"verbinden, und daraus uns sinnliche Vorstellungen "von den Substanzen machen, oder von dem, was die "Objekte selbst sind, ihren substanziellen, nicht einzel- "nen Beschaffenheiten nach." Die Jdentität oder Di- versität solcher Vorstellungen kann, wenn die übrigen Bedingungen so sind, wie sie seyn müssen, auf die näm- lichen Verhältnisse in den Objekten selbst hinführen. Jn- dem ich die jetzige Empfindung von einem Buche, mit der Empfindung von demselbigen, die ich vorher ge- habt, oder mit der Jmpression von einem andern ver- gleiche, so vergleiche ich solche Zeichen, Bilder oder Wir- kungen der Objekte auf mich, von denen ich glaube, daß ihre Beziehung auf einander, eine Beziehung der Sa- chen selbst sey.
Es ist in dem fünften Versuch *) gesaget worden, wie die Begriffe von einem Dinge, von einem wirkli- chen Dinge, von einem Objekt, und von der Sub- stanz entstehen. Unsere sinnlichen Vorstellungen von den besondern Substanzen sind besondere Arten jener all- gemeinen Begriffe, und enthalten dasselbige in sich.
Daraus folget, -- und diesen Schluß mache ich nach nothwendigen Denkgesetzen, den ein jedwedes rai- sonnirendes Wesen auch so machen muß, -- daß, wenn ich denke: "das Papier und die Feder da vor mir, sind verschiedene Sachen, Substanzen und Objekte," so ist dieß ein Gedanke, der in eben dem Sinn wahr ist, in welchem die einzelnen Sätze, "das Papier ist ein Ding," und "die Feder ist ein Ding," wahr sind. Also muß auch ein jedes Wesen, welches Vorstellungen von wirk- lichen Sachen und Gegenständen aus seinen Modifika- tionen bildet, auf dieselbige Art, wie die menschliche Denkkraft aus den ihrigen, so verschieden auch im übri- gen die Modifikationen dieser Wesen seyn mögen; und
nun
*)Fünfter Versuch.V.
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
„verbinden, und daraus uns ſinnliche Vorſtellungen „von den Subſtanzen machen, oder von dem, was die „Objekte ſelbſt ſind, ihren ſubſtanziellen, nicht einzel- „nen Beſchaffenheiten nach.‟ Die Jdentitaͤt oder Di- verſitaͤt ſolcher Vorſtellungen kann, wenn die uͤbrigen Bedingungen ſo ſind, wie ſie ſeyn muͤſſen, auf die naͤm- lichen Verhaͤltniſſe in den Objekten ſelbſt hinfuͤhren. Jn- dem ich die jetzige Empfindung von einem Buche, mit der Empfindung von demſelbigen, die ich vorher ge- habt, oder mit der Jmpreſſion von einem andern ver- gleiche, ſo vergleiche ich ſolche Zeichen, Bilder oder Wir- kungen der Objekte auf mich, von denen ich glaube, daß ihre Beziehung auf einander, eine Beziehung der Sa- chen ſelbſt ſey.
Es iſt in dem fuͤnften Verſuch *) geſaget worden, wie die Begriffe von einem Dinge, von einem wirkli- chen Dinge, von einem Objekt, und von der Sub- ſtanz entſtehen. Unſere ſinnlichen Vorſtellungen von den beſondern Subſtanzen ſind beſondere Arten jener all- gemeinen Begriffe, und enthalten daſſelbige in ſich.
Daraus folget, — und dieſen Schluß mache ich nach nothwendigen Denkgeſetzen, den ein jedwedes rai- ſonnirendes Weſen auch ſo machen muß, — daß, wenn ich denke: „das Papier und die Feder da vor mir, ſind verſchiedene Sachen, Subſtanzen und Objekte,‟ ſo iſt dieß ein Gedanke, der in eben dem Sinn wahr iſt, in welchem die einzelnen Saͤtze, „das Papier iſt ein Ding,‟ und „die Feder iſt ein Ding,‟ wahr ſind. Alſo muß auch ein jedes Weſen, welches Vorſtellungen von wirk- lichen Sachen und Gegenſtaͤnden aus ſeinen Modifika- tionen bildet, auf dieſelbige Art, wie die menſchliche Denkkraft aus den ihrigen, ſo verſchieden auch im uͤbri- gen die Modifikationen dieſer Weſen ſeyn moͤgen; und
nun
*)Fuͤnfter Verſuch.V.
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
„verbinden, und daraus uns ſinnliche Vorſtellungen
„von den Subſtanzen machen, oder von dem, was die
„Objekte ſelbſt ſind, ihren ſubſtanziellen, nicht einzel-
„nen Beſchaffenheiten nach.‟ Die Jdentitaͤt oder Di-
verſitaͤt ſolcher Vorſtellungen kann, wenn die uͤbrigen
Bedingungen ſo ſind, wie ſie ſeyn muͤſſen, auf die naͤm-
lichen Verhaͤltniſſe in den Objekten ſelbſt hinfuͤhren. Jn-
dem ich die jetzige Empfindung von einem Buche, mit
der Empfindung von demſelbigen, die ich vorher ge-
habt, oder mit der Jmpreſſion von einem andern ver-
gleiche, ſo vergleiche ich ſolche Zeichen, Bilder oder Wir-
kungen der Objekte auf mich, von denen ich glaube, daß
ihre Beziehung auf einander, eine Beziehung der Sa-
chen ſelbſt ſey.
Es iſt in dem fuͤnften Verſuch *) geſaget worden,
wie die Begriffe von einem Dinge, von einem wirkli-
chen Dinge, von einem Objekt, und von der Sub-
ſtanz entſtehen. Unſere ſinnlichen Vorſtellungen von
den beſondern Subſtanzen ſind beſondere Arten jener all-
gemeinen Begriffe, und enthalten daſſelbige in ſich.
Daraus folget, — und dieſen Schluß mache ich
nach nothwendigen Denkgeſetzen, den ein jedwedes rai-
ſonnirendes Weſen auch ſo machen muß, — daß, wenn
ich denke: „das Papier und die Feder da vor mir, ſind
verſchiedene Sachen, Subſtanzen und Objekte,‟ ſo iſt
dieß ein Gedanke, der in eben dem Sinn wahr iſt, in
welchem die einzelnen Saͤtze, „das Papier iſt ein Ding,‟
und „die Feder iſt ein Ding,‟ wahr ſind. Alſo muß
auch ein jedes Weſen, welches Vorſtellungen von wirk-
lichen Sachen und Gegenſtaͤnden aus ſeinen Modifika-
tionen bildet, auf dieſelbige Art, wie die menſchliche
Denkkraft aus den ihrigen, ſo verſchieden auch im uͤbri-
gen die Modifikationen dieſer Weſen ſeyn moͤgen; und
nun
*) Fuͤnfter Verſuch. V.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/609>, abgerufen am 21.11.2024.
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