auch in der That zu den Beziehungen derselben gerechnet werden konnte. Die zwote war die nächste Ursache des Gedankens, "daß die gewahrgenommene Sache ei- ne besondere Sache sey," und machte den eigentlichen Aktus des Denkens aus. Dieß setze ich hier als et- was voraus, das aus Beobachtungen entschieden ist.
Nun giebt es ferner ein Gefühl der Verhältnis- se und Beziehungen, und darüber berufe ich mich auf die Erfahrungen in dem zweyten Versuch. Dieß ist eigentlich ein Gefühl der Veränderungen, welche von den Dingen, nach ihren Verhältnissen und Beziehungen unter einander, und auf uns hervorgebracht werden, in- dem wir sie empfinden oder vorstellen. Dieß Gefühl ge- het vor dem Gewahrnehmen vorher, und reizet die Denk- kraft zu dem Aktus, von welchem der Gedanke, Sie- he! die Wirkung ist. Dennoch aber berechtiget uns dieses, wie ich in dem Versuch über das Gewahrneh- men erinnert habe, noch nicht, das Gefühl, welches sich als eine Rückwirkung der Seele gegen ihre aufgenom- mene absolute Modifikationen beweiset, mit dem Ver- mögen für einerley zu halten, von welchem ein Verhält- nißgedanke erzeuget wird. Es blieb nach den darüber angestellten Betrachtungen zum mindesten wahrschein- lich, daß zu der blos fühlenden Reaktion der Seele noch eine neue Thätigkeit hinzukommen müsse, wenn ein Ge- danke oder eine Erkenntniß von relativen Prädikaten ent- stehen solle. Gleichwohl gränzet das Denken an dieser Seite sehr nahe an das Fühlen, und bey aller Verschie- denartigkeit, welche in diesen beiden Aeußerungen ange- troffen wird, scheinet es, daß eine Kraft, die mit einem so feinen Gefühl begabet ist, daß sie die Uebergänge von einer Empfindung und von einer Vorstellung zur andern, und die aus den Beziehungen der Vorstellungen entsprin- gende absolute Folgen stark und lebhaft genug empfindet, zugleich auch ein Vermögen gewahrzunehmen, besitzen
werde.
I.Band. P p
des Empfindens, des Vorſtellens ⁊c.
auch in der That zu den Beziehungen derſelben gerechnet werden konnte. Die zwote war die naͤchſte Urſache des Gedankens, „daß die gewahrgenommene Sache ei- ne beſondere Sache ſey,‟ und machte den eigentlichen Aktus des Denkens aus. Dieß ſetze ich hier als et- was voraus, das aus Beobachtungen entſchieden iſt.
Nun giebt es ferner ein Gefuͤhl der Verhaͤltniſ- ſe und Beziehungen, und daruͤber berufe ich mich auf die Erfahrungen in dem zweyten Verſuch. Dieß iſt eigentlich ein Gefuͤhl der Veraͤnderungen, welche von den Dingen, nach ihren Verhaͤltniſſen und Beziehungen unter einander, und auf uns hervorgebracht werden, in- dem wir ſie empfinden oder vorſtellen. Dieß Gefuͤhl ge- het vor dem Gewahrnehmen vorher, und reizet die Denk- kraft zu dem Aktus, von welchem der Gedanke, Sie- he! die Wirkung iſt. Dennoch aber berechtiget uns dieſes, wie ich in dem Verſuch uͤber das Gewahrneh- men erinnert habe, noch nicht, das Gefuͤhl, welches ſich als eine Ruͤckwirkung der Seele gegen ihre aufgenom- mene abſolute Modifikationen beweiſet, mit dem Ver- moͤgen fuͤr einerley zu halten, von welchem ein Verhaͤlt- nißgedanke erzeuget wird. Es blieb nach den daruͤber angeſtellten Betrachtungen zum mindeſten wahrſchein- lich, daß zu der blos fuͤhlenden Reaktion der Seele noch eine neue Thaͤtigkeit hinzukommen muͤſſe, wenn ein Ge- danke oder eine Erkenntniß von relativen Praͤdikaten ent- ſtehen ſolle. Gleichwohl graͤnzet das Denken an dieſer Seite ſehr nahe an das Fuͤhlen, und bey aller Verſchie- denartigkeit, welche in dieſen beiden Aeußerungen ange- troffen wird, ſcheinet es, daß eine Kraft, die mit einem ſo feinen Gefuͤhl begabet iſt, daß ſie die Uebergaͤnge von einer Empfindung und von einer Vorſtellung zur andern, und die aus den Beziehungen der Vorſtellungen entſprin- gende abſolute Folgen ſtark und lebhaft genug empfindet, zugleich auch ein Vermoͤgen gewahrzunehmen, beſitzen
werde.
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[593/0653]
des Empfindens, des Vorſtellens ⁊c.
auch in der That zu den Beziehungen derſelben gerechnet
werden konnte. Die zwote war die naͤchſte Urſache
des Gedankens, „daß die gewahrgenommene Sache ei-
ne beſondere Sache ſey,‟ und machte den eigentlichen
Aktus des Denkens aus. Dieß ſetze ich hier als et-
was voraus, das aus Beobachtungen entſchieden iſt.
Nun giebt es ferner ein Gefuͤhl der Verhaͤltniſ-
ſe und Beziehungen, und daruͤber berufe ich mich
auf die Erfahrungen in dem zweyten Verſuch. Dieß iſt
eigentlich ein Gefuͤhl der Veraͤnderungen, welche von
den Dingen, nach ihren Verhaͤltniſſen und Beziehungen
unter einander, und auf uns hervorgebracht werden, in-
dem wir ſie empfinden oder vorſtellen. Dieß Gefuͤhl ge-
het vor dem Gewahrnehmen vorher, und reizet die Denk-
kraft zu dem Aktus, von welchem der Gedanke, Sie-
he! die Wirkung iſt. Dennoch aber berechtiget uns
dieſes, wie ich in dem Verſuch uͤber das Gewahrneh-
men erinnert habe, noch nicht, das Gefuͤhl, welches ſich
als eine Ruͤckwirkung der Seele gegen ihre aufgenom-
mene abſolute Modifikationen beweiſet, mit dem Ver-
moͤgen fuͤr einerley zu halten, von welchem ein Verhaͤlt-
nißgedanke erzeuget wird. Es blieb nach den daruͤber
angeſtellten Betrachtungen zum mindeſten wahrſchein-
lich, daß zu der blos fuͤhlenden Reaktion der Seele noch
eine neue Thaͤtigkeit hinzukommen muͤſſe, wenn ein Ge-
danke oder eine Erkenntniß von relativen Praͤdikaten ent-
ſtehen ſolle. Gleichwohl graͤnzet das Denken an dieſer
Seite ſehr nahe an das Fuͤhlen, und bey aller Verſchie-
denartigkeit, welche in dieſen beiden Aeußerungen ange-
troffen wird, ſcheinet es, daß eine Kraft, die mit einem
ſo feinen Gefuͤhl begabet iſt, daß ſie die Uebergaͤnge von
einer Empfindung und von einer Vorſtellung zur andern,
und die aus den Beziehungen der Vorſtellungen entſprin-
gende abſolute Folgen ſtark und lebhaft genug empfindet,
zugleich auch ein Vermoͤgen gewahrzunehmen, beſitzen
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/653>, abgerufen am 21.11.2024.
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