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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der höhern Kenntnisse etc.
aber sie gehen von selbst hervor, und werden dann, wenn
die Empfindungen reizen, dem wirksamen Princip der
Seele mehr abgezwungen, als daß es sich selbst aus in-
nerer Eigenmacht zu solchen Aeußerungen bestimmen
sollte. Die höhern Aktus der Vernunft sind dagegen
mehr geflissentliche, und mehr selbstthätige Handlungen,
selbstthätige nemlich auch darum, weil die Denkkraft
sie nicht nur vornimmt, sondern sich auch mehr mit
Selbstthätigkeit bestimmt, so zu wirken, und mehr mit
Anstrengung sich in dieser ihrer Wirksamkeit erhalten
muß. Der gemeine Verstand wirket instinktartig, und
ohne Bewußtseyn seiner Aktion; aber die höhere Ver-
nunft arbeitet mehr mit Bewußtseyn ihres Verfahrens,
und nach Plan und Absichten; freyer und mit mehrerer
Gewalt über sich selbst. Was ist also Verstand und
Vernunft, und die höhere Erkenntnißkraft anders als
die zu einem höhern Grad der Selbstthätigkeit gebrachte
Denkkraft?



Neunter

der hoͤhern Kenntniſſe ⁊c.
aber ſie gehen von ſelbſt hervor, und werden dann, wenn
die Empfindungen reizen, dem wirkſamen Princip der
Seele mehr abgezwungen, als daß es ſich ſelbſt aus in-
nerer Eigenmacht zu ſolchen Aeußerungen beſtimmen
ſollte. Die hoͤhern Aktus der Vernunft ſind dagegen
mehr gefliſſentliche, und mehr ſelbſtthaͤtige Handlungen,
ſelbſtthaͤtige nemlich auch darum, weil die Denkkraft
ſie nicht nur vornimmt, ſondern ſich auch mehr mit
Selbſtthaͤtigkeit beſtimmt, ſo zu wirken, und mehr mit
Anſtrengung ſich in dieſer ihrer Wirkſamkeit erhalten
muß. Der gemeine Verſtand wirket inſtinktartig, und
ohne Bewußtſeyn ſeiner Aktion; aber die hoͤhere Ver-
nunft arbeitet mehr mit Bewußtſeyn ihres Verfahrens,
und nach Plan und Abſichten; freyer und mit mehrerer
Gewalt uͤber ſich ſelbſt. Was iſt alſo Verſtand und
Vernunft, und die hoͤhere Erkenntnißkraft anders als
die zu einem hoͤhern Grad der Selbſtthaͤtigkeit gebrachte
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[589/0649] der hoͤhern Kenntniſſe ⁊c. aber ſie gehen von ſelbſt hervor, und werden dann, wenn die Empfindungen reizen, dem wirkſamen Princip der Seele mehr abgezwungen, als daß es ſich ſelbſt aus in- nerer Eigenmacht zu ſolchen Aeußerungen beſtimmen ſollte. Die hoͤhern Aktus der Vernunft ſind dagegen mehr gefliſſentliche, und mehr ſelbſtthaͤtige Handlungen, ſelbſtthaͤtige nemlich auch darum, weil die Denkkraft ſie nicht nur vornimmt, ſondern ſich auch mehr mit Selbſtthaͤtigkeit beſtimmt, ſo zu wirken, und mehr mit Anſtrengung ſich in dieſer ihrer Wirkſamkeit erhalten muß. Der gemeine Verſtand wirket inſtinktartig, und ohne Bewußtſeyn ſeiner Aktion; aber die hoͤhere Ver- nunft arbeitet mehr mit Bewußtſeyn ihres Verfahrens, und nach Plan und Abſichten; freyer und mit mehrerer Gewalt uͤber ſich ſelbſt. Was iſt alſo Verſtand und Vernunft, und die hoͤhere Erkenntnißkraft anders als die zu einem hoͤhern Grad der Selbſtthaͤtigkeit gebrachte Denkkraft? Neunter

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/649>, abgerufen am 21.11.2024.