die vereiniget ein vollständiges Ding vorstellen können. Daher erscheinet jedwede Gesichtsempfindung entweder selbst als eine völlige Substanz, die außer uns und un- serm Körper ist, das heißt, die von beiden reell ver- schieden ist; oder als eine Beschaffenheit von einer sol- chen.
Ob die Gesichtsempfindungen einer Sache allein genommen, eine solche Vorstellung geben können, als die ist von einem wirklichen Objekt, und vollständigen Dinge oder von einer Substanz, wie Hr. Home meinet, das scheinet an sich nicht unmöglich zu seyn; aber es ist auch gewiß, daß die unsrigen diese Beschaffenheit den mit ihnen verbundenen Empfindungen des Gefühls zum Theil zu verdanken haben. Die gleichzeitigen Empfin- dungen durch beide Sinne vereinigten sich, und die Ein- drücke des Gesichts konnten, da sie am klärsten und leich- testen zu reproduciren sind, auch am bequemsten, als die hervorstechende Merkmale des ganzen Jnbegriffs, das ist, des ganzen Dinges gebrauchet werden, wie es wirklich geschicht. Der Gedanke, daß die Gesichtsempfindun- gen weder zu unserm Jch gehören, noch zu unserm Kör- per, konnte allein aus ihrer Vergleichung mit andern entstehen; aber der Gedanke: "sie sind vollständige Dinge, in eben dem Sinn, wie unser Jch ein Ding ist." Dieser Gedanke ist wahrscheinlich nur entstanden, weil sie die wesentlichen Merkmale von einer ganzen Vorstel- lung sind, die aus dem, was man sahe und was man fühlte, zusammen bestehet.
Endlich, -- denn ich eile zum Schluß, -- setzen wir die Eindrücke auf die Nerven, welche wir zum äußer- lichen körperlichen Gefühl hinrechnen, allemal in das Organ hin, sobald die Bewegungen so heftig sind, daß sie das Organ lebhaft erschüttern, hingegen außer uns, wenn wir nur sanft berühret werden, und die Empfin- dung deutlich ist. Der Schmerz, der Kizel, Frost und
Hitze
D d 3
Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
die vereiniget ein vollſtaͤndiges Ding vorſtellen koͤnnen. Daher erſcheinet jedwede Geſichtsempfindung entweder ſelbſt als eine voͤllige Subſtanz, die außer uns und un- ſerm Koͤrper iſt, das heißt, die von beiden reell ver- ſchieden iſt; oder als eine Beſchaffenheit von einer ſol- chen.
Ob die Geſichtsempfindungen einer Sache allein genommen, eine ſolche Vorſtellung geben koͤnnen, als die iſt von einem wirklichen Objekt, und vollſtaͤndigen Dinge oder von einer Subſtanz, wie Hr. Home meinet, das ſcheinet an ſich nicht unmoͤglich zu ſeyn; aber es iſt auch gewiß, daß die unſrigen dieſe Beſchaffenheit den mit ihnen verbundenen Empfindungen des Gefuͤhls zum Theil zu verdanken haben. Die gleichzeitigen Empfin- dungen durch beide Sinne vereinigten ſich, und die Ein- druͤcke des Geſichts konnten, da ſie am klaͤrſten und leich- teſten zu reproduciren ſind, auch am bequemſten, als die hervorſtechende Merkmale des ganzen Jnbegriffs, das iſt, des ganzen Dinges gebrauchet werden, wie es wirklich geſchicht. Der Gedanke, daß die Geſichtsempfindun- gen weder zu unſerm Jch gehoͤren, noch zu unſerm Koͤr- per, konnte allein aus ihrer Vergleichung mit andern entſtehen; aber der Gedanke: „ſie ſind vollſtaͤndige Dinge, in eben dem Sinn, wie unſer Jch ein Ding iſt.“ Dieſer Gedanke iſt wahrſcheinlich nur entſtanden, weil ſie die weſentlichen Merkmale von einer ganzen Vorſtel- lung ſind, die aus dem, was man ſahe und was man fuͤhlte, zuſammen beſtehet.
Endlich, — denn ich eile zum Schluß, — ſetzen wir die Eindruͤcke auf die Nerven, welche wir zum aͤußer- lichen koͤrperlichen Gefuͤhl hinrechnen, allemal in das Organ hin, ſobald die Bewegungen ſo heftig ſind, daß ſie das Organ lebhaft erſchuͤttern, hingegen außer uns, wenn wir nur ſanft beruͤhret werden, und die Empfin- dung deutlich iſt. Der Schmerz, der Kizel, Froſt und
Hitze
D d 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0481"n="421"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.</hi></fw><lb/>
die vereiniget ein vollſtaͤndiges Ding vorſtellen koͤnnen.<lb/>
Daher erſcheinet jedwede Geſichtsempfindung entweder<lb/>ſelbſt als eine voͤllige Subſtanz, die außer uns und un-<lb/>ſerm Koͤrper iſt, das heißt, die von beiden reell ver-<lb/>ſchieden iſt; oder als eine Beſchaffenheit von einer ſol-<lb/>
chen.</p><lb/><p>Ob die Geſichtsempfindungen einer Sache <hirendition="#fr">allein</hi><lb/>
genommen, eine ſolche Vorſtellung geben koͤnnen, als<lb/>
die iſt von einem wirklichen Objekt, und vollſtaͤndigen<lb/>
Dinge oder von einer Subſtanz, wie Hr. <hirendition="#fr">Home</hi> meinet,<lb/>
das ſcheinet an ſich nicht unmoͤglich zu ſeyn; aber es iſt<lb/>
auch gewiß, daß die unſrigen dieſe Beſchaffenheit den<lb/>
mit ihnen verbundenen Empfindungen des Gefuͤhls zum<lb/>
Theil zu verdanken haben. Die gleichzeitigen Empfin-<lb/>
dungen durch beide Sinne vereinigten ſich, und die Ein-<lb/>
druͤcke des Geſichts konnten, da ſie am klaͤrſten und leich-<lb/>
teſten zu reproduciren ſind, auch am bequemſten, als die<lb/>
hervorſtechende Merkmale des ganzen Jnbegriffs, das iſt,<lb/>
des ganzen Dinges gebrauchet werden, wie es wirklich<lb/>
geſchicht. Der Gedanke, daß die Geſichtsempfindun-<lb/>
gen weder zu unſerm Jch gehoͤren, noch zu unſerm Koͤr-<lb/>
per, konnte allein aus ihrer Vergleichung mit andern<lb/>
entſtehen; aber der Gedanke: „ſie ſind <hirendition="#fr">vollſtaͤndige<lb/>
Dinge,</hi> in eben dem Sinn, wie unſer Jch ein Ding iſt.“<lb/>
Dieſer Gedanke iſt wahrſcheinlich nur entſtanden, weil<lb/>ſie die weſentlichen Merkmale von einer ganzen Vorſtel-<lb/>
lung ſind, die aus dem, was man ſahe und was man<lb/>
fuͤhlte, zuſammen beſtehet.</p><lb/><p>Endlich, — denn ich eile zum Schluß, —ſetzen<lb/>
wir die Eindruͤcke auf die Nerven, welche wir zum <hirendition="#fr">aͤußer-<lb/>
lichen</hi> koͤrperlichen <hirendition="#fr">Gefuͤhl</hi> hinrechnen, allemal in das<lb/>
Organ hin, ſobald die Bewegungen ſo heftig ſind, daß<lb/>ſie das Organ lebhaft erſchuͤttern, hingegen außer uns,<lb/>
wenn wir nur ſanft beruͤhret werden, und die Empfin-<lb/>
dung deutlich iſt. Der Schmerz, der Kizel, Froſt und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D d 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Hitze</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[421/0481]
Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
die vereiniget ein vollſtaͤndiges Ding vorſtellen koͤnnen.
Daher erſcheinet jedwede Geſichtsempfindung entweder
ſelbſt als eine voͤllige Subſtanz, die außer uns und un-
ſerm Koͤrper iſt, das heißt, die von beiden reell ver-
ſchieden iſt; oder als eine Beſchaffenheit von einer ſol-
chen.
Ob die Geſichtsempfindungen einer Sache allein
genommen, eine ſolche Vorſtellung geben koͤnnen, als
die iſt von einem wirklichen Objekt, und vollſtaͤndigen
Dinge oder von einer Subſtanz, wie Hr. Home meinet,
das ſcheinet an ſich nicht unmoͤglich zu ſeyn; aber es iſt
auch gewiß, daß die unſrigen dieſe Beſchaffenheit den
mit ihnen verbundenen Empfindungen des Gefuͤhls zum
Theil zu verdanken haben. Die gleichzeitigen Empfin-
dungen durch beide Sinne vereinigten ſich, und die Ein-
druͤcke des Geſichts konnten, da ſie am klaͤrſten und leich-
teſten zu reproduciren ſind, auch am bequemſten, als die
hervorſtechende Merkmale des ganzen Jnbegriffs, das iſt,
des ganzen Dinges gebrauchet werden, wie es wirklich
geſchicht. Der Gedanke, daß die Geſichtsempfindun-
gen weder zu unſerm Jch gehoͤren, noch zu unſerm Koͤr-
per, konnte allein aus ihrer Vergleichung mit andern
entſtehen; aber der Gedanke: „ſie ſind vollſtaͤndige
Dinge, in eben dem Sinn, wie unſer Jch ein Ding iſt.“
Dieſer Gedanke iſt wahrſcheinlich nur entſtanden, weil
ſie die weſentlichen Merkmale von einer ganzen Vorſtel-
lung ſind, die aus dem, was man ſahe und was man
fuͤhlte, zuſammen beſtehet.
Endlich, — denn ich eile zum Schluß, — ſetzen
wir die Eindruͤcke auf die Nerven, welche wir zum aͤußer-
lichen koͤrperlichen Gefuͤhl hinrechnen, allemal in das
Organ hin, ſobald die Bewegungen ſo heftig ſind, daß
ſie das Organ lebhaft erſchuͤttern, hingegen außer uns,
wenn wir nur ſanft beruͤhret werden, und die Empfin-
dung deutlich iſt. Der Schmerz, der Kizel, Froſt und
Hitze
D d 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/481>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.