her die Jdee für einerley genommen mit einer gewahr- genommenen Vorstellung. Wenn es im Allge- meinen bey dieser Erklärung bleibet, so macht die Ge- wahrnehmung die Form der Jdee aus, und dazu ist weiter kein Beziehen nöthig, als dasjenige, was in dem Gewahrnehmen vor sich gehet.
Aber wenn ich meine Jdee von der Sonne, als ei- ne Jdee in mir habe, so beziehe ich sie auf die Sonne, als auf ihr Objekt. Jch darf diese Beziehung zwar nicht deutlich gewahrnehmen: dieß würde schon das Urtheil seyn; meine Vorstellung ist eine Jdee, und man hat Recht, wenn man dieß Urtheil als ein neues hinzukom- mendes Urtheil ansiehet, welches zu der Jdee als Jdee nicht gehöret. Aber wenn meine Jdee als eine Jdee in mir gegenwärtig ist, so ist doch dasjenige da, was ich vorher die Beziehung der Vorstellung auf ihr Objekt ge- nannt habe, ob ich gleich diese Beziehung selbst nicht ge- wahrnehme. Die gewahrgenommene Vorstel- lung in der Beziehung auf ein Objekt, macht ei- gentlich erst die Jdee von einer Sache aus.
Jst diese Beziehung der Vorstellung auf ihr Objekt eine Vergleichung? Kann sie es seyn? Kann das Objekt mit der Vorstellung von ihm verglichen werden? Ein anders ist, eine Vorstellung von einer Sache mit einer andern Vorstellung von derselben Sache zu verglei- chen. Worinn also auch diese Beziehung bestehen mag, so ist sie ein Bestandtheil von jedweder Jdee, und ist diese eine Vergleichung? Es wird sich unten zeigen, daß wenn sie auch wiederum zu Vergleichungen zurück- führet, so komme man doch bey ihrer Entwickelung auf eine eigene Beziehung, die keine Vergleichung ist, und weder den Gedanken von Einerleyheit, noch den von Verschiedenheit hervorbringet.
Soll eine Jdee eine deutliche Jdee seyn, so müs- sen ihre Theile unterschieden; und also einiges von dem
Mannig-
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
her die Jdee fuͤr einerley genommen mit einer gewahr- genommenen Vorſtellung. Wenn es im Allge- meinen bey dieſer Erklaͤrung bleibet, ſo macht die Ge- wahrnehmung die Form der Jdee aus, und dazu iſt weiter kein Beziehen noͤthig, als dasjenige, was in dem Gewahrnehmen vor ſich gehet.
Aber wenn ich meine Jdee von der Sonne, als ei- ne Jdee in mir habe, ſo beziehe ich ſie auf die Sonne, als auf ihr Objekt. Jch darf dieſe Beziehung zwar nicht deutlich gewahrnehmen: dieß wuͤrde ſchon das Urtheil ſeyn; meine Vorſtellung iſt eine Jdee, und man hat Recht, wenn man dieß Urtheil als ein neues hinzukom- mendes Urtheil anſiehet, welches zu der Jdee als Jdee nicht gehoͤret. Aber wenn meine Jdee als eine Jdee in mir gegenwaͤrtig iſt, ſo iſt doch dasjenige da, was ich vorher die Beziehung der Vorſtellung auf ihr Objekt ge- nannt habe, ob ich gleich dieſe Beziehung ſelbſt nicht ge- wahrnehme. Die gewahrgenommene Vorſtel- lung in der Beziehung auf ein Objekt, macht ei- gentlich erſt die Jdee von einer Sache aus.
Jſt dieſe Beziehung der Vorſtellung auf ihr Objekt eine Vergleichung? Kann ſie es ſeyn? Kann das Objekt mit der Vorſtellung von ihm verglichen werden? Ein anders iſt, eine Vorſtellung von einer Sache mit einer andern Vorſtellung von derſelben Sache zu verglei- chen. Worinn alſo auch dieſe Beziehung beſtehen mag, ſo iſt ſie ein Beſtandtheil von jedweder Jdee, und iſt dieſe eine Vergleichung? Es wird ſich unten zeigen, daß wenn ſie auch wiederum zu Vergleichungen zuruͤck- fuͤhret, ſo komme man doch bey ihrer Entwickelung auf eine eigene Beziehung, die keine Vergleichung iſt, und weder den Gedanken von Einerleyheit, noch den von Verſchiedenheit hervorbringet.
Soll eine Jdee eine deutliche Jdee ſeyn, ſo muͤſ- ſen ihre Theile unterſchieden; und alſo einiges von dem
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IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
her die Jdee fuͤr einerley genommen mit einer gewahr-
genommenen Vorſtellung. Wenn es im Allge-
meinen bey dieſer Erklaͤrung bleibet, ſo macht die Ge-
wahrnehmung die Form der Jdee aus, und dazu iſt
weiter kein Beziehen noͤthig, als dasjenige, was in dem
Gewahrnehmen vor ſich gehet.
Aber wenn ich meine Jdee von der Sonne, als ei-
ne Jdee in mir habe, ſo beziehe ich ſie auf die Sonne,
als auf ihr Objekt. Jch darf dieſe Beziehung zwar nicht
deutlich gewahrnehmen: dieß wuͤrde ſchon das Urtheil
ſeyn; meine Vorſtellung iſt eine Jdee, und man hat
Recht, wenn man dieß Urtheil als ein neues hinzukom-
mendes Urtheil anſiehet, welches zu der Jdee als Jdee
nicht gehoͤret. Aber wenn meine Jdee als eine Jdee in
mir gegenwaͤrtig iſt, ſo iſt doch dasjenige da, was ich
vorher die Beziehung der Vorſtellung auf ihr Objekt ge-
nannt habe, ob ich gleich dieſe Beziehung ſelbſt nicht ge-
wahrnehme. Die gewahrgenommene Vorſtel-
lung in der Beziehung auf ein Objekt, macht ei-
gentlich erſt die Jdee von einer Sache aus.
Jſt dieſe Beziehung der Vorſtellung auf ihr Objekt
eine Vergleichung? Kann ſie es ſeyn? Kann das
Objekt mit der Vorſtellung von ihm verglichen werden?
Ein anders iſt, eine Vorſtellung von einer Sache mit
einer andern Vorſtellung von derſelben Sache zu verglei-
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ſo iſt ſie ein Beſtandtheil von jedweder Jdee, und iſt
dieſe eine Vergleichung? Es wird ſich unten zeigen,
daß wenn ſie auch wiederum zu Vergleichungen zuruͤck-
fuͤhret, ſo komme man doch bey ihrer Entwickelung auf
eine eigene Beziehung, die keine Vergleichung iſt, und
weder den Gedanken von Einerleyheit, noch den von
Verſchiedenheit hervorbringet.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/424>, abgerufen am 23.11.2024.
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