Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

der allgem. Vernunftwahrheiten, etc.
"verbinden, und daraus uns sinnliche Vorstellungen
"von den Substanzen machen, oder von dem, was die
"Objekte selbst sind, ihren substanziellen, nicht einzel-
"nen Beschaffenheiten nach." Die Jdentität oder Di-
versität solcher Vorstellungen kann, wenn die übrigen
Bedingungen so sind, wie sie seyn müssen, auf die näm-
lichen Verhältnisse in den Objekten selbst hinführen. Jn-
dem ich die jetzige Empfindung von einem Buche, mit
der Empfindung von demselbigen, die ich vorher ge-
habt, oder mit der Jmpression von einem andern ver-
gleiche, so vergleiche ich solche Zeichen, Bilder oder Wir-
kungen der Objekte auf mich, von denen ich glaube, daß
ihre Beziehung auf einander, eine Beziehung der Sa-
chen selbst sey.

Es ist in dem fünften Versuch *) gesaget worden,
wie die Begriffe von einem Dinge, von einem wirkli-
chen Dinge,
von einem Objekt, und von der Sub-
stanz
entstehen. Unsere sinnlichen Vorstellungen von
den besondern Substanzen sind besondere Arten jener all-
gemeinen Begriffe, und enthalten dasselbige in sich.

Daraus folget, -- und diesen Schluß mache ich
nach nothwendigen Denkgesetzen, den ein jedwedes rai-
sonnirendes Wesen auch so machen muß, -- daß, wenn
ich denke: "das Papier und die Feder da vor mir, sind
verschiedene Sachen, Substanzen und Objekte," so ist
dieß ein Gedanke, der in eben dem Sinn wahr ist, in
welchem die einzelnen Sätze, "das Papier ist ein Ding,"
und "die Feder ist ein Ding," wahr sind. Also muß
auch ein jedes Wesen, welches Vorstellungen von wirk-
lichen Sachen und Gegenständen aus seinen Modifika-
tionen bildet, auf dieselbige Art, wie die menschliche
Denkkraft aus den ihrigen, so verschieden auch im übri-
gen die Modifikationen dieser Wesen seyn mögen; und

nun
*) Fünfter Versuch. V.
M m 3

der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
„verbinden, und daraus uns ſinnliche Vorſtellungen
„von den Subſtanzen machen, oder von dem, was die
„Objekte ſelbſt ſind, ihren ſubſtanziellen, nicht einzel-
„nen Beſchaffenheiten nach.‟ Die Jdentitaͤt oder Di-
verſitaͤt ſolcher Vorſtellungen kann, wenn die uͤbrigen
Bedingungen ſo ſind, wie ſie ſeyn muͤſſen, auf die naͤm-
lichen Verhaͤltniſſe in den Objekten ſelbſt hinfuͤhren. Jn-
dem ich die jetzige Empfindung von einem Buche, mit
der Empfindung von demſelbigen, die ich vorher ge-
habt, oder mit der Jmpreſſion von einem andern ver-
gleiche, ſo vergleiche ich ſolche Zeichen, Bilder oder Wir-
kungen der Objekte auf mich, von denen ich glaube, daß
ihre Beziehung auf einander, eine Beziehung der Sa-
chen ſelbſt ſey.

Es iſt in dem fuͤnften Verſuch *) geſaget worden,
wie die Begriffe von einem Dinge, von einem wirkli-
chen Dinge,
von einem Objekt, und von der Sub-
ſtanz
entſtehen. Unſere ſinnlichen Vorſtellungen von
den beſondern Subſtanzen ſind beſondere Arten jener all-
gemeinen Begriffe, und enthalten daſſelbige in ſich.

Daraus folget, — und dieſen Schluß mache ich
nach nothwendigen Denkgeſetzen, den ein jedwedes rai-
ſonnirendes Weſen auch ſo machen muß, — daß, wenn
ich denke: „das Papier und die Feder da vor mir, ſind
verſchiedene Sachen, Subſtanzen und Objekte,‟ ſo iſt
dieß ein Gedanke, der in eben dem Sinn wahr iſt, in
welchem die einzelnen Saͤtze, „das Papier iſt ein Ding,‟
und „die Feder iſt ein Ding,‟ wahr ſind. Alſo muß
auch ein jedes Weſen, welches Vorſtellungen von wirk-
lichen Sachen und Gegenſtaͤnden aus ſeinen Modifika-
tionen bildet, auf dieſelbige Art, wie die menſchliche
Denkkraft aus den ihrigen, ſo verſchieden auch im uͤbri-
gen die Modifikationen dieſer Weſen ſeyn moͤgen; und

nun
*) Fuͤnfter Verſuch. V.
M m 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0609" n="549"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der allgem. Vernunftwahrheiten, &#x204A;c.</hi></fw><lb/>
&#x201E;verbinden, und daraus uns &#x017F;innliche Vor&#x017F;tellungen<lb/>
&#x201E;von den Sub&#x017F;tanzen machen, oder von dem, was die<lb/>
&#x201E;Objekte &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind, ihren &#x017F;ub&#x017F;tanziellen, nicht einzel-<lb/>
&#x201E;nen Be&#x017F;chaffenheiten nach.&#x201F; Die Jdentita&#x0364;t oder Di-<lb/>
ver&#x017F;ita&#x0364;t &#x017F;olcher Vor&#x017F;tellungen kann, wenn die u&#x0364;brigen<lb/>
Bedingungen &#x017F;o &#x017F;ind, wie &#x017F;ie &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, auf die na&#x0364;m-<lb/>
lichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e in den Objekten &#x017F;elb&#x017F;t hinfu&#x0364;hren. Jn-<lb/>
dem ich die jetzige Empfindung von einem Buche, mit<lb/>
der Empfindung von dem&#x017F;elbigen, die ich vorher ge-<lb/>
habt, oder mit der Jmpre&#x017F;&#x017F;ion von einem andern ver-<lb/>
gleiche, &#x017F;o vergleiche ich &#x017F;olche Zeichen, Bilder oder Wir-<lb/>
kungen der Objekte auf mich, von denen ich glaube, daß<lb/>
ihre Beziehung auf einander, eine Beziehung der Sa-<lb/>
chen &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ey.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t in dem fu&#x0364;nften Ver&#x017F;uch <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">Fu&#x0364;nfter Ver&#x017F;uch.</hi><hi rendition="#aq">V.</hi></note> ge&#x017F;aget worden,<lb/>
wie die Begriffe von einem <hi rendition="#fr">Dinge,</hi> von einem <hi rendition="#fr">wirkli-<lb/>
chen Dinge,</hi> von einem <hi rendition="#fr">Objekt,</hi> und von der <hi rendition="#fr">Sub-<lb/>
&#x017F;tanz</hi> ent&#x017F;tehen. Un&#x017F;ere &#x017F;innlichen Vor&#x017F;tellungen von<lb/>
den be&#x017F;ondern Sub&#x017F;tanzen &#x017F;ind be&#x017F;ondere Arten jener all-<lb/>
gemeinen Begriffe, und enthalten da&#x017F;&#x017F;elbige in &#x017F;ich.</p><lb/>
            <p>Daraus folget, &#x2014; und die&#x017F;en Schluß mache ich<lb/>
nach nothwendigen Denkge&#x017F;etzen, den ein jedwedes rai-<lb/>
&#x017F;onnirendes We&#x017F;en auch &#x017F;o machen muß, &#x2014; daß, wenn<lb/>
ich denke: &#x201E;das Papier und die Feder da vor mir, &#x017F;ind<lb/>
ver&#x017F;chiedene Sachen, Sub&#x017F;tanzen und Objekte,&#x201F; &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
dieß ein Gedanke, der in eben dem Sinn wahr i&#x017F;t, in<lb/>
welchem die einzelnen Sa&#x0364;tze, &#x201E;das Papier i&#x017F;t ein Ding,&#x201F;<lb/>
und &#x201E;die Feder i&#x017F;t ein Ding,&#x201F; wahr &#x017F;ind. Al&#x017F;o muß<lb/>
auch ein jedes We&#x017F;en, welches Vor&#x017F;tellungen von wirk-<lb/>
lichen Sachen und Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden aus &#x017F;einen Modifika-<lb/>
tionen bildet, auf die&#x017F;elbige Art, wie die men&#x017F;chliche<lb/>
Denkkraft aus den ihrigen, &#x017F;o ver&#x017F;chieden auch im u&#x0364;bri-<lb/>
gen die Modifikationen die&#x017F;er We&#x017F;en &#x017F;eyn mo&#x0364;gen; und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M m 3</fw><fw place="bottom" type="catch">nun</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[549/0609] der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c. „verbinden, und daraus uns ſinnliche Vorſtellungen „von den Subſtanzen machen, oder von dem, was die „Objekte ſelbſt ſind, ihren ſubſtanziellen, nicht einzel- „nen Beſchaffenheiten nach.‟ Die Jdentitaͤt oder Di- verſitaͤt ſolcher Vorſtellungen kann, wenn die uͤbrigen Bedingungen ſo ſind, wie ſie ſeyn muͤſſen, auf die naͤm- lichen Verhaͤltniſſe in den Objekten ſelbſt hinfuͤhren. Jn- dem ich die jetzige Empfindung von einem Buche, mit der Empfindung von demſelbigen, die ich vorher ge- habt, oder mit der Jmpreſſion von einem andern ver- gleiche, ſo vergleiche ich ſolche Zeichen, Bilder oder Wir- kungen der Objekte auf mich, von denen ich glaube, daß ihre Beziehung auf einander, eine Beziehung der Sa- chen ſelbſt ſey. Es iſt in dem fuͤnften Verſuch *) geſaget worden, wie die Begriffe von einem Dinge, von einem wirkli- chen Dinge, von einem Objekt, und von der Sub- ſtanz entſtehen. Unſere ſinnlichen Vorſtellungen von den beſondern Subſtanzen ſind beſondere Arten jener all- gemeinen Begriffe, und enthalten daſſelbige in ſich. Daraus folget, — und dieſen Schluß mache ich nach nothwendigen Denkgeſetzen, den ein jedwedes rai- ſonnirendes Weſen auch ſo machen muß, — daß, wenn ich denke: „das Papier und die Feder da vor mir, ſind verſchiedene Sachen, Subſtanzen und Objekte,‟ ſo iſt dieß ein Gedanke, der in eben dem Sinn wahr iſt, in welchem die einzelnen Saͤtze, „das Papier iſt ein Ding,‟ und „die Feder iſt ein Ding,‟ wahr ſind. Alſo muß auch ein jedes Weſen, welches Vorſtellungen von wirk- lichen Sachen und Gegenſtaͤnden aus ſeinen Modifika- tionen bildet, auf dieſelbige Art, wie die menſchliche Denkkraft aus den ihrigen, ſo verſchieden auch im uͤbri- gen die Modifikationen dieſer Weſen ſeyn moͤgen; und nun *) Fuͤnfter Verſuch. V. M m 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/609
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/609>, abgerufen am 17.06.2024.