Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.nur die Christen mußten sich bei Lebensstrafe heimlich halten. Jede Nation bewohnte ihre eigenen Straßen, die nach ihren Namen genannt wurden. Lange Zeit waren die Sitten der Juliner gut und anständig. Auf die Länge aber wurden sie üppig und schwelgerisch, und einzelne Völkerstämme wollten eine Tyrannei über die anderen ausüben. Wegen solcher Gräuel, Laster und Abgötterei wurde die Stadt zum öftern durch den Zorn Gottes von Blitz und Donner jämmerlich geplagt. Aber das half zu ihrer Bekehrung nicht. Da zogen nach einer Weile zuerst die Ruthenier aus, und wanderten in ihr Vaterland Rußland zurück. Ihnen folgten bald ihre Freunde und Genossen, und stifteten in Rußland das Herzogthum, das noch jetzt von ihnen Wolhynien genannt wird. Unter den Zurückgebliebenen entstand hernach Aufruhr und Zerstreuung der Kaufleute, bis zuletzt der Dänische König Woldemar die Stadt eroberte und sie bis auf den Grund zerstörte. Dieß geschah im Jahre 1170. Die Stadt Julin lag auf der Spitze der fruchtbaren Insel Wollin, an derselben Stelle, wo jetzt die Stadt Wollin liegt. Aber sie war bei weitem größer als diese Stadt. Denn man sieht noch Ueberbleibsel von ihren Trümmern in der Erde, und danach ist sie größer gewesen als eine deutsche Meile. Die Michaeliskirche, welche jetzt eine gute Strecke weit außerhalb Wollin liegt, soll früher mitten in der Stadt Julin gestanden haben. Auch sieht man noch die Castelle, die früher die Stadt gegen die feindlichen Angriffe umgeben haben, und deren Trümmer auf vier verschiedenen Bergen in einer weiten Entfernung um die Stadt Wollin von einander liegen. Diese Castelle haben noch jetzt ihre alten Namen; eins heißt nämlich Kakernel, eins Moderow, eins de Schloßberg, und das vierte der Silberberg. Dieser Silberberg ist höher als die anderen drei nur die Christen mußten sich bei Lebensstrafe heimlich halten. Jede Nation bewohnte ihre eigenen Straßen, die nach ihren Namen genannt wurden. Lange Zeit waren die Sitten der Juliner gut und anständig. Auf die Länge aber wurden sie üppig und schwelgerisch, und einzelne Völkerstämme wollten eine Tyrannei über die anderen ausüben. Wegen solcher Gräuel, Laster und Abgötterei wurde die Stadt zum öftern durch den Zorn Gottes von Blitz und Donner jämmerlich geplagt. Aber das half zu ihrer Bekehrung nicht. Da zogen nach einer Weile zuerst die Ruthenier aus, und wanderten in ihr Vaterland Rußland zurück. Ihnen folgten bald ihre Freunde und Genossen, und stifteten in Rußland das Herzogthum, das noch jetzt von ihnen Wolhynien genannt wird. Unter den Zurückgebliebenen entstand hernach Aufruhr und Zerstreuung der Kaufleute, bis zuletzt der Dänische König Woldemar die Stadt eroberte und sie bis auf den Grund zerstörte. Dieß geschah im Jahre 1170. Die Stadt Julin lag auf der Spitze der fruchtbaren Insel Wollin, an derselben Stelle, wo jetzt die Stadt Wollin liegt. Aber sie war bei weitem größer als diese Stadt. Denn man sieht noch Ueberbleibsel von ihren Trümmern in der Erde, und danach ist sie größer gewesen als eine deutsche Meile. Die Michaeliskirche, welche jetzt eine gute Strecke weit außerhalb Wollin liegt, soll früher mitten in der Stadt Julin gestanden haben. Auch sieht man noch die Castelle, die früher die Stadt gegen die feindlichen Angriffe umgeben haben, und deren Trümmer auf vier verschiedenen Bergen in einer weiten Entfernung um die Stadt Wollin von einander liegen. Diese Castelle haben noch jetzt ihre alten Namen; eins heißt nämlich Kakernel, eins Moderow, eins de Schloßberg, und das vierte der Silberberg. Dieser Silberberg ist höher als die anderen drei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0060" n="28"/> nur die Christen mußten sich bei Lebensstrafe heimlich halten. 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nur die Christen mußten sich bei Lebensstrafe heimlich halten. Jede Nation bewohnte ihre eigenen Straßen, die nach ihren Namen genannt wurden.
Lange Zeit waren die Sitten der Juliner gut und anständig. Auf die Länge aber wurden sie üppig und schwelgerisch, und einzelne Völkerstämme wollten eine Tyrannei über die anderen ausüben. Wegen solcher Gräuel, Laster und Abgötterei wurde die Stadt zum öftern durch den Zorn Gottes von Blitz und Donner jämmerlich geplagt. Aber das half zu ihrer Bekehrung nicht. Da zogen nach einer Weile zuerst die Ruthenier aus, und wanderten in ihr Vaterland Rußland zurück. Ihnen folgten bald ihre Freunde und Genossen, und stifteten in Rußland das Herzogthum, das noch jetzt von ihnen Wolhynien genannt wird. Unter den Zurückgebliebenen entstand hernach Aufruhr und Zerstreuung der Kaufleute, bis zuletzt der Dänische König Woldemar die Stadt eroberte und sie bis auf den Grund zerstörte. Dieß geschah im Jahre 1170.
Die Stadt Julin lag auf der Spitze der fruchtbaren Insel Wollin, an derselben Stelle, wo jetzt die Stadt Wollin liegt. Aber sie war bei weitem größer als diese Stadt. Denn man sieht noch Ueberbleibsel von ihren Trümmern in der Erde, und danach ist sie größer gewesen als eine deutsche Meile. Die Michaeliskirche, welche jetzt eine gute Strecke weit außerhalb Wollin liegt, soll früher mitten in der Stadt Julin gestanden haben. Auch sieht man noch die Castelle, die früher die Stadt gegen die feindlichen Angriffe umgeben haben, und deren Trümmer auf vier verschiedenen Bergen in einer weiten Entfernung um die Stadt Wollin von einander liegen. Diese Castelle haben noch jetzt ihre alten Namen; eins heißt nämlich Kakernel, eins Moderow, eins de Schloßberg, und das vierte der Silberberg. Dieser Silberberg ist höher als die anderen drei
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