men, nämlich, daß die Seelenkraft innerlich in allen ih- ren Aeußerungen dieselbige thätige Kraft sey, deren Handlungen, Aktionen und Effekte nur nach dem Unter- schied der Fibern verschieden sind, mit deren organischen Kräften sie sich verbindet, auf welche sie als so viele Saiten wirket, und durch welche das Charakteristische in ihren Aeußerungen in Hinsicht der Art der Handlung be- stimmet wird. Vorstellen und Denken und den Kör- per bewegen, würden also nur so viel seyn, als auf die Vorstellungsfibern und auf die Bewegungsfibern wirken, oder vielmehr durch sie wirken und hervorgehen. Das Mehr oder Minder in den Graden der Stärke, mit der die Aktion erfolget, würde allein übrig bleiben, und von der mehrern oder mindern Anwendung der Seelenkraft noch abhangen. Alles übrige aber der Beschaffenheit der Werkzeuge gemäß, und alles innerlich Eine Art von Thätigkeit seyn, so wie Sehen, Hören und Fühlen nur Ein gleichartiges Fühlen ist, dessen Unterschied durch die Verschiedenheit der Werkzeuge bestimmet wird. Alle Kraftäußerungen sind alsdenn nur Aeußerungen desselbi- gen Princips nach verschiedenen Seiten und Richtungen hin, wie das Wasser des Stroms dasselbige ist, das in unterschiedene Canäle und Röhren geleitet wird.
Aber verhält es sich hiemit wirklich so? Schwingt das Gehirn zuerst, und erhält seine so genannte mate- rielle Jdee, ehe die Seele dazu kommt und eine Vor- stellung daraus macht? Wirken die organischen Kräfte in den lebenden Thieren, die nämlich, welche zu den Willenshandlungen beystimmen, vorher ohne Zuthun der Seele? Und wenn nun dieß auch wäre, kann die Folge gerechtfertiget werden, die man daraus so allge- mein herleitet, daß die Seele nichts anders, als eine unbestimmte Gehirnskraft sey, die innerlich so unbe- stimmt wie ein flüßiger Körper, wie Luft und Wasser, ihre Formen nur von der Organisation des Körpers, als
den
X. Verſuch. Ueber die Beziehung
men, naͤmlich, daß die Seelenkraft innerlich in allen ih- ren Aeußerungen dieſelbige thaͤtige Kraft ſey, deren Handlungen, Aktionen und Effekte nur nach dem Unter- ſchied der Fibern verſchieden ſind, mit deren organiſchen Kraͤften ſie ſich verbindet, auf welche ſie als ſo viele Saiten wirket, und durch welche das Charakteriſtiſche in ihren Aeußerungen in Hinſicht der Art der Handlung be- ſtimmet wird. Vorſtellen und Denken und den Koͤr- per bewegen, wuͤrden alſo nur ſo viel ſeyn, als auf die Vorſtellungsfibern und auf die Bewegungsfibern wirken, oder vielmehr durch ſie wirken und hervorgehen. Das Mehr oder Minder in den Graden der Staͤrke, mit der die Aktion erfolget, wuͤrde allein uͤbrig bleiben, und von der mehrern oder mindern Anwendung der Seelenkraft noch abhangen. Alles uͤbrige aber der Beſchaffenheit der Werkzeuge gemaͤß, und alles innerlich Eine Art von Thaͤtigkeit ſeyn, ſo wie Sehen, Hoͤren und Fuͤhlen nur Ein gleichartiges Fuͤhlen iſt, deſſen Unterſchied durch die Verſchiedenheit der Werkzeuge beſtimmet wird. Alle Kraftaͤußerungen ſind alsdenn nur Aeußerungen deſſelbi- gen Princips nach verſchiedenen Seiten und Richtungen hin, wie das Waſſer des Stroms daſſelbige iſt, das in unterſchiedene Canaͤle und Roͤhren geleitet wird.
Aber verhaͤlt es ſich hiemit wirklich ſo? Schwingt das Gehirn zuerſt, und erhaͤlt ſeine ſo genannte mate- rielle Jdee, ehe die Seele dazu kommt und eine Vor- ſtellung daraus macht? Wirken die organiſchen Kraͤfte in den lebenden Thieren, die naͤmlich, welche zu den Willenshandlungen beyſtimmen, vorher ohne Zuthun der Seele? Und wenn nun dieß auch waͤre, kann die Folge gerechtfertiget werden, die man daraus ſo allge- mein herleitet, daß die Seele nichts anders, als eine unbeſtimmte Gehirnskraft ſey, die innerlich ſo unbe- ſtimmt wie ein fluͤßiger Koͤrper, wie Luft und Waſſer, ihre Formen nur von der Organiſation des Koͤrpers, als
den
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X. Verſuch. Ueber die Beziehung
men, naͤmlich, daß die Seelenkraft innerlich in allen ih-
ren Aeußerungen dieſelbige thaͤtige Kraft ſey, deren
Handlungen, Aktionen und Effekte nur nach dem Unter-
ſchied der Fibern verſchieden ſind, mit deren organiſchen
Kraͤften ſie ſich verbindet, auf welche ſie als ſo viele
Saiten wirket, und durch welche das Charakteriſtiſche in
ihren Aeußerungen in Hinſicht der Art der Handlung be-
ſtimmet wird. Vorſtellen und Denken und den Koͤr-
per bewegen, wuͤrden alſo nur ſo viel ſeyn, als auf die
Vorſtellungsfibern und auf die Bewegungsfibern wirken,
oder vielmehr durch ſie wirken und hervorgehen. Das
Mehr oder Minder in den Graden der Staͤrke, mit der
die Aktion erfolget, wuͤrde allein uͤbrig bleiben, und von
der mehrern oder mindern Anwendung der Seelenkraft
noch abhangen. Alles uͤbrige aber der Beſchaffenheit
der Werkzeuge gemaͤß, und alles innerlich Eine Art von
Thaͤtigkeit ſeyn, ſo wie Sehen, Hoͤren und Fuͤhlen nur
Ein gleichartiges Fuͤhlen iſt, deſſen Unterſchied durch die
Verſchiedenheit der Werkzeuge beſtimmet wird. Alle
Kraftaͤußerungen ſind alsdenn nur Aeußerungen deſſelbi-
gen Princips nach verſchiedenen Seiten und Richtungen
hin, wie das Waſſer des Stroms daſſelbige iſt, das in
unterſchiedene Canaͤle und Roͤhren geleitet wird.
Aber verhaͤlt es ſich hiemit wirklich ſo? Schwingt
das Gehirn zuerſt, und erhaͤlt ſeine ſo genannte mate-
rielle Jdee, ehe die Seele dazu kommt und eine Vor-
ſtellung daraus macht? Wirken die organiſchen Kraͤfte
in den lebenden Thieren, die naͤmlich, welche zu den
Willenshandlungen beyſtimmen, vorher ohne Zuthun
der Seele? Und wenn nun dieß auch waͤre, kann die
Folge gerechtfertiget werden, die man daraus ſo allge-
mein herleitet, daß die Seele nichts anders, als eine
unbeſtimmte Gehirnskraft ſey, die innerlich ſo unbe-
ſtimmt wie ein fluͤßiger Koͤrper, wie Luft und Waſſer,
ihre Formen nur von der Organiſation des Koͤrpers, als
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/696>, abgerufen am 21.11.2024.
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