anders, Dinge zuerst für einerley erklären, oder sie un- terscheiden; und ein anders ist es, sich diesen Gedanken wieder vorstellen, davon zu abstrahiren, das Gemein- schaftliche in mehrere Verhältnißgedanken absondern, und daraus den allgemeinen Begrif von dem Verhältniß- gedanken, und von dem Verhältnisse selbst herausziehen.
Bey einer andern Gattung von Verhältnissen, die man Beziehungen nennen kann, die wir nur bey wirk- lichen Dingen uns vorstellen, und die von der verschie- denen Art abhangen, wie die Dinge mit einander wirk- lich vorhanden sind, von der Art nemlich, wie sie ne- ben einander zugleich sind, oder wie sie auf einander folgen, mit einem Wort, von den Arten ihrer Mit- wirklichkeit, ist es schon eine mehr verwickelte Frage; ob auch diese so, wie die vorhergehenden Verhältnisse, als ein bloßes Werk des denkenden Verstandes, auf eine ähnliche Weise aus der Vergleichung entstehen, und nur etwas Subjektivisches in uns sind? Leibnitz und seine Nachfolger, und unter den neuern Philosophen, die Herren Mendelsohn, Kant, Ulrich und andere ha- ben sie, obgleich nicht völlig auf einerley Weise bejahet, denen aber andere widersprechen. Z. B. Ein Ding lieget dem andern nahe; es stehet von ihm ab. Es giebt eine Ordnung und Symmetrie in der Verbindung der Theile in einem Gebäude, in einer Maschine u. s. w. Was sind diese Mitwirklichkeits- verhältnisse? Was ist die Nähe, die Entfernung; die Berührung, der Abstand? Zu der Einerleyheit und Verschiedenheit, und ihren Arten, welche aus der Ver- gleichung der Dinge in den Jdeen, ohne Rücksicht auf ihre Lage und Stellung gegeneinander entspringen, kön- nen sie nicht gerechnet werden, sobald nemlich nur von einfachen Verhältnissen die Rede ist, und nicht von sol- chen, die aus Verhältnissen von mehreren Gattungen zusammen gesetzet sind. Was ist das Objektivische und
Absolute
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und Bewußtſeyn.
anders, Dinge zuerſt fuͤr einerley erklaͤren, oder ſie un- terſcheiden; und ein anders iſt es, ſich dieſen Gedanken wieder vorſtellen, davon zu abſtrahiren, das Gemein- ſchaftliche in mehrere Verhaͤltnißgedanken abſondern, und daraus den allgemeinen Begrif von dem Verhaͤltniß- gedanken, und von dem Verhaͤltniſſe ſelbſt herausziehen.
Bey einer andern Gattung von Verhaͤltniſſen, die man Beziehungen nennen kann, die wir nur bey wirk- lichen Dingen uns vorſtellen, und die von der verſchie- denen Art abhangen, wie die Dinge mit einander wirk- lich vorhanden ſind, von der Art nemlich, wie ſie ne- ben einander zugleich ſind, oder wie ſie auf einander folgen, mit einem Wort, von den Arten ihrer Mit- wirklichkeit, iſt es ſchon eine mehr verwickelte Frage; ob auch dieſe ſo, wie die vorhergehenden Verhaͤltniſſe, als ein bloßes Werk des denkenden Verſtandes, auf eine aͤhnliche Weiſe aus der Vergleichung entſtehen, und nur etwas Subjektiviſches in uns ſind? Leibnitz und ſeine Nachfolger, und unter den neuern Philoſophen, die Herren Mendelſohn, Kant, Ulrich und andere ha- ben ſie, obgleich nicht voͤllig auf einerley Weiſe bejahet, denen aber andere widerſprechen. Z. B. Ein Ding lieget dem andern nahe; es ſtehet von ihm ab. Es giebt eine Ordnung und Symmetrie in der Verbindung der Theile in einem Gebaͤude, in einer Maſchine u. ſ. w. Was ſind dieſe Mitwirklichkeits- verhaͤltniſſe? Was iſt die Naͤhe, die Entfernung; die Beruͤhrung, der Abſtand? Zu der Einerleyheit und Verſchiedenheit, und ihren Arten, welche aus der Ver- gleichung der Dinge in den Jdeen, ohne Ruͤckſicht auf ihre Lage und Stellung gegeneinander entſpringen, koͤn- nen ſie nicht gerechnet werden, ſobald nemlich nur von einfachen Verhaͤltniſſen die Rede iſt, und nicht von ſol- chen, die aus Verhaͤltniſſen von mehreren Gattungen zuſammen geſetzet ſind. Was iſt das Objektiviſche und
Abſolute
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und Bewußtſeyn.
anders, Dinge zuerſt fuͤr einerley erklaͤren, oder ſie un-
terſcheiden; und ein anders iſt es, ſich dieſen Gedanken
wieder vorſtellen, davon zu abſtrahiren, das Gemein-
ſchaftliche in mehrere Verhaͤltnißgedanken abſondern,
und daraus den allgemeinen Begrif von dem Verhaͤltniß-
gedanken, und von dem Verhaͤltniſſe ſelbſt herausziehen.
Bey einer andern Gattung von Verhaͤltniſſen, die
man Beziehungen nennen kann, die wir nur bey wirk-
lichen Dingen uns vorſtellen, und die von der verſchie-
denen Art abhangen, wie die Dinge mit einander wirk-
lich vorhanden ſind, von der Art nemlich, wie ſie ne-
ben einander zugleich ſind, oder wie ſie auf einander
folgen, mit einem Wort, von den Arten ihrer Mit-
wirklichkeit, iſt es ſchon eine mehr verwickelte Frage;
ob auch dieſe ſo, wie die vorhergehenden Verhaͤltniſſe,
als ein bloßes Werk des denkenden Verſtandes, auf eine
aͤhnliche Weiſe aus der Vergleichung entſtehen, und nur
etwas Subjektiviſches in uns ſind? Leibnitz und
ſeine Nachfolger, und unter den neuern Philoſophen, die
Herren Mendelſohn, Kant, Ulrich und andere ha-
ben ſie, obgleich nicht voͤllig auf einerley Weiſe
bejahet, denen aber andere widerſprechen. Z. B.
Ein Ding lieget dem andern nahe; es ſtehet von
ihm ab. Es giebt eine Ordnung und Symmetrie in
der Verbindung der Theile in einem Gebaͤude, in einer
Maſchine u. ſ. w. Was ſind dieſe Mitwirklichkeits-
verhaͤltniſſe? Was iſt die Naͤhe, die Entfernung;
die Beruͤhrung, der Abſtand? Zu der Einerleyheit und
Verſchiedenheit, und ihren Arten, welche aus der Ver-
gleichung der Dinge in den Jdeen, ohne Ruͤckſicht auf
ihre Lage und Stellung gegeneinander entſpringen, koͤn-
nen ſie nicht gerechnet werden, ſobald nemlich nur von
einfachen Verhaͤltniſſen die Rede iſt, und nicht von ſol-
chen, die aus Verhaͤltniſſen von mehreren Gattungen
zuſammen geſetzet ſind. Was iſt das Objektiviſche und
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/337>, abgerufen am 22.11.2024.
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