Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
zu den ersten Anfängen dieser Vermögen in der
Grundkraft mich so weit hin zu nähern, als
ichs möglich fand. Mit den Erkenntnißfähig-
keiten ist der Anfang gemacht. Hier haben
fast alle Psychologen den Eingang zu dem Jn-
nern der Seele am offensten gefunden, und es
beweiset der Erfolg, daß wirklich die Seele
sich an dieser Seite am deutlichsten äußere, da
keine andere Art von ihren Aeußerungen sich
so gut zergliedern lässet, als Vorstellungen
und Gedanken.

Diese ersten Untersuchungen setzen uns in
den Stand, besser die neuern Hypothesen über
die Natur unsers Seelenwesens zu beurtheilen.
Die Bonnetische verdient vor andern die
sorgfältigste Prüfung. Sie kann die Bonne-
tische
heißen, ob gleich Hr. Bonnet nicht der
erste ist, der sie vorgetragen hat. Denn wenn
man bis auf ihre erste Anlage zurück gehen
wollte, so würde sich solche, wie fast zu allen
andern von den Neuern weiter entwickelten
Jdeen, bey den alten Philosophen schon fin-
den lassen. Die aristotelische Jdee von der
Seele als einer substanziellen Form des thie-
rischen Körpers scheint nicht weit von der neuen
Jdee, die sie zu einer substanziellen Kraft des
Gehirns macht, entfernet zu seyn. Gleich-
wohl kann Hr. Bonnet, so viel ich weiß, auf
die Ehre Anspruch machen, diese Hypothese
aufs genaueste bestimmet, sie deutlich und aus-
führlich entwickelt, zur Erklärung der beson-
dern psychologischen Erfahrungen angewendet,

und

Vorrede.
zu den erſten Anfaͤngen dieſer Vermoͤgen in der
Grundkraft mich ſo weit hin zu naͤhern, als
ichs moͤglich fand. Mit den Erkenntnißfaͤhig-
keiten iſt der Anfang gemacht. Hier haben
faſt alle Pſychologen den Eingang zu dem Jn-
nern der Seele am offenſten gefunden, und es
beweiſet der Erfolg, daß wirklich die Seele
ſich an dieſer Seite am deutlichſten aͤußere, da
keine andere Art von ihren Aeußerungen ſich
ſo gut zergliedern laͤſſet, als Vorſtellungen
und Gedanken.

Dieſe erſten Unterſuchungen ſetzen uns in
den Stand, beſſer die neuern Hypotheſen uͤber
die Natur unſers Seelenweſens zu beurtheilen.
Die Bonnetiſche verdient vor andern die
ſorgfaͤltigſte Pruͤfung. Sie kann die Bonne-
tiſche
heißen, ob gleich Hr. Bonnet nicht der
erſte iſt, der ſie vorgetragen hat. Denn wenn
man bis auf ihre erſte Anlage zuruͤck gehen
wollte, ſo wuͤrde ſich ſolche, wie faſt zu allen
andern von den Neuern weiter entwickelten
Jdeen, bey den alten Philoſophen ſchon fin-
den laſſen. Die ariſtoteliſche Jdee von der
Seele als einer ſubſtanziellen Form des thie-
riſchen Koͤrpers ſcheint nicht weit von der neuen
Jdee, die ſie zu einer ſubſtanziellen Kraft des
Gehirns macht, entfernet zu ſeyn. Gleich-
wohl kann Hr. Bonnet, ſo viel ich weiß, auf
die Ehre Anſpruch machen, dieſe Hypotheſe
aufs genaueſte beſtimmet, ſie deutlich und aus-
fuͤhrlich entwickelt, zur Erklaͤrung der beſon-
dern pſychologiſchen Erfahrungen angewendet,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="XXXI"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></fw><lb/>
zu den er&#x017F;ten Anfa&#x0364;ngen die&#x017F;er Vermo&#x0364;gen in der<lb/>
Grundkraft mich &#x017F;o weit hin zu na&#x0364;hern, als<lb/>
ichs mo&#x0364;glich fand. Mit den Erkenntnißfa&#x0364;hig-<lb/>
keiten i&#x017F;t der Anfang gemacht. Hier haben<lb/>
fa&#x017F;t alle P&#x017F;ychologen den Eingang zu dem Jn-<lb/>
nern der Seele am offen&#x017F;ten gefunden, und es<lb/>
bewei&#x017F;et der Erfolg, daß wirklich die Seele<lb/>
&#x017F;ich an die&#x017F;er Seite am deutlich&#x017F;ten a&#x0364;ußere, da<lb/>
keine andere Art von ihren Aeußerungen &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o gut zergliedern la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, als Vor&#x017F;tellungen<lb/>
und Gedanken.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e er&#x017F;ten Unter&#x017F;uchungen &#x017F;etzen uns in<lb/>
den Stand, be&#x017F;&#x017F;er die neuern Hypothe&#x017F;en u&#x0364;ber<lb/>
die Natur un&#x017F;ers Seelenwe&#x017F;ens zu beurtheilen.<lb/>
Die <hi rendition="#fr">Bonneti&#x017F;che</hi> verdient vor andern die<lb/>
&#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;te Pru&#x0364;fung. Sie kann die <hi rendition="#fr">Bonne-<lb/>
ti&#x017F;che</hi> heißen, ob gleich Hr. <hi rendition="#fr">Bonnet</hi> nicht der<lb/>
er&#x017F;te i&#x017F;t, der &#x017F;ie vorgetragen hat. Denn wenn<lb/>
man bis auf ihre er&#x017F;te Anlage zuru&#x0364;ck gehen<lb/>
wollte, &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ich &#x017F;olche, wie fa&#x017F;t zu allen<lb/>
andern von den Neuern weiter entwickelten<lb/>
Jdeen, bey den alten Philo&#x017F;ophen &#x017F;chon fin-<lb/>
den la&#x017F;&#x017F;en. Die ari&#x017F;toteli&#x017F;che Jdee von der<lb/>
Seele als einer <hi rendition="#fr">&#x017F;ub&#x017F;tanziellen Form</hi> des thie-<lb/>
ri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers &#x017F;cheint nicht weit von der neuen<lb/>
Jdee, die &#x017F;ie zu einer &#x017F;ub&#x017F;tanziellen Kraft des<lb/>
Gehirns macht, entfernet zu &#x017F;eyn. Gleich-<lb/>
wohl kann Hr. <hi rendition="#fr">Bonnet,</hi> &#x017F;o viel ich weiß, auf<lb/>
die Ehre An&#x017F;pruch machen, die&#x017F;e Hypothe&#x017F;e<lb/>
aufs genaue&#x017F;te be&#x017F;timmet, &#x017F;ie deutlich und aus-<lb/>
fu&#x0364;hrlich entwickelt, zur Erkla&#x0364;rung der be&#x017F;on-<lb/>
dern p&#x017F;ychologi&#x017F;chen Erfahrungen angewendet,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XXXI/0035] Vorrede. zu den erſten Anfaͤngen dieſer Vermoͤgen in der Grundkraft mich ſo weit hin zu naͤhern, als ichs moͤglich fand. Mit den Erkenntnißfaͤhig- keiten iſt der Anfang gemacht. Hier haben faſt alle Pſychologen den Eingang zu dem Jn- nern der Seele am offenſten gefunden, und es beweiſet der Erfolg, daß wirklich die Seele ſich an dieſer Seite am deutlichſten aͤußere, da keine andere Art von ihren Aeußerungen ſich ſo gut zergliedern laͤſſet, als Vorſtellungen und Gedanken. Dieſe erſten Unterſuchungen ſetzen uns in den Stand, beſſer die neuern Hypotheſen uͤber die Natur unſers Seelenweſens zu beurtheilen. Die Bonnetiſche verdient vor andern die ſorgfaͤltigſte Pruͤfung. Sie kann die Bonne- tiſche heißen, ob gleich Hr. Bonnet nicht der erſte iſt, der ſie vorgetragen hat. Denn wenn man bis auf ihre erſte Anlage zuruͤck gehen wollte, ſo wuͤrde ſich ſolche, wie faſt zu allen andern von den Neuern weiter entwickelten Jdeen, bey den alten Philoſophen ſchon fin- den laſſen. Die ariſtoteliſche Jdee von der Seele als einer ſubſtanziellen Form des thie- riſchen Koͤrpers ſcheint nicht weit von der neuen Jdee, die ſie zu einer ſubſtanziellen Kraft des Gehirns macht, entfernet zu ſeyn. Gleich- wohl kann Hr. Bonnet, ſo viel ich weiß, auf die Ehre Anſpruch machen, dieſe Hypotheſe aufs genaueſte beſtimmet, ſie deutlich und aus- fuͤhrlich entwickelt, zur Erklaͤrung der beſon- dern pſychologiſchen Erfahrungen angewendet, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/35
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. XXXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/35>, abgerufen am 24.11.2024.