daß dieselbige Ursache, die sie das erstemal bewirkte, wiederum gegenwärtig sey. Was ist hier die erste Em- pfindung? Was ist die Nachempfindung? Giebt es dergleichen? Und wie verhält sich die wiedererweckte Empfindungsvorstellung, oder das Phantasma gegen jene? Einige Beobachtungen, die deutlich genug sind, werden uns zum Leitfaden an solchen Stellen dienen, wo es dunkel ist. Kann man nicht in das Jnnere einer Sache hineinkommen, so lässet sich doch wohl von außen in sie etwas hineinsehen. Jch will einige solcher Be- merkungen voranschicken, und dann versuchen, wie weit die Parallele zwischen unsern Vorstellungen aus dem in- nern Gefühle, und zwischen den äußerlichen sinnli- chen Vorstellungen gezogen werden könne.
1) Es ist beobachtet worden, und es lässet sich un- mittelbar und deutlich genug beobachten, daß man in eben demselbigen Augenblick, in dem wir uns einer Sa- che bewußt sind, in dem wir über sie reflektiren, und unsere Denkungsthätigkeit auf sie anwenden, nicht daran gedenke, daß man denke. Man ist sich nicht bewußt, daß man sich einer Sache bewußt sey; jenes nemlich nicht in demselbigen Augenblick, worinn man dieses ist. Ueber unsere eigene Reflexion reflektiren wir nicht in dem- selbigen Augenblick, in dem wir mit ihr bey einem Ge- genstand beschäftiget sind. *) Die Ursache davon fällt uns gleich auf. Wenn die Denkkraft der Seele mit dem Bewußtseyn, mit dem Unterscheiden, mit dem Ue- berlegen der Jdee, die sie vor sich hat, beschäftiget ist; so ist sie schon als eine Denkkraft thätig, und wirket auf eine vorzügliche Art nach einer bestimmten Richtung hin. Sollte sie nun in demselben Augenblick auch über diese
ihre
*) Man sehe des Hrn. Merians Abhandlung darüber, in den Schriften der Berlinischen Akademie der Wis- senschaften. 1762.
I. Verſuch. Ueber die Natur
daß dieſelbige Urſache, die ſie das erſtemal bewirkte, wiederum gegenwaͤrtig ſey. Was iſt hier die erſte Em- pfindung? Was iſt die Nachempfindung? Giebt es dergleichen? Und wie verhaͤlt ſich die wiedererweckte Empfindungsvorſtellung, oder das Phantasma gegen jene? Einige Beobachtungen, die deutlich genug ſind, werden uns zum Leitfaden an ſolchen Stellen dienen, wo es dunkel iſt. Kann man nicht in das Jnnere einer Sache hineinkommen, ſo laͤſſet ſich doch wohl von außen in ſie etwas hineinſehen. Jch will einige ſolcher Be- merkungen voranſchicken, und dann verſuchen, wie weit die Parallele zwiſchen unſern Vorſtellungen aus dem in- nern Gefuͤhle, und zwiſchen den aͤußerlichen ſinnli- chen Vorſtellungen gezogen werden koͤnne.
1) Es iſt beobachtet worden, und es laͤſſet ſich un- mittelbar und deutlich genug beobachten, daß man in eben demſelbigen Augenblick, in dem wir uns einer Sa- che bewußt ſind, in dem wir uͤber ſie reflektiren, und unſere Denkungsthaͤtigkeit auf ſie anwenden, nicht daran gedenke, daß man denke. Man iſt ſich nicht bewußt, daß man ſich einer Sache bewußt ſey; jenes nemlich nicht in demſelbigen Augenblick, worinn man dieſes iſt. Ueber unſere eigene Reflexion reflektiren wir nicht in dem- ſelbigen Augenblick, in dem wir mit ihr bey einem Ge- genſtand beſchaͤftiget ſind. *) Die Urſache davon faͤllt uns gleich auf. Wenn die Denkkraft der Seele mit dem Bewußtſeyn, mit dem Unterſcheiden, mit dem Ue- berlegen der Jdee, die ſie vor ſich hat, beſchaͤftiget iſt; ſo iſt ſie ſchon als eine Denkkraft thaͤtig, und wirket auf eine vorzuͤgliche Art nach einer beſtimmten Richtung hin. Sollte ſie nun in demſelben Augenblick auch uͤber dieſe
ihre
*) Man ſehe des Hrn. Merians Abhandlung daruͤber, in den Schriften der Berliniſchen Akademie der Wiſ- ſenſchaften. 1762.
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I. Verſuch. Ueber die Natur
daß dieſelbige Urſache, die ſie das erſtemal bewirkte,
wiederum gegenwaͤrtig ſey. Was iſt hier die erſte Em-
pfindung? Was iſt die Nachempfindung? Giebt es
dergleichen? Und wie verhaͤlt ſich die wiedererweckte
Empfindungsvorſtellung, oder das Phantasma gegen
jene? Einige Beobachtungen, die deutlich genug ſind,
werden uns zum Leitfaden an ſolchen Stellen dienen, wo
es dunkel iſt. Kann man nicht in das Jnnere einer
Sache hineinkommen, ſo laͤſſet ſich doch wohl von außen
in ſie etwas hineinſehen. Jch will einige ſolcher Be-
merkungen voranſchicken, und dann verſuchen, wie weit
die Parallele zwiſchen unſern Vorſtellungen aus dem in-
nern Gefuͤhle, und zwiſchen den aͤußerlichen ſinnli-
chen Vorſtellungen gezogen werden koͤnne.
1) Es iſt beobachtet worden, und es laͤſſet ſich un-
mittelbar und deutlich genug beobachten, daß man in
eben demſelbigen Augenblick, in dem wir uns einer Sa-
che bewußt ſind, in dem wir uͤber ſie reflektiren, und
unſere Denkungsthaͤtigkeit auf ſie anwenden, nicht daran
gedenke, daß man denke. Man iſt ſich nicht bewußt,
daß man ſich einer Sache bewußt ſey; jenes nemlich
nicht in demſelbigen Augenblick, worinn man dieſes iſt.
Ueber unſere eigene Reflexion reflektiren wir nicht in dem-
ſelbigen Augenblick, in dem wir mit ihr bey einem Ge-
genſtand beſchaͤftiget ſind. *) Die Urſache davon faͤllt
uns gleich auf. Wenn die Denkkraft der Seele mit
dem Bewußtſeyn, mit dem Unterſcheiden, mit dem Ue-
berlegen der Jdee, die ſie vor ſich hat, beſchaͤftiget iſt;
ſo iſt ſie ſchon als eine Denkkraft thaͤtig, und wirket auf
eine vorzuͤgliche Art nach einer beſtimmten Richtung hin.
Sollte ſie nun in demſelben Augenblick auch uͤber dieſe
ihre
*) Man ſehe des Hrn. Merians Abhandlung daruͤber,
in den Schriften der Berliniſchen Akademie der Wiſ-
ſenſchaften. 1762.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/106>, abgerufen am 25.11.2024.
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