here Disposition, kein größerer Grad von selbst- thätigem Bestreben, aus einem innern Princip den ehe- maligen Zustand zu erneuern, in der Elasticität der Sai- ten vorhanden. So eine aus der ersten Veränderung aufbehaltene Disposition oder Leichtigkeit in der innern Kraft muß es aber seyn, wenn sie eine Vorstellung von der vorhergegangenen Veränderung heißen soll, in dem Verstande nemlich, worinn unsere Vorstellungen von den Körpern, die wir durch das Gesicht und die übri- gen äußern Sinne erlangen, so genennet werden.
Hier kommen wir auf eine Untersuchung, die mit ihren Folgen tief in die Natur der Seele hineingehet. Die Empfindungen des innern Sinnes sind beson- dere Modifikationen der Seele; unterschieden sowohl von den äußern Empfindungen, als von den Vorstellungen, wodurch sie selbst verursachet werden. Sind nun die Spuren, welche von ihnen zurückbleiben, die Leichtig- keiten in der Empfindsamkeit und in der thätigen Kraft, gleichfalls besondere Dispositionen in der Seele, welche von den Dispositionen, äußere Empfin- dungen und andere Vorstellungen zu reproduciren, un- terschieden sind? dieß ist der Mittelpunkt der Untersu- chung. Wenn ein ehemaliger Gemüthszustand, oder eine ehemalige Aktion als eine abwesende und vergange- ne Sache, wieder vorgestellet wird, wie ein gesehenes Objekt in der Einbildung, ist denn der Uebergang von der Disposition zur wirklichen Wiedervorstellung des ehe- maligen Zustandes eine Wirkung, welche jene Dispo- sition in dem Jnnern voraussetzet, und erfodert, und oh- ne sie nicht entstanden seyn würde? Oder ist hier die Ein- bildung blos eine nochmalige schwache Empfindung, welche eine ähnliche Ursache hat, wie die erste Empfin- dung gehabt hat?
Das Bild von dem Monde, das ich in Abwesen- heit des Gegenstandes in mir habe, wird durch eine inn-
re
der Vorſtellungen.
here Dispoſition, kein groͤßerer Grad von ſelbſt- thaͤtigem Beſtreben, aus einem innern Princip den ehe- maligen Zuſtand zu erneuern, in der Elaſticitaͤt der Sai- ten vorhanden. So eine aus der erſten Veraͤnderung aufbehaltene Dispoſition oder Leichtigkeit in der innern Kraft muß es aber ſeyn, wenn ſie eine Vorſtellung von der vorhergegangenen Veraͤnderung heißen ſoll, in dem Verſtande nemlich, worinn unſere Vorſtellungen von den Koͤrpern, die wir durch das Geſicht und die uͤbri- gen aͤußern Sinne erlangen, ſo genennet werden.
Hier kommen wir auf eine Unterſuchung, die mit ihren Folgen tief in die Natur der Seele hineingehet. Die Empfindungen des innern Sinnes ſind beſon- dere Modifikationen der Seele; unterſchieden ſowohl von den aͤußern Empfindungen, als von den Vorſtellungen, wodurch ſie ſelbſt verurſachet werden. Sind nun die Spuren, welche von ihnen zuruͤckbleiben, die Leichtig- keiten in der Empfindſamkeit und in der thaͤtigen Kraft, gleichfalls beſondere Dispoſitionen in der Seele, welche von den Dispoſitionen, aͤußere Empfin- dungen und andere Vorſtellungen zu reproduciren, un- terſchieden ſind? dieß iſt der Mittelpunkt der Unterſu- chung. Wenn ein ehemaliger Gemuͤthszuſtand, oder eine ehemalige Aktion als eine abweſende und vergange- ne Sache, wieder vorgeſtellet wird, wie ein geſehenes Objekt in der Einbildung, iſt denn der Uebergang von der Dispoſition zur wirklichen Wiedervorſtellung des ehe- maligen Zuſtandes eine Wirkung, welche jene Dispo- ſition in dem Jnnern vorausſetzet, und erfodert, und oh- ne ſie nicht entſtanden ſeyn wuͤrde? Oder iſt hier die Ein- bildung blos eine nochmalige ſchwache Empfindung, welche eine aͤhnliche Urſache hat, wie die erſte Empfin- dung gehabt hat?
Das Bild von dem Monde, das ich in Abweſen- heit des Gegenſtandes in mir habe, wird durch eine inn-
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der Vorſtellungen.
here Dispoſition, kein groͤßerer Grad von ſelbſt-
thaͤtigem Beſtreben, aus einem innern Princip den ehe-
maligen Zuſtand zu erneuern, in der Elaſticitaͤt der Sai-
ten vorhanden. So eine aus der erſten Veraͤnderung
aufbehaltene Dispoſition oder Leichtigkeit in der innern
Kraft muß es aber ſeyn, wenn ſie eine Vorſtellung
von der vorhergegangenen Veraͤnderung heißen ſoll, in
dem Verſtande nemlich, worinn unſere Vorſtellungen
von den Koͤrpern, die wir durch das Geſicht und die uͤbri-
gen aͤußern Sinne erlangen, ſo genennet werden.
Hier kommen wir auf eine Unterſuchung, die mit
ihren Folgen tief in die Natur der Seele hineingehet.
Die Empfindungen des innern Sinnes ſind beſon-
dere Modifikationen der Seele; unterſchieden ſowohl von
den aͤußern Empfindungen, als von den Vorſtellungen,
wodurch ſie ſelbſt verurſachet werden. Sind nun die
Spuren, welche von ihnen zuruͤckbleiben, die Leichtig-
keiten in der Empfindſamkeit und in der thaͤtigen
Kraft, gleichfalls beſondere Dispoſitionen in der
Seele, welche von den Dispoſitionen, aͤußere Empfin-
dungen und andere Vorſtellungen zu reproduciren, un-
terſchieden ſind? dieß iſt der Mittelpunkt der Unterſu-
chung. Wenn ein ehemaliger Gemuͤthszuſtand, oder
eine ehemalige Aktion als eine abweſende und vergange-
ne Sache, wieder vorgeſtellet wird, wie ein geſehenes
Objekt in der Einbildung, iſt denn der Uebergang von
der Dispoſition zur wirklichen Wiedervorſtellung des ehe-
maligen Zuſtandes eine Wirkung, welche jene Dispo-
ſition in dem Jnnern vorausſetzet, und erfodert, und oh-
ne ſie nicht entſtanden ſeyn wuͤrde? Oder iſt hier die Ein-
bildung blos eine nochmalige ſchwache Empfindung,
welche eine aͤhnliche Urſache hat, wie die erſte Empfin-
dung gehabt hat?
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/119>, abgerufen am 21.11.2024.
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