schieden ist, und zu diesen hinzu kommt; (so nimmt man das Wort gewöhnlicher Weise in der Vernunftlehre) so ist das Gewahrnehmen noch nicht unter die Urtheile zu setzen. Durch das Unterscheiden entstehen zuerst Jdeen; in den Urtheilen werden sie als schon vorhandene voraus- gesetzt. Das einfache Gewahrnehmen erfordert nichts mehr, als daß der wahrgenommene Gegenstand vorzüg- lich vor den übrigen, unter welchen er ausgekannt wird, vorgestellet werde. Die Vergleichung, welche dabey zwischen dieser Vorstellung und zwischen den übrigen an- gestellet wird, ist nichts weiter, als eine Gegeneinan- derstellung von Bildern, keine eigentliche Verglei- chung der Dinge in den Jdeen. Es ist seit dem Des Cartes zur Untersuchung gekommen, ob alle Jrrthü- mer in den Urtheilen liegen, oder ob es nicht auch schon falsche Jdeen gebe? Die Frage ist leicht zu entscheiden, wenn man zwischen den eigentlichen Urtheilen, oder Ge- danken von Verhältnissen der Jdeen, und zwischen dem Verhältnißdenken überhaupt einen Unterschied machet. Wird dieß letztere ein Urtheilen genannt, so werden schon Urtheile erfordert, und es werden dergleichen ge- fällt, wenn eine Jdee hervorgebracht wird. Das Ge- wahrnehmen ist ein Urtheilen, das ist, ein Gedanke ei- nes Verhältnisses, und es hat das Wesentliche des Ur- theilens an sich. Alsdann sind alle Fehler der Denk- kraft auch Fehler in dem Urtheilen. Diese abgerechnet, so bleibet in unserer Erkenntniß nichts mehr als die bloßen Vorstellungen zurück, bloße Bilder, die ebenfalls un- natürlich, ihren Gegenständen unangemessen und fehler- haft seyn können, und dadurch falsche Gedanken und Ur- theile veranlassen, aber doch selbst keinen Jrrthum, als einen unrichtigen Gedanken enthalten können, weil noch gar keine Denkthätigkeit in ihnen vorhanden ist.
Diese Beschaffenheit des Gewahrnehmens, daß es nemlich zu einem Verhältnißgedanken führet, ist vor an-
dern
III. Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen
ſchieden iſt, und zu dieſen hinzu kommt; (ſo nimmt man das Wort gewoͤhnlicher Weiſe in der Vernunftlehre) ſo iſt das Gewahrnehmen noch nicht unter die Urtheile zu ſetzen. Durch das Unterſcheiden entſtehen zuerſt Jdeen; in den Urtheilen werden ſie als ſchon vorhandene voraus- geſetzt. Das einfache Gewahrnehmen erfordert nichts mehr, als daß der wahrgenommene Gegenſtand vorzuͤg- lich vor den uͤbrigen, unter welchen er ausgekannt wird, vorgeſtellet werde. Die Vergleichung, welche dabey zwiſchen dieſer Vorſtellung und zwiſchen den uͤbrigen an- geſtellet wird, iſt nichts weiter, als eine Gegeneinan- derſtellung von Bildern, keine eigentliche Verglei- chung der Dinge in den Jdeen. Es iſt ſeit dem Des Cartes zur Unterſuchung gekommen, ob alle Jrrthuͤ- mer in den Urtheilen liegen, oder ob es nicht auch ſchon falſche Jdeen gebe? Die Frage iſt leicht zu entſcheiden, wenn man zwiſchen den eigentlichen Urtheilen, oder Ge- danken von Verhaͤltniſſen der Jdeen, und zwiſchen dem Verhaͤltnißdenken uͤberhaupt einen Unterſchied machet. Wird dieß letztere ein Urtheilen genannt, ſo werden ſchon Urtheile erfordert, und es werden dergleichen ge- faͤllt, wenn eine Jdee hervorgebracht wird. Das Ge- wahrnehmen iſt ein Urtheilen, das iſt, ein Gedanke ei- nes Verhaͤltniſſes, und es hat das Weſentliche des Ur- theilens an ſich. Alsdann ſind alle Fehler der Denk- kraft auch Fehler in dem Urtheilen. Dieſe abgerechnet, ſo bleibet in unſerer Erkenntniß nichts mehr als die bloßen Vorſtellungen zuruͤck, bloße Bilder, die ebenfalls un- natuͤrlich, ihren Gegenſtaͤnden unangemeſſen und fehler- haft ſeyn koͤnnen, und dadurch falſche Gedanken und Ur- theile veranlaſſen, aber doch ſelbſt keinen Jrrthum, als einen unrichtigen Gedanken enthalten koͤnnen, weil noch gar keine Denkthaͤtigkeit in ihnen vorhanden iſt.
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dern
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III. Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen
ſchieden iſt, und zu dieſen hinzu kommt; (ſo nimmt man
das Wort gewoͤhnlicher Weiſe in der Vernunftlehre) ſo
iſt das Gewahrnehmen noch nicht unter die Urtheile zu
ſetzen. Durch das Unterſcheiden entſtehen zuerſt Jdeen;
in den Urtheilen werden ſie als ſchon vorhandene voraus-
geſetzt. Das einfache Gewahrnehmen erfordert nichts
mehr, als daß der wahrgenommene Gegenſtand vorzuͤg-
lich vor den uͤbrigen, unter welchen er ausgekannt wird,
vorgeſtellet werde. Die Vergleichung, welche dabey
zwiſchen dieſer Vorſtellung und zwiſchen den uͤbrigen an-
geſtellet wird, iſt nichts weiter, als eine Gegeneinan-
derſtellung von Bildern, keine eigentliche Verglei-
chung der Dinge in den Jdeen. Es iſt ſeit dem Des
Cartes zur Unterſuchung gekommen, ob alle Jrrthuͤ-
mer in den Urtheilen liegen, oder ob es nicht auch ſchon
falſche Jdeen gebe? Die Frage iſt leicht zu entſcheiden,
wenn man zwiſchen den eigentlichen Urtheilen, oder Ge-
danken von Verhaͤltniſſen der Jdeen, und zwiſchen dem
Verhaͤltnißdenken uͤberhaupt einen Unterſchied machet.
Wird dieß letztere ein Urtheilen genannt, ſo werden
ſchon Urtheile erfordert, und es werden dergleichen ge-
faͤllt, wenn eine Jdee hervorgebracht wird. Das Ge-
wahrnehmen iſt ein Urtheilen, das iſt, ein Gedanke ei-
nes Verhaͤltniſſes, und es hat das Weſentliche des Ur-
theilens an ſich. Alsdann ſind alle Fehler der Denk-
kraft auch Fehler in dem Urtheilen. Dieſe abgerechnet,
ſo bleibet in unſerer Erkenntniß nichts mehr als die bloßen
Vorſtellungen zuruͤck, bloße Bilder, die ebenfalls un-
natuͤrlich, ihren Gegenſtaͤnden unangemeſſen und fehler-
haft ſeyn koͤnnen, und dadurch falſche Gedanken und Ur-
theile veranlaſſen, aber doch ſelbſt keinen Jrrthum, als
einen unrichtigen Gedanken enthalten koͤnnen, weil noch
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Dieſe Beſchaffenheit des Gewahrnehmens, daß es
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/334>, abgerufen am 16.07.2024.
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