Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.V. Versuch. Ueber den Urspr. unserer germaßen begreiflich. Die Sache verdient noch einegrößere Aufhellung, als sie zur Zeit, so viel ich weiß, erhalten hat.*) Aber da ich sie hier doch nicht anders, als *) Lock war zwar nahe bey dieser Untersuchung, als er
den Unterschied zwischen den qualitatibus primariis und secundariis der Körper bestimmte; aber er gieng nicht weiter in sie hinein. Condillac hat sie, wie verschiede- ne andere, nur berühret. Reid in seinem Inquiry into the human mind, sieht mit seinen Nachfolgern, Beattie und Oswald und andern, diese Urtheile über die objektivische Wirklichkeit der Dinge für instinktar- tige Wirkungen des Verstandes an, wovon sich weiter kein Grund angeben lasse, bringet aber viele schöne Be- trachtungen bey, die hieher gehören. Leibnitz (nou- veaux essais sur l'entendement humain liv. 2. cap. VIII. §. 15. S. 87.) saget: "wir setzen den Schmerz von ei- nem Nadelstich in unsern Körper hin, nicht in die Na- del, darum, weil der Schmerz in der Seele nicht auf die Bewegungen der Nadel, sondern auf die Bewegun- gen in den gestochenen Theilen des Körpers diejenige Beziehung hat, die sie zu einer Vorstellung von einer Sache machet." Il est vrai, sind seine Worte, que la douleur ne ressemble pas aux mouvemens d'une epin- gle, mais elle peut ressembler fort bien aux mouve- mens, que cette epingle causse dans notre corps, et representer ces mouvemens dans l'ame, comme je ne doute nullement, qu'elle ne fasse. C'est aussi pour cela, que nous disons, que la douleur est dans notre corps, et non pas, qu'elle est dans l'epingle. Mais nous disons, que la lumiere est dans le feu, parce qu'il y a dans le feu des mouvemens, qui ne sont point distinctement sensibles a part, mais dont la confusion ou conjunction devient sensible, et nous est representee par l'idee de la lumiere. Der Grund, den Leibnitz hier angiebet, warum wir den Schmerz in den verletzten Körper setzen, und das Licht in das Feuer, mag für sich genommen, richtig seyn. Das Gefühl oder die Empfindung des Schmerzens haben eine analogische Beziehung auf die Bewegungen in den em- pfindli- V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer germaßen begreiflich. Die Sache verdient noch einegroͤßere Aufhellung, als ſie zur Zeit, ſo viel ich weiß, erhalten hat.*) Aber da ich ſie hier doch nicht anders, als *) Lock war zwar nahe bey dieſer Unterſuchung, als er
den Unterſchied zwiſchen den qualitatibus primariis und ſecundariis der Koͤrper beſtimmte; aber er gieng nicht weiter in ſie hinein. Condillac hat ſie, wie verſchiede- ne andere, nur beruͤhret. Reid in ſeinem Inquiry into the human mind, ſieht mit ſeinen Nachfolgern, Beattie und Oswald und andern, dieſe Urtheile uͤber die objektiviſche Wirklichkeit der Dinge fuͤr inſtinktar- tige Wirkungen des Verſtandes an, wovon ſich weiter kein Grund angeben laſſe, bringet aber viele ſchoͤne Be- trachtungen bey, die hieher gehoͤren. Leibnitz (nou- veaux eſſais ſur l’entendement humain liv. 2. cap. VIII. §. 15. S. 87.) ſaget: „wir ſetzen den Schmerz von ei- nem Nadelſtich in unſern Koͤrper hin, nicht in die Na- del, darum, weil der Schmerz in der Seele nicht auf die Bewegungen der Nadel, ſondern auf die Bewegun- gen in den geſtochenen Theilen des Koͤrpers diejenige Beziehung hat, die ſie zu einer Vorſtellung von einer Sache machet.“ Il eſt vrai, ſind ſeine Worte, que la douleur ne reſſemble pas aux mouvemens d’une epin- gle, mais elle peut reſſembler fort bien aux mouve- mens, que cette epingle cauſſe dans notre corps, et repreſenter ces mouvemens dans l’ame, comme je ne doute nullement, qu’elle ne faſſe. C’eſt auſſi pour cela, que nous diſons, que la douleur eſt dans notre corps, et non pas, qu’elle eſt dans l’epingle. Mais nous diſons, que la lumiere eſt dans le feu, parce qu’il y a dans le feu des mouvemens, qui ne ſont point diſtinctement ſenſibles à part, mais dont la confuſion ou conjunction devient ſenſible, et nous eſt repréſentée par l’idée de la lumiere. Der Grund, den Leibnitz hier angiebet, warum wir den Schmerz in den verletzten Koͤrper ſetzen, und das Licht in das Feuer, mag fuͤr ſich genommen, richtig ſeyn. Das Gefuͤhl oder die Empfindung des Schmerzens haben eine analogiſche Beziehung auf die Bewegungen in den em- pfindli- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0442" n="382"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer</hi></fw><lb/> germaßen begreiflich. Die Sache verdient noch eine<lb/> groͤßere Aufhellung, als ſie zur Zeit, ſo viel ich weiß,<lb/> erhalten hat.<note xml:id="c1" next="#c2" place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">Lock</hi> war zwar nahe bey dieſer Unterſuchung, als er<lb/> den Unterſchied zwiſchen den <hi rendition="#aq">qualitatibus primariis</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">ſecundariis</hi> der Koͤrper beſtimmte; aber er gieng nicht<lb/> weiter in ſie hinein. <hi rendition="#fr">Condillac</hi> hat ſie, wie verſchiede-<lb/> ne andere, nur beruͤhret. <hi rendition="#fr">Reid</hi> in ſeinem <hi rendition="#aq">Inquiry<lb/> into the human mind,</hi> ſieht mit ſeinen Nachfolgern,<lb/><hi rendition="#fr">Beattie</hi> und <hi rendition="#fr">Oswald</hi> und andern, dieſe Urtheile uͤber<lb/> die objektiviſche Wirklichkeit der Dinge fuͤr inſtinktar-<lb/> tige Wirkungen des Verſtandes an, wovon ſich weiter<lb/> kein Grund angeben laſſe, bringet aber viele ſchoͤne Be-<lb/> trachtungen bey, die hieher gehoͤren. <hi rendition="#fr">Leibnitz</hi> (<hi rendition="#aq">nou-<lb/> veaux eſſais ſur l’entendement humain liv. 2. cap. VIII.</hi><lb/> §. 15. S. 87.) ſaget: „wir ſetzen den Schmerz von ei-<lb/> nem Nadelſtich in unſern Koͤrper hin, nicht in die Na-<lb/> del, darum, weil der Schmerz in der Seele nicht auf<lb/> die Bewegungen der Nadel, ſondern auf die Bewegun-<lb/> gen in den geſtochenen Theilen des Koͤrpers diejenige<lb/> Beziehung hat, die ſie zu einer Vorſtellung von einer<lb/> Sache machet.“ <hi rendition="#aq">Il eſt vrai,</hi> ſind ſeine Worte, <hi rendition="#aq">que la<lb/> douleur ne reſſemble pas aux mouvemens d’une epin-<lb/> gle, mais elle peut reſſembler fort bien aux mouve-<lb/> mens, que cette epingle cauſſe dans notre corps, et<lb/> repreſenter ces mouvemens dans l’ame, comme je<lb/> ne doute nullement, qu’elle ne faſſe. C’eſt auſſi<lb/> pour cela, que nous diſons, que la douleur eſt dans<lb/> notre corps, et non pas, qu’elle eſt dans l’epingle.<lb/> Mais nous diſons, que la lumiere eſt dans le feu, parce<lb/> qu’il y a dans le feu des mouvemens, qui ne ſont<lb/> point diſtinctement ſenſibles à part, mais dont la<lb/> confuſion ou conjunction devient ſenſible, et nous<lb/> eſt repréſentée par l’idée de la lumiere.</hi> Der Grund,<lb/> den <hi rendition="#fr">Leibnitz</hi> hier angiebet, warum wir den Schmerz<lb/> in den verletzten Koͤrper ſetzen, und das Licht in das<lb/> Feuer, mag fuͤr ſich genommen, richtig ſeyn. Das<lb/> Gefuͤhl oder die Empfindung des Schmerzens haben eine<lb/> analogiſche Beziehung auf die Bewegungen in den em-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">pfindli-</fw></note> Aber da ich ſie hier doch nicht anders,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [382/0442]
V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
germaßen begreiflich. Die Sache verdient noch eine
groͤßere Aufhellung, als ſie zur Zeit, ſo viel ich weiß,
erhalten hat. *) Aber da ich ſie hier doch nicht anders,
als
*) Lock war zwar nahe bey dieſer Unterſuchung, als er
den Unterſchied zwiſchen den qualitatibus primariis und
ſecundariis der Koͤrper beſtimmte; aber er gieng nicht
weiter in ſie hinein. Condillac hat ſie, wie verſchiede-
ne andere, nur beruͤhret. Reid in ſeinem Inquiry
into the human mind, ſieht mit ſeinen Nachfolgern,
Beattie und Oswald und andern, dieſe Urtheile uͤber
die objektiviſche Wirklichkeit der Dinge fuͤr inſtinktar-
tige Wirkungen des Verſtandes an, wovon ſich weiter
kein Grund angeben laſſe, bringet aber viele ſchoͤne Be-
trachtungen bey, die hieher gehoͤren. Leibnitz (nou-
veaux eſſais ſur l’entendement humain liv. 2. cap. VIII.
§. 15. S. 87.) ſaget: „wir ſetzen den Schmerz von ei-
nem Nadelſtich in unſern Koͤrper hin, nicht in die Na-
del, darum, weil der Schmerz in der Seele nicht auf
die Bewegungen der Nadel, ſondern auf die Bewegun-
gen in den geſtochenen Theilen des Koͤrpers diejenige
Beziehung hat, die ſie zu einer Vorſtellung von einer
Sache machet.“ Il eſt vrai, ſind ſeine Worte, que la
douleur ne reſſemble pas aux mouvemens d’une epin-
gle, mais elle peut reſſembler fort bien aux mouve-
mens, que cette epingle cauſſe dans notre corps, et
repreſenter ces mouvemens dans l’ame, comme je
ne doute nullement, qu’elle ne faſſe. C’eſt auſſi
pour cela, que nous diſons, que la douleur eſt dans
notre corps, et non pas, qu’elle eſt dans l’epingle.
Mais nous diſons, que la lumiere eſt dans le feu, parce
qu’il y a dans le feu des mouvemens, qui ne ſont
point diſtinctement ſenſibles à part, mais dont la
confuſion ou conjunction devient ſenſible, et nous
eſt repréſentée par l’idée de la lumiere. Der Grund,
den Leibnitz hier angiebet, warum wir den Schmerz
in den verletzten Koͤrper ſetzen, und das Licht in das
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