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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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Vorrede.
Hypothese, daß die Gehirnsbewegungen, welche
die Empfindungen begleiten, und wieder erneuert
werden, so oft die Phantasie Jdeen reproduciret,
in gewissen Schwingungen der Gehirnsfasern
oder auch des Aethers im Gehirn bestehen, ist
von Hr. Priestley von neuem, in etwas verän-
dert, vorgetragen, und als die beyfallswürdigste
Voraussetzung gerühmt worden. Seitdem hat
man sichs vorzüglich angewöhnt, die Jdeen für
Gehirnsschwingungen anzusehen. Newton hat-
te nur gemuthmaßet, daß vielleicht die Bewegun-
gen in dem Auge und auf der Netzhaut, denen in
dem Aether oder dem Licht, das auf sie fällt, ähn-
lich und oscillatorisch seyn möchten, aber nach
seiner männlichen Art zu philosophiren, wagte ers
nicht einmal, von den Eindrücken auf das Gehör
dasselbige zu vermuthen, obgleich auch hier die
Bewegungen der Luft, die diese Eindrücke verur-
sachen, in Schwingungen bestehen. Herr Priest-
ley glaubet nach der Analogie berechtiget zu seyn,
dasselbige von allen Arten der Sensationen auch
bey den übrigen Sinnen annehmen zu dürfen.

Wenn man auch über die Schwierigkeiten
wegsieht, die daraus entstehen, daß die weichen
Nerven und das klebrichte Hirnmark zu keiner Art
von Bewegungen weniger aufgelegt zu seyn schei-
nen, als zu Vibrationen, so deucht mich doch, nichts
sey weniger wahrscheinlich, als daß die gesamte
sinnliche Bewegung des Gehirns, die die mate-
rielle Jdee ausmacht, ganz und gar in Schwin-
gungen bestehen könne, wie es angegeben wird.
Priestley hat, um dem erstern Einwurf auszuwei-

chen,
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Vorrede.
Hypotheſe, daß die Gehirnsbewegungen, welche
die Empfindungen begleiten, und wieder erneuert
werden, ſo oft die Phantaſie Jdeen reproduciret,
in gewiſſen Schwingungen der Gehirnsfaſern
oder auch des Aethers im Gehirn beſtehen, iſt
von Hr. Prieſtley von neuem, in etwas veraͤn-
dert, vorgetragen, und als die beyfallswuͤrdigſte
Vorausſetzung geruͤhmt worden. Seitdem hat
man ſichs vorzuͤglich angewoͤhnt, die Jdeen fuͤr
Gehirnsſchwingungen anzuſehen. Newton hat-
te nur gemuthmaßet, daß vielleicht die Bewegun-
gen in dem Auge und auf der Netzhaut, denen in
dem Aether oder dem Licht, das auf ſie faͤllt, aͤhn-
lich und oſcillatoriſch ſeyn moͤchten, aber nach
ſeiner maͤnnlichen Art zu philoſophiren, wagte ers
nicht einmal, von den Eindruͤcken auf das Gehoͤr
daſſelbige zu vermuthen, obgleich auch hier die
Bewegungen der Luft, die dieſe Eindruͤcke verur-
ſachen, in Schwingungen beſtehen. Herr Prieſt-
ley glaubet nach der Analogie berechtiget zu ſeyn,
daſſelbige von allen Arten der Senſationen auch
bey den uͤbrigen Sinnen annehmen zu duͤrfen.

Wenn man auch uͤber die Schwierigkeiten
wegſieht, die daraus entſtehen, daß die weichen
Nerven und das klebrichte Hirnmark zu keiner Art
von Bewegungen weniger aufgelegt zu ſeyn ſchei-
nen, als zu Vibrationen, ſo deucht mich doch, nichts
ſey weniger wahrſcheinlich, als daß die geſamte
ſinnliche Bewegung des Gehirns, die die mate-
rielle Jdee ausmacht, ganz und gar in Schwin-
gungen beſtehen koͤnne, wie es angegeben wird.
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[IX/0013] Vorrede. Hypotheſe, daß die Gehirnsbewegungen, welche die Empfindungen begleiten, und wieder erneuert werden, ſo oft die Phantaſie Jdeen reproduciret, in gewiſſen Schwingungen der Gehirnsfaſern oder auch des Aethers im Gehirn beſtehen, iſt von Hr. Prieſtley von neuem, in etwas veraͤn- dert, vorgetragen, und als die beyfallswuͤrdigſte Vorausſetzung geruͤhmt worden. Seitdem hat man ſichs vorzuͤglich angewoͤhnt, die Jdeen fuͤr Gehirnsſchwingungen anzuſehen. Newton hat- te nur gemuthmaßet, daß vielleicht die Bewegun- gen in dem Auge und auf der Netzhaut, denen in dem Aether oder dem Licht, das auf ſie faͤllt, aͤhn- lich und oſcillatoriſch ſeyn moͤchten, aber nach ſeiner maͤnnlichen Art zu philoſophiren, wagte ers nicht einmal, von den Eindruͤcken auf das Gehoͤr daſſelbige zu vermuthen, obgleich auch hier die Bewegungen der Luft, die dieſe Eindruͤcke verur- ſachen, in Schwingungen beſtehen. Herr Prieſt- ley glaubet nach der Analogie berechtiget zu ſeyn, daſſelbige von allen Arten der Senſationen auch bey den uͤbrigen Sinnen annehmen zu duͤrfen. Wenn man auch uͤber die Schwierigkeiten wegſieht, die daraus entſtehen, daß die weichen Nerven und das klebrichte Hirnmark zu keiner Art von Bewegungen weniger aufgelegt zu ſeyn ſchei- nen, als zu Vibrationen, ſo deucht mich doch, nichts ſey weniger wahrſcheinlich, als daß die geſamte ſinnliche Bewegung des Gehirns, die die mate- rielle Jdee ausmacht, ganz und gar in Schwin- gungen beſtehen koͤnne, wie es angegeben wird. Prieſtley hat, um dem erſtern Einwurf auszuwei- chen, a 5

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/13>, abgerufen am 21.11.2024.