken und unter-
ſcheiden laſſen.
Die Urſache, warum alle Arten von Empfindun-
gen und Jdeen ſich mit den Gehoͤrseindruͤcken in der
Folge vereiniget, und durch den naͤmlichen Weg mit
dieſen hervor zu gehen, ſcheint viel naͤher zu liegen.
„Die Gehoͤrsempfindungen ſind die einzigen, welche
„ſo wie ſie aufgenommen ſind, nachgemacht und aͤußer-
„lich dargeſtellet werden koͤnnen, ohne die naͤmlichen
„oder ihnen aͤhnlichen Dinge, von welchen ſie zuerſt ent-
„ſtanden, vor ſich zu haben.“ Das geſehene Rind
durch gezogene Linien wieder ſichtbar zu machen, war
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 771. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/831>, abgerufen am 03.12.2024.
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