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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der Vorstellungen.

Wenn dagegen eine solche Verwandelung durch Ver-
mehrung oder Verminderung, oder durch beides nicht
möglich gemacht wird, sondern außerdieß noch etwas
Absolutes weggeschaffet oder hinzugesetzet werden müßte;
oder wenn ein neues Grundverhältniß erfordert wird, um
ein Ding in ein anders zu umformen; alsdenn sind die
sich so auf einander beziehende Dinge heterogen und
verschiedenartig. Die Verwandelung durch eine
Veränderung in den Größen aber darf nur für sich mög-
lich seyn, wenn man auf das innere Absolute in der
Sache Rücksicht nimmt: nur in den absoluten Grund-
beschaffenheiten muß nichts enthalten seyn, das die dazu
nöthige Erweiterung oder Verengerung der Schranken
unmöglich mache. Denn wo diese Unmöglichkeit nur in
äußerlichen Ursachen und Umständen ihren Grund hat,
da kann allein aus diesem Grunde die innere Homo-
geneität
der Naturen nicht aufgehoben werden.

Jn diesem angegebenen Unterschied des Homogenen
und des Heterogenen hat man einen feststehenden und
bestimmten Begrif, durch den die sonst so schwankenden
Begriffe von Gattungen und Arten, und die mit ihnen
verwandte in der allgemeinen Philosophie eine gleiche
Bestimmtheit erhalten. Bey dem Verfahren des ge-
meinen Verstandes bemerket man, daß wenn zwey Din-
ge zu Einer Art oder Gattung gebracht werden, so wird
allemal vorausgesetzet, dasjenige, was den Charakter
der Art oder der Gattung ausmachet, sey etwas, das
entweder auf eine bestimmte Zeit oder auf immer den
Subjekten zukommt, und also etwas beständiges in ih-
nen. Bey den gewöhnlichen Abtheilungen in Klassen
haben wir jedesmal eine bestimmte Absicht, die von ei-
nem größern oder geringern Umfange ist. Wenn die
Beständigkeit der Merkmale so groß ist, als diese Absicht
es erfordert, so ist es schon genug, um das Ding auf
den allgemeinen Begrif zurück zu bringen, der durch

jene
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der Vorſtellungen.

Wenn dagegen eine ſolche Verwandelung durch Ver-
mehrung oder Verminderung, oder durch beides nicht
moͤglich gemacht wird, ſondern außerdieß noch etwas
Abſolutes weggeſchaffet oder hinzugeſetzet werden muͤßte;
oder wenn ein neues Grundverhaͤltniß erfordert wird, um
ein Ding in ein anders zu umformen; alsdenn ſind die
ſich ſo auf einander beziehende Dinge heterogen und
verſchiedenartig. Die Verwandelung durch eine
Veraͤnderung in den Groͤßen aber darf nur fuͤr ſich moͤg-
lich ſeyn, wenn man auf das innere Abſolute in der
Sache Ruͤckſicht nimmt: nur in den abſoluten Grund-
beſchaffenheiten muß nichts enthalten ſeyn, das die dazu
noͤthige Erweiterung oder Verengerung der Schranken
unmoͤglich mache. Denn wo dieſe Unmoͤglichkeit nur in
aͤußerlichen Urſachen und Umſtaͤnden ihren Grund hat,
da kann allein aus dieſem Grunde die innere Homo-
geneitaͤt
der Naturen nicht aufgehoben werden.

Jn dieſem angegebenen Unterſchied des Homogenen
und des Heterogenen hat man einen feſtſtehenden und
beſtimmten Begrif, durch den die ſonſt ſo ſchwankenden
Begriffe von Gattungen und Arten, und die mit ihnen
verwandte in der allgemeinen Philoſophie eine gleiche
Beſtimmtheit erhalten. Bey dem Verfahren des ge-
meinen Verſtandes bemerket man, daß wenn zwey Din-
ge zu Einer Art oder Gattung gebracht werden, ſo wird
allemal vorausgeſetzet, dasjenige, was den Charakter
der Art oder der Gattung ausmachet, ſey etwas, das
entweder auf eine beſtimmte Zeit oder auf immer den
Subjekten zukommt, und alſo etwas beſtaͤndiges in ih-
nen. Bey den gewoͤhnlichen Abtheilungen in Klaſſen
haben wir jedesmal eine beſtimmte Abſicht, die von ei-
nem groͤßern oder geringern Umfange iſt. Wenn die
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den allgemeinen Begrif zuruͤck zu bringen, der durch

jene
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[151/0211] der Vorſtellungen. Wenn dagegen eine ſolche Verwandelung durch Ver- mehrung oder Verminderung, oder durch beides nicht moͤglich gemacht wird, ſondern außerdieß noch etwas Abſolutes weggeſchaffet oder hinzugeſetzet werden muͤßte; oder wenn ein neues Grundverhaͤltniß erfordert wird, um ein Ding in ein anders zu umformen; alsdenn ſind die ſich ſo auf einander beziehende Dinge heterogen und verſchiedenartig. Die Verwandelung durch eine Veraͤnderung in den Groͤßen aber darf nur fuͤr ſich moͤg- lich ſeyn, wenn man auf das innere Abſolute in der Sache Ruͤckſicht nimmt: nur in den abſoluten Grund- beſchaffenheiten muß nichts enthalten ſeyn, das die dazu noͤthige Erweiterung oder Verengerung der Schranken unmoͤglich mache. Denn wo dieſe Unmoͤglichkeit nur in aͤußerlichen Urſachen und Umſtaͤnden ihren Grund hat, da kann allein aus dieſem Grunde die innere Homo- geneitaͤt der Naturen nicht aufgehoben werden. Jn dieſem angegebenen Unterſchied des Homogenen und des Heterogenen hat man einen feſtſtehenden und beſtimmten Begrif, durch den die ſonſt ſo ſchwankenden Begriffe von Gattungen und Arten, und die mit ihnen verwandte in der allgemeinen Philoſophie eine gleiche Beſtimmtheit erhalten. Bey dem Verfahren des ge- meinen Verſtandes bemerket man, daß wenn zwey Din- ge zu Einer Art oder Gattung gebracht werden, ſo wird allemal vorausgeſetzet, dasjenige, was den Charakter der Art oder der Gattung ausmachet, ſey etwas, das entweder auf eine beſtimmte Zeit oder auf immer den Subjekten zukommt, und alſo etwas beſtaͤndiges in ih- nen. Bey den gewoͤhnlichen Abtheilungen in Klaſſen haben wir jedesmal eine beſtimmte Abſicht, die von ei- nem groͤßern oder geringern Umfange iſt. Wenn die Beſtaͤndigkeit der Merkmale ſo groß iſt, als dieſe Abſicht es erfordert, ſo iſt es ſchon genug, um das Ding auf den allgemeinen Begrif zuruͤck zu bringen, der durch jene K 4

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/211>, abgerufen am 21.11.2024.