nisses und des Uebergangs? Wo ist nun in diesen Fällen der Anfang der Reflexionsäußerung?*) Wenn das Gegeneinanderhalten nichts anders ist, als ein Abwechseln mit den Vorstellungen oder Jdeen, so sind wir noch in den Gränzen der vorstellenden Kraft. Man kann zwey Dinge lange wechselsweise angaffen, ohne die geringste Reflexion zu machen. Dieß ist also nicht Den- ken. Aber Vergleichen, das heißt; "von der Vor- "stellung der einen Sache zu der Vorstellung der andern "auf eine solche Art übergehen, daß man ihre Aehnlich- "keit oder Verschiedenheit gewahrnehme; mit dieser "Absicht ansetzen, oder wenn auch die Absicht fehlet, "doch mit der nämlichen Tendenz die Kraft anwenden, "und wirksam seyn lassen, als es da geschicht, wo die "Absicht vorhanden ist," welches so viel ist, als die Vorstellungen auf einander beziehen. Diese Aktus ge- hören schon zu der Thätigkeit der Denkkraft, die das Urtheil bewirket.
Es gehet nicht allemal eine solche Vergleichung vor; aber man kann doch eine Anwendung unserer Kraft, als den Aktus des Beziehens, gewahrnehmen, die von der- jenigen Thätigkeit, womit die Vorstellungen oder Jdeen jedwede für sich gegenwärtig erhalten oder dargestellet werden, unterschieden ist.
Das Gefühl des Uebergangs und der Verhältnisse läßt sich begreifen ohne Denkkraft. Darum glaube ich festsetzen zu können, "das Abwechseln der Vorstellun- "gen, oder ihr Gegeneinanderhalten gehe vor dem Ge- "fühl der Verhältnisse vorher, und bringe es hervor." Hier aber, wo dieß Gefühl entstehet, da sey der An- fang des Beziehens der Vorstellungen auf einander, und der Gewahrnehmung. Die obigen Versuche machen mir dieß wahrscheinlich, aber es sey ferne, hierauf, als auf einen Grundsatz, zu bauen.
2. Jn
*) Siehe Versuch 4. VII. 1. 2. und Vers. 3. VI.
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
niſſes und des Uebergangs? Wo iſt nun in dieſen Faͤllen der Anfang der Reflexionsaͤußerung?*) Wenn das Gegeneinanderhalten nichts anders iſt, als ein Abwechſeln mit den Vorſtellungen oder Jdeen, ſo ſind wir noch in den Graͤnzen der vorſtellenden Kraft. Man kann zwey Dinge lange wechſelsweiſe angaffen, ohne die geringſte Reflexion zu machen. Dieß iſt alſo nicht Den- ken. Aber Vergleichen, das heißt; „von der Vor- „ſtellung der einen Sache zu der Vorſtellung der andern „auf eine ſolche Art uͤbergehen, daß man ihre Aehnlich- „keit oder Verſchiedenheit gewahrnehme; mit dieſer „Abſicht anſetzen, oder wenn auch die Abſicht fehlet, „doch mit der naͤmlichen Tendenz die Kraft anwenden, „und wirkſam ſeyn laſſen, als es da geſchicht, wo die „Abſicht vorhanden iſt,‟ welches ſo viel iſt, als die Vorſtellungen auf einander beziehen. Dieſe Aktus ge- hoͤren ſchon zu der Thaͤtigkeit der Denkkraft, die das Urtheil bewirket.
Es gehet nicht allemal eine ſolche Vergleichung vor; aber man kann doch eine Anwendung unſerer Kraft, als den Aktus des Beziehens, gewahrnehmen, die von der- jenigen Thaͤtigkeit, womit die Vorſtellungen oder Jdeen jedwede fuͤr ſich gegenwaͤrtig erhalten oder dargeſtellet werden, unterſchieden iſt.
Das Gefuͤhl des Uebergangs und der Verhaͤltniſſe laͤßt ſich begreifen ohne Denkkraft. Darum glaube ich feſtſetzen zu koͤnnen, „das Abwechſeln der Vorſtellun- „gen, oder ihr Gegeneinanderhalten gehe vor dem Ge- „fuͤhl der Verhaͤltniſſe vorher, und bringe es hervor.‟ Hier aber, wo dieß Gefuͤhl entſtehet, da ſey der An- fang des Beziehens der Vorſtellungen auf einander, und der Gewahrnehmung. Die obigen Verſuche machen mir dieß wahrſcheinlich, aber es ſey ferne, hierauf, als auf einen Grundſatz, zu bauen.
2. Jn
*) Siehe Verſuch 4. VII. 1. 2. und Verſ. 3. VI.
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
niſſes und des Uebergangs? Wo iſt nun in dieſen
Faͤllen der Anfang der Reflexionsaͤußerung? *) Wenn
das Gegeneinanderhalten nichts anders iſt, als ein
Abwechſeln mit den Vorſtellungen oder Jdeen, ſo ſind
wir noch in den Graͤnzen der vorſtellenden Kraft. Man
kann zwey Dinge lange wechſelsweiſe angaffen, ohne die
geringſte Reflexion zu machen. Dieß iſt alſo nicht Den-
ken. Aber Vergleichen, das heißt; „von der Vor-
„ſtellung der einen Sache zu der Vorſtellung der andern
„auf eine ſolche Art uͤbergehen, daß man ihre Aehnlich-
„keit oder Verſchiedenheit gewahrnehme; mit dieſer
„Abſicht anſetzen, oder wenn auch die Abſicht fehlet,
„doch mit der naͤmlichen Tendenz die Kraft anwenden,
„und wirkſam ſeyn laſſen, als es da geſchicht, wo die
„Abſicht vorhanden iſt,‟ welches ſo viel iſt, als die
Vorſtellungen auf einander beziehen. Dieſe Aktus ge-
hoͤren ſchon zu der Thaͤtigkeit der Denkkraft, die das
Urtheil bewirket.
Es gehet nicht allemal eine ſolche Vergleichung vor;
aber man kann doch eine Anwendung unſerer Kraft, als
den Aktus des Beziehens, gewahrnehmen, die von der-
jenigen Thaͤtigkeit, womit die Vorſtellungen oder Jdeen
jedwede fuͤr ſich gegenwaͤrtig erhalten oder dargeſtellet
werden, unterſchieden iſt.
Das Gefuͤhl des Uebergangs und der Verhaͤltniſſe
laͤßt ſich begreifen ohne Denkkraft. Darum glaube ich
feſtſetzen zu koͤnnen, „das Abwechſeln der Vorſtellun-
„gen, oder ihr Gegeneinanderhalten gehe vor dem Ge-
„fuͤhl der Verhaͤltniſſe vorher, und bringe es hervor.‟
Hier aber, wo dieß Gefuͤhl entſtehet, da ſey der An-
fang des Beziehens der Vorſtellungen auf einander, und
der Gewahrnehmung. Die obigen Verſuche machen
mir dieß wahrſcheinlich, aber es ſey ferne, hierauf, als
auf einen Grundſatz, zu bauen.
2. Jn
*) Siehe Verſuch 4. VII. 1. 2. und Verſ. 3. VI.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/534>, abgerufen am 21.11.2024.
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