Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.VI. Eine Actien-Speculation. An einem der folgenden hellkalten Wintertage hielten zwei rasch anfahrende Kutschen bei den Schöpfmühlen am Goudasee. Der aussteigende Buchhalter Sachtervanst schien von einigen Herren erwartet, welche ihren umständlichen Empfangscomplimenten die verbindliche Einladung hinzufügten, daß Mynheer in einer der rauschend arbeitenden Mühlen, deren jede einen breiten Bach aus dem See zog, das Gabelfrühstück einnehmen möge. Doch der alte Herr entschuldigte sich äußerst artig mit der unaufschiebbaren Eile ferner Reise und schritt rasch zu einigen am Ufer wartenden Stuhlschlitten. Hier begrüßten ihn der Freimeister Jan und Bertold, welche unterdessen den zweiten Wagen verlassen hatten und sich zur Eisfahrt rüsteten. Beide verschmähten die bequemen, gepolsterten Sesselschlitten, indem sie sich selbst mit kräftigem Geschick hochgeschnäbelte Schlittschuhe anschnallten. Dabei wurde nicht viel Rede gewechselt; kaum saß Herr Baldus, wohl in Pelze gehüllt, auf dem kleinen Schlitten fest, als ein stark gebauter Stuhlschieber die Rückenlehne mit beiden Händen faßte und vorwärts immer schneller und schneller den Buchhalter von dannen schob. -- Diese Art, zu reisen, ist auf den Kanälen in Holland und Friesland gebräuchlich, wo man bei glatter Eisbahn, von tüchtigen Schlittschuhläufern geschoben, leicht zwei deutsche Meilen stündlich zurücklegt. VI. Eine Actien-Speculation. An einem der folgenden hellkalten Wintertage hielten zwei rasch anfahrende Kutschen bei den Schöpfmühlen am Goudasee. Der aussteigende Buchhalter Sachtervanst schien von einigen Herren erwartet, welche ihren umständlichen Empfangscomplimenten die verbindliche Einladung hinzufügten, daß Mynheer in einer der rauschend arbeitenden Mühlen, deren jede einen breiten Bach aus dem See zog, das Gabelfrühstück einnehmen möge. Doch der alte Herr entschuldigte sich äußerst artig mit der unaufschiebbaren Eile ferner Reise und schritt rasch zu einigen am Ufer wartenden Stuhlschlitten. Hier begrüßten ihn der Freimeister Jan und Bertold, welche unterdessen den zweiten Wagen verlassen hatten und sich zur Eisfahrt rüsteten. Beide verschmähten die bequemen, gepolsterten Sesselschlitten, indem sie sich selbst mit kräftigem Geschick hochgeschnäbelte Schlittschuhe anschnallten. Dabei wurde nicht viel Rede gewechselt; kaum saß Herr Baldus, wohl in Pelze gehüllt, auf dem kleinen Schlitten fest, als ein stark gebauter Stuhlschieber die Rückenlehne mit beiden Händen faßte und vorwärts immer schneller und schneller den Buchhalter von dannen schob. — Diese Art, zu reisen, ist auf den Kanälen in Holland und Friesland gebräuchlich, wo man bei glatter Eisbahn, von tüchtigen Schlittschuhläufern geschoben, leicht zwei deutsche Meilen stündlich zurücklegt. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0094"/> <div type="chapter" n="6"> <head>VI. Eine Actien-Speculation.</head> <p>An einem der folgenden hellkalten Wintertage hielten zwei rasch anfahrende Kutschen bei den Schöpfmühlen am Goudasee. Der aussteigende Buchhalter Sachtervanst schien von einigen Herren erwartet, welche ihren umständlichen Empfangscomplimenten die verbindliche Einladung hinzufügten, daß Mynheer in einer der rauschend arbeitenden Mühlen, deren jede einen breiten Bach aus dem See zog, das Gabelfrühstück einnehmen möge. Doch der alte Herr entschuldigte sich äußerst artig mit der unaufschiebbaren Eile ferner Reise und schritt rasch zu einigen am Ufer wartenden Stuhlschlitten. Hier begrüßten ihn der Freimeister Jan und Bertold, welche unterdessen den zweiten Wagen verlassen hatten und sich zur Eisfahrt rüsteten. Beide verschmähten die bequemen, gepolsterten Sesselschlitten, indem sie sich selbst mit kräftigem Geschick hochgeschnäbelte Schlittschuhe anschnallten. Dabei wurde nicht viel Rede gewechselt; kaum saß Herr Baldus, wohl in Pelze gehüllt, auf dem kleinen Schlitten fest, als ein stark gebauter Stuhlschieber die Rückenlehne mit beiden Händen faßte und vorwärts immer schneller und schneller den Buchhalter von dannen schob. — Diese Art, zu reisen, ist auf den Kanälen in Holland und Friesland gebräuchlich, wo man bei glatter Eisbahn, von tüchtigen Schlittschuhläufern geschoben, leicht zwei deutsche Meilen stündlich zurücklegt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
VI. Eine Actien-Speculation. An einem der folgenden hellkalten Wintertage hielten zwei rasch anfahrende Kutschen bei den Schöpfmühlen am Goudasee. Der aussteigende Buchhalter Sachtervanst schien von einigen Herren erwartet, welche ihren umständlichen Empfangscomplimenten die verbindliche Einladung hinzufügten, daß Mynheer in einer der rauschend arbeitenden Mühlen, deren jede einen breiten Bach aus dem See zog, das Gabelfrühstück einnehmen möge. Doch der alte Herr entschuldigte sich äußerst artig mit der unaufschiebbaren Eile ferner Reise und schritt rasch zu einigen am Ufer wartenden Stuhlschlitten. Hier begrüßten ihn der Freimeister Jan und Bertold, welche unterdessen den zweiten Wagen verlassen hatten und sich zur Eisfahrt rüsteten. Beide verschmähten die bequemen, gepolsterten Sesselschlitten, indem sie sich selbst mit kräftigem Geschick hochgeschnäbelte Schlittschuhe anschnallten. Dabei wurde nicht viel Rede gewechselt; kaum saß Herr Baldus, wohl in Pelze gehüllt, auf dem kleinen Schlitten fest, als ein stark gebauter Stuhlschieber die Rückenlehne mit beiden Händen faßte und vorwärts immer schneller und schneller den Buchhalter von dannen schob. — Diese Art, zu reisen, ist auf den Kanälen in Holland und Friesland gebräuchlich, wo man bei glatter Eisbahn, von tüchtigen Schlittschuhläufern geschoben, leicht zwei deutsche Meilen stündlich zurücklegt.
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/94>, abgerufen am 22.07.2024. |