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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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III. Versuch. Ueber das Gewahrnehmen
oder daher, weil seine Gestalt, seine Kleidung oder son-
sten etwas ihn auszeichnet, oder weil er ein Bekannter
von mir ist; es sey Vorsatz oder Zufall, was mich ihn
hat gewahrwerden lassen; so ist so viel gewiß: ich werde
alsdenn, wenn ich ihn gewahrnehme, auf eine vorzüg-
liche Art mit der Empfindung von diesem Menschen be-
schäftiget. Jst es eine Vorstellung in der Einbildungs-
kraft, die ich gewahrnehme, so treffe ich auch bey dieser
denselbigen Umstand an. Die appercipirte Vorstellung
ziehet die Kraft der Seele vor andern vorzüglich auf sich.

Wir nennen es ein Befühlen, Betasten, Be-
schauen, Besehen, Beriechen,
wenn wir die Sin-
ne
auf eine vorzügliche Weise und mit Fleiß auf einen
Gegenstand hinwenden, um ihn besser zu empfinden. Ge-
meiniglich wird hiebey vorausgesetzt, daß wir schon eine
Jdee von ihm haben, und daß es uns nur um eine grö-
ßere Klarheit oder Deutlichkeit in ihr zu thun sey. Das
simple Gewahrnehmen bringet die erste klare Jdee her-
vor, und erfordert also, in diesem Verstande jene Wör-
ter genommen, kein Beschauen. Aber wenn man, --
wie solches denn ja wohl hier erlaubt ist, -- jenen Aus-
drücken eine etwas erweiterte Bedeutung giebet, und jed-
wede vorzügliche Anwendung des Empfindungsvermö-
gens auf einen Gegenstand ein Befühlen oder Beschau-
en desselbigen nennet, so gehöret eine solche Beschäfti-
gung der Sinne zu dem Gewahrnehmen der Dinge in
der Empfindung. Das Wort Beachten kann in ei-
ner ähnlichen Bedeutung von der Vorstellungskraft ge-
brauchet werden; und zum Theil ist es schen so gebrau-
chet worden. Jede in der Vorstellung gewahrgenom-
mene Sache, oder jede appercipirte Vorstellung ist al-
so [e]ine beachtete Vorstellung. Es heißt dieß so viel.
Sie ist eine solche, mit welcher das vorstellende Vermö-
gen der Seele sich ausnehmend beschäftiget hat. Bis
zum Befühlen und Beachten bringet es die Seele

des

III. Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen
oder daher, weil ſeine Geſtalt, ſeine Kleidung oder ſon-
ſten etwas ihn auszeichnet, oder weil er ein Bekannter
von mir iſt; es ſey Vorſatz oder Zufall, was mich ihn
hat gewahrwerden laſſen; ſo iſt ſo viel gewiß: ich werde
alsdenn, wenn ich ihn gewahrnehme, auf eine vorzuͤg-
liche Art mit der Empfindung von dieſem Menſchen be-
ſchaͤftiget. Jſt es eine Vorſtellung in der Einbildungs-
kraft, die ich gewahrnehme, ſo treffe ich auch bey dieſer
denſelbigen Umſtand an. Die appercipirte Vorſtellung
ziehet die Kraft der Seele vor andern vorzuͤglich auf ſich.

Wir nennen es ein Befuͤhlen, Betaſten, Be-
ſchauen, Beſehen, Beriechen,
wenn wir die Sin-
ne
auf eine vorzuͤgliche Weiſe und mit Fleiß auf einen
Gegenſtand hinwenden, um ihn beſſer zu empfinden. Ge-
meiniglich wird hiebey vorausgeſetzt, daß wir ſchon eine
Jdee von ihm haben, und daß es uns nur um eine groͤ-
ßere Klarheit oder Deutlichkeit in ihr zu thun ſey. Das
ſimple Gewahrnehmen bringet die erſte klare Jdee her-
vor, und erfordert alſo, in dieſem Verſtande jene Woͤr-
ter genommen, kein Beſchauen. Aber wenn man, —
wie ſolches denn ja wohl hier erlaubt iſt, — jenen Aus-
druͤcken eine etwas erweiterte Bedeutung giebet, und jed-
wede vorzuͤgliche Anwendung des Empfindungsvermoͤ-
gens auf einen Gegenſtand ein Befuͤhlen oder Beſchau-
en deſſelbigen nennet, ſo gehoͤret eine ſolche Beſchaͤfti-
gung der Sinne zu dem Gewahrnehmen der Dinge in
der Empfindung. Das Wort Beachten kann in ei-
ner aͤhnlichen Bedeutung von der Vorſtellungskraft ge-
brauchet werden; und zum Theil iſt es ſchen ſo gebrau-
chet worden. Jede in der Vorſtellung gewahrgenom-
mene Sache, oder jede appercipirte Vorſtellung iſt al-
ſo [e]ine beachtete Vorſtellung. Es heißt dieß ſo viel.
Sie iſt eine ſolche, mit welcher das vorſtellende Vermoͤ-
gen der Seele ſich ausnehmend beſchaͤftiget hat. Bis
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[282/0342] III. Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen oder daher, weil ſeine Geſtalt, ſeine Kleidung oder ſon- ſten etwas ihn auszeichnet, oder weil er ein Bekannter von mir iſt; es ſey Vorſatz oder Zufall, was mich ihn hat gewahrwerden laſſen; ſo iſt ſo viel gewiß: ich werde alsdenn, wenn ich ihn gewahrnehme, auf eine vorzuͤg- liche Art mit der Empfindung von dieſem Menſchen be- ſchaͤftiget. Jſt es eine Vorſtellung in der Einbildungs- kraft, die ich gewahrnehme, ſo treffe ich auch bey dieſer denſelbigen Umſtand an. Die appercipirte Vorſtellung ziehet die Kraft der Seele vor andern vorzuͤglich auf ſich. Wir nennen es ein Befuͤhlen, Betaſten, Be- ſchauen, Beſehen, Beriechen, wenn wir die Sin- ne auf eine vorzuͤgliche Weiſe und mit Fleiß auf einen Gegenſtand hinwenden, um ihn beſſer zu empfinden. Ge- meiniglich wird hiebey vorausgeſetzt, daß wir ſchon eine Jdee von ihm haben, und daß es uns nur um eine groͤ- ßere Klarheit oder Deutlichkeit in ihr zu thun ſey. Das ſimple Gewahrnehmen bringet die erſte klare Jdee her- vor, und erfordert alſo, in dieſem Verſtande jene Woͤr- ter genommen, kein Beſchauen. Aber wenn man, — wie ſolches denn ja wohl hier erlaubt iſt, — jenen Aus- druͤcken eine etwas erweiterte Bedeutung giebet, und jed- wede vorzuͤgliche Anwendung des Empfindungsvermoͤ- gens auf einen Gegenſtand ein Befuͤhlen oder Beſchau- en deſſelbigen nennet, ſo gehoͤret eine ſolche Beſchaͤfti- gung der Sinne zu dem Gewahrnehmen der Dinge in der Empfindung. Das Wort Beachten kann in ei- ner aͤhnlichen Bedeutung von der Vorſtellungskraft ge- brauchet werden; und zum Theil iſt es ſchen ſo gebrau- chet worden. Jede in der Vorſtellung gewahrgenom- mene Sache, oder jede appercipirte Vorſtellung iſt al- ſo eine beachtete Vorſtellung. Es heißt dieß ſo viel. Sie iſt eine ſolche, mit welcher das vorſtellende Vermoͤ- gen der Seele ſich ausnehmend beſchaͤftiget hat. Bis zum Befuͤhlen und Beachten bringet es die Seele des

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/342>, abgerufen am 24.11.2024.