Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Versuch. Ueber das Gefühl,
verbunden wäre. So etwas ähnliches finden wir fast
in allen Begierden und Leidenschaften. Aber ich glaube
nicht, daß eine solche Uebertragung die ganze Wirkung,
die in dem Herzen des Geizigen vorgehet, völlig erkläre,
wie sich hernach zeigen wird.

Es ist hiebey auch nicht zu übersehen, daß die Ab-
leitung
des Vergnügens von einer Sache zu einer an-
dern, auf eine ganz andere Art geschehe, wenn die bloße
Uebertragung des Hrn. Searchs statt finden soll,
als sie nach der Jdeenassociation des Hrn. Hartley
vor sich gehet. Hr. Search stellet sich die Sache so
vor. Mit der Jdee einer Absicht ist ein Vergnügen
verbunden, darum weil es mit der Empfindung oder
mit dem Genuß des Guten verbunden ist, das man sich
zur Absicht oder zum Zweck gemacht hat. Dieß Ver-
gnügen nun, welches der Vorstellung von der Absicht
einverleibet ist, soll sich mit der Jdee von dem Reich-
thum, als von dem Besitz des Mittels unmittelbar ver-
binden, und dann mit dieser letztern in solchen unmittel-
baren Verbindungen erhalten werden, ohne daß die Vor-
stellung von der Absicht, die anfangs die Mittelidee war,
welche sie vereinigte, nun ferner zwischen ihnen liegen,
und weiter dazu beywirken dörfe. Nach dem Associa-
tionssystem
hingegen, soll die Jdee von der Absicht
immer dazwischen liegen und wirken. Sie ist es, wel-
che das Angenehme mit sich zunächst vereiniget hat, und
sie behält es auch bey sich. Aber da sie mit einer an-
dern Jdee, nemlich mit der von dem Mittel selbst ver-
bunden ist, so verknüpset sie mit dieser letztern das Ver-
gnügen als eine Mittelidee. Wenn nun gleich die öfters
erneuerte und lebhastere Vorstellung von dem Mittel die
Vorstellung von der Absicht unterdrücket, und kaum mehr
als gegenwärtig sie bemerken läßt, so ist die letztere den-
noch in dem innern Grunde der Seele gegenwärtig, und
wirket. Die Association des Vergnügens an der Vor-

stellung

II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
verbunden waͤre. So etwas aͤhnliches finden wir faſt
in allen Begierden und Leidenſchaften. Aber ich glaube
nicht, daß eine ſolche Uebertragung die ganze Wirkung,
die in dem Herzen des Geizigen vorgehet, voͤllig erklaͤre,
wie ſich hernach zeigen wird.

Es iſt hiebey auch nicht zu uͤberſehen, daß die Ab-
leitung
des Vergnuͤgens von einer Sache zu einer an-
dern, auf eine ganz andere Art geſchehe, wenn die bloße
Uebertragung des Hrn. Searchs ſtatt finden ſoll,
als ſie nach der Jdeenaſſociation des Hrn. Hartley
vor ſich gehet. Hr. Search ſtellet ſich die Sache ſo
vor. Mit der Jdee einer Abſicht iſt ein Vergnuͤgen
verbunden, darum weil es mit der Empfindung oder
mit dem Genuß des Guten verbunden iſt, das man ſich
zur Abſicht oder zum Zweck gemacht hat. Dieß Ver-
gnuͤgen nun, welches der Vorſtellung von der Abſicht
einverleibet iſt, ſoll ſich mit der Jdee von dem Reich-
thum, als von dem Beſitz des Mittels unmittelbar ver-
binden, und dann mit dieſer letztern in ſolchen unmittel-
baren Verbindungen erhalten werden, ohne daß die Vor-
ſtellung von der Abſicht, die anfangs die Mittelidee war,
welche ſie vereinigte, nun ferner zwiſchen ihnen liegen,
und weiter dazu beywirken doͤrfe. Nach dem Aſſocia-
tionsſyſtem
hingegen, ſoll die Jdee von der Abſicht
immer dazwiſchen liegen und wirken. Sie iſt es, wel-
che das Angenehme mit ſich zunaͤchſt vereiniget hat, und
ſie behaͤlt es auch bey ſich. Aber da ſie mit einer an-
dern Jdee, nemlich mit der von dem Mittel ſelbſt ver-
bunden iſt, ſo verknuͤpſet ſie mit dieſer letztern das Ver-
gnuͤgen als eine Mittelidee. Wenn nun gleich die oͤfters
erneuerte und lebhaſtere Vorſtellung von dem Mittel die
Vorſtellung von der Abſicht unterdruͤcket, und kaum mehr
als gegenwaͤrtig ſie bemerken laͤßt, ſo iſt die letztere den-
noch in dem innern Grunde der Seele gegenwaͤrtig, und
wirket. Die Aſſociation des Vergnuͤgens an der Vor-

ſtellung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0288" n="228"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ver&#x017F;uch. Ueber das Gefu&#x0364;hl,</hi></fw><lb/>
verbunden wa&#x0364;re. So etwas a&#x0364;hnliches finden wir fa&#x017F;t<lb/>
in allen Begierden und Leiden&#x017F;chaften. Aber ich glaube<lb/>
nicht, daß eine &#x017F;olche Uebertragung die ganze Wirkung,<lb/>
die in dem Herzen des Geizigen vorgehet, vo&#x0364;llig erkla&#x0364;re,<lb/>
wie &#x017F;ich hernach zeigen wird.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t hiebey auch nicht zu u&#x0364;ber&#x017F;ehen, daß die <hi rendition="#fr">Ab-<lb/>
leitung</hi> des Vergnu&#x0364;gens von einer Sache zu einer an-<lb/>
dern, auf eine ganz andere Art ge&#x017F;chehe, wenn die bloße<lb/><hi rendition="#fr">Uebertragung</hi> des Hrn. <hi rendition="#fr">Searchs</hi> &#x017F;tatt finden &#x017F;oll,<lb/>
als &#x017F;ie nach der <hi rendition="#fr">Jdeena&#x017F;&#x017F;ociation</hi> des Hrn. <hi rendition="#fr">Hartley</hi><lb/>
vor &#x017F;ich gehet. Hr. <hi rendition="#fr">Search</hi> &#x017F;tellet &#x017F;ich die Sache &#x017F;o<lb/>
vor. Mit der Jdee einer Ab&#x017F;icht i&#x017F;t ein Vergnu&#x0364;gen<lb/>
verbunden, darum weil es mit der Empfindung oder<lb/>
mit dem Genuß des Guten verbunden i&#x017F;t, das man &#x017F;ich<lb/>
zur Ab&#x017F;icht oder zum Zweck gemacht hat. Dieß Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen nun, welches der Vor&#x017F;tellung von der Ab&#x017F;icht<lb/>
einverleibet i&#x017F;t, &#x017F;oll &#x017F;ich mit der Jdee von dem Reich-<lb/>
thum, als von dem Be&#x017F;itz des Mittels unmittelbar ver-<lb/>
binden, und dann mit die&#x017F;er letztern in &#x017F;olchen unmittel-<lb/>
baren Verbindungen erhalten werden, ohne daß die Vor-<lb/>
&#x017F;tellung von der Ab&#x017F;icht, die anfangs die Mittelidee war,<lb/>
welche &#x017F;ie vereinigte, nun ferner zwi&#x017F;chen ihnen liegen,<lb/>
und weiter dazu beywirken do&#x0364;rfe. Nach dem <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;ocia-<lb/>
tions&#x017F;y&#x017F;tem</hi> hingegen, &#x017F;oll die Jdee von der Ab&#x017F;icht<lb/>
immer dazwi&#x017F;chen liegen und wirken. Sie i&#x017F;t es, wel-<lb/>
che das Angenehme mit &#x017F;ich zuna&#x0364;ch&#x017F;t vereiniget hat, und<lb/>
&#x017F;ie beha&#x0364;lt es auch bey &#x017F;ich. Aber da &#x017F;ie mit einer an-<lb/>
dern Jdee, nemlich mit der von dem Mittel &#x017F;elb&#x017F;t ver-<lb/>
bunden i&#x017F;t, &#x017F;o verknu&#x0364;p&#x017F;et &#x017F;ie mit die&#x017F;er letztern das Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen als eine Mittelidee. Wenn nun gleich die o&#x0364;fters<lb/>
erneuerte und lebha&#x017F;tere Vor&#x017F;tellung von dem Mittel die<lb/>
Vor&#x017F;tellung von der Ab&#x017F;icht unterdru&#x0364;cket, und kaum mehr<lb/>
als gegenwa&#x0364;rtig &#x017F;ie bemerken la&#x0364;ßt, &#x017F;o i&#x017F;t die letztere den-<lb/>
noch in dem innern Grunde der Seele gegenwa&#x0364;rtig, und<lb/>
wirket. Die A&#x017F;&#x017F;ociation des Vergnu&#x0364;gens an der Vor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tellung</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0288] II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl, verbunden waͤre. So etwas aͤhnliches finden wir faſt in allen Begierden und Leidenſchaften. Aber ich glaube nicht, daß eine ſolche Uebertragung die ganze Wirkung, die in dem Herzen des Geizigen vorgehet, voͤllig erklaͤre, wie ſich hernach zeigen wird. Es iſt hiebey auch nicht zu uͤberſehen, daß die Ab- leitung des Vergnuͤgens von einer Sache zu einer an- dern, auf eine ganz andere Art geſchehe, wenn die bloße Uebertragung des Hrn. Searchs ſtatt finden ſoll, als ſie nach der Jdeenaſſociation des Hrn. Hartley vor ſich gehet. Hr. Search ſtellet ſich die Sache ſo vor. Mit der Jdee einer Abſicht iſt ein Vergnuͤgen verbunden, darum weil es mit der Empfindung oder mit dem Genuß des Guten verbunden iſt, das man ſich zur Abſicht oder zum Zweck gemacht hat. Dieß Ver- gnuͤgen nun, welches der Vorſtellung von der Abſicht einverleibet iſt, ſoll ſich mit der Jdee von dem Reich- thum, als von dem Beſitz des Mittels unmittelbar ver- binden, und dann mit dieſer letztern in ſolchen unmittel- baren Verbindungen erhalten werden, ohne daß die Vor- ſtellung von der Abſicht, die anfangs die Mittelidee war, welche ſie vereinigte, nun ferner zwiſchen ihnen liegen, und weiter dazu beywirken doͤrfe. Nach dem Aſſocia- tionsſyſtem hingegen, ſoll die Jdee von der Abſicht immer dazwiſchen liegen und wirken. Sie iſt es, wel- che das Angenehme mit ſich zunaͤchſt vereiniget hat, und ſie behaͤlt es auch bey ſich. Aber da ſie mit einer an- dern Jdee, nemlich mit der von dem Mittel ſelbſt ver- bunden iſt, ſo verknuͤpſet ſie mit dieſer letztern das Ver- gnuͤgen als eine Mittelidee. Wenn nun gleich die oͤfters erneuerte und lebhaſtere Vorſtellung von dem Mittel die Vorſtellung von der Abſicht unterdruͤcket, und kaum mehr als gegenwaͤrtig ſie bemerken laͤßt, ſo iſt die letztere den- noch in dem innern Grunde der Seele gegenwaͤrtig, und wirket. Die Aſſociation des Vergnuͤgens an der Vor- ſtellung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/288
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/288>, abgerufen am 23.11.2024.