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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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sey die erste Stufe. Eine solche Veränderung gehet
mit der Raupe vor, wenn sie zum Jnsekte wird. Hie-
her gehören auch die natürlichen Verwandelungen, die
durch innerliche Ursachen bewirket werden, oder doch
von solchen größtentheils abhangen. Sie sind zugleich
Verwandelungen, in Hinsicht der neuen äußern Ge-
stalten, wenn nemlich das äußerliche Ansehen bis dahin
verändert wird, daß das Ding, nach diesen zu urthei-
len, zu einer andern von dem erstern unterschiedenen
Gattung von Dingen gebracht werden müßte.

Die Umänderung kann auch allein durch die
Vermehrung
oder Erhöhung einer oder mehrern von
den absoluten Beschaffenheiten eines Dinges zu Stande
kommen; oder auch allein durch ihre Heruntersetzung
oder Verminderung. Hieher können auch solche Bey-
spiele gezogen werden, wo zwar beides, eine Vermeh-
rung und eine Verminderung, vor sich gehet, aber so,
daß Eine Art dieser Veränderungen in Vergleichung
mit der andern unerheblich ist, und wenig in Betracht
kommt oder kommen darf. Der Saame wächset auf
zum Baum; und aus dem Embryon wird ein vollstän-
diges Thier. Jn beiden, in dem Saamen und in dem
Embryon gibt es einige Theile, die während der Ent-
wickelung abnehmen und wegfallen, aber auf diese wird
weniger Rücksicht genommen, als auf die Vergrößerung
die hier eine Entwickelung ist. Dieß ist eine zwo-
te Stufe der Einartigkeit.

Hiezu kann noch eine dritte gesetzet werden, die
Aehnlichkeit nemlich.

Wenn ein Ding durch eine ebenmäßige und pro-
portionirliche
Vergrößerung oder Verminderung sei-
ner absoluten veränderlichen Größen in ein anderes Ding
übergehet. Wenn das Verhältniß und die Beziehun-
gen des Absoluten, bey allen Veränderungen die in dem
letztern vorgehen, unveränderlich immer so bleiben wie sie

sind,
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der Vorſtellungen.
ſey die erſte Stufe. Eine ſolche Veraͤnderung gehet
mit der Raupe vor, wenn ſie zum Jnſekte wird. Hie-
her gehoͤren auch die natuͤrlichen Verwandelungen, die
durch innerliche Urſachen bewirket werden, oder doch
von ſolchen groͤßtentheils abhangen. Sie ſind zugleich
Verwandelungen, in Hinſicht der neuen aͤußern Ge-
ſtalten, wenn nemlich das aͤußerliche Anſehen bis dahin
veraͤndert wird, daß das Ding, nach dieſen zu urthei-
len, zu einer andern von dem erſtern unterſchiedenen
Gattung von Dingen gebracht werden muͤßte.

Die Umaͤnderung kann auch allein durch die
Vermehrung
oder Erhoͤhung einer oder mehrern von
den abſoluten Beſchaffenheiten eines Dinges zu Stande
kommen; oder auch allein durch ihre Herunterſetzung
oder Verminderung. Hieher koͤnnen auch ſolche Bey-
ſpiele gezogen werden, wo zwar beides, eine Vermeh-
rung und eine Verminderung, vor ſich gehet, aber ſo,
daß Eine Art dieſer Veraͤnderungen in Vergleichung
mit der andern unerheblich iſt, und wenig in Betracht
kommt oder kommen darf. Der Saame waͤchſet auf
zum Baum; und aus dem Embryon wird ein vollſtaͤn-
diges Thier. Jn beiden, in dem Saamen und in dem
Embryon gibt es einige Theile, die waͤhrend der Ent-
wickelung abnehmen und wegfallen, aber auf dieſe wird
weniger Ruͤckſicht genommen, als auf die Vergroͤßerung
die hier eine Entwickelung iſt. Dieß iſt eine zwo-
te Stufe der Einartigkeit.

Hiezu kann noch eine dritte geſetzet werden, die
Aehnlichkeit nemlich.

Wenn ein Ding durch eine ebenmaͤßige und pro-
portionirliche
Vergroͤßerung oder Verminderung ſei-
ner abſoluten veraͤnderlichen Groͤßen in ein anderes Ding
uͤbergehet. Wenn das Verhaͤltniß und die Beziehun-
gen des Abſoluten, bey allen Veraͤnderungen die in dem
letztern vorgehen, unveraͤnderlich immer ſo bleiben wie ſie

ſind,
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[153/0213] der Vorſtellungen. ſey die erſte Stufe. Eine ſolche Veraͤnderung gehet mit der Raupe vor, wenn ſie zum Jnſekte wird. Hie- her gehoͤren auch die natuͤrlichen Verwandelungen, die durch innerliche Urſachen bewirket werden, oder doch von ſolchen groͤßtentheils abhangen. Sie ſind zugleich Verwandelungen, in Hinſicht der neuen aͤußern Ge- ſtalten, wenn nemlich das aͤußerliche Anſehen bis dahin veraͤndert wird, daß das Ding, nach dieſen zu urthei- len, zu einer andern von dem erſtern unterſchiedenen Gattung von Dingen gebracht werden muͤßte. Die Umaͤnderung kann auch allein durch die Vermehrung oder Erhoͤhung einer oder mehrern von den abſoluten Beſchaffenheiten eines Dinges zu Stande kommen; oder auch allein durch ihre Herunterſetzung oder Verminderung. Hieher koͤnnen auch ſolche Bey- ſpiele gezogen werden, wo zwar beides, eine Vermeh- rung und eine Verminderung, vor ſich gehet, aber ſo, daß Eine Art dieſer Veraͤnderungen in Vergleichung mit der andern unerheblich iſt, und wenig in Betracht kommt oder kommen darf. Der Saame waͤchſet auf zum Baum; und aus dem Embryon wird ein vollſtaͤn- diges Thier. Jn beiden, in dem Saamen und in dem Embryon gibt es einige Theile, die waͤhrend der Ent- wickelung abnehmen und wegfallen, aber auf dieſe wird weniger Ruͤckſicht genommen, als auf die Vergroͤßerung die hier eine Entwickelung iſt. Dieß iſt eine zwo- te Stufe der Einartigkeit. Hiezu kann noch eine dritte geſetzet werden, die Aehnlichkeit nemlich. Wenn ein Ding durch eine ebenmaͤßige und pro- portionirliche Vergroͤßerung oder Verminderung ſei- ner abſoluten veraͤnderlichen Groͤßen in ein anderes Ding uͤbergehet. Wenn das Verhaͤltniß und die Beziehun- gen des Abſoluten, bey allen Veraͤnderungen die in dem letztern vorgehen, unveraͤnderlich immer ſo bleiben wie ſie ſind, K 5

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/213>, abgerufen am 21.11.2024.