Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
277. Der Geist des Herrn von Kemnitz.

Das Dorf Kemnitz im Amte Eldena soll vor langen Zeiten von einem Herrn von Kemnitz erbaut seyn, der aus Mecklenburg gekommen ist, und von dem das Dorf seinen Namen erhalten hat. Mit diesem Herrn von Kemnitz soll es eine ganz besondere Sache gewesen seyn, hinter welche jedoch Keiner mit Gewißheit hat kommen können. Denn so wie er gestorben ist, hat man seinen Geist im Dorfe herumgehen sehen. Gewöhnlich ist er des Abends beim Dunkelwerden erschienen. Er hat dann in einem Wagen gesessen, der mit vier pechschwarzen Pferden bespannt war, und hat ein scharlachrothes Kleid getragen. An dem Kirchhofe ist er ausgestiegen, und auf denselben hinaufgegangen. Nach kurzer Zeit aber ist er zurückgekehrt und wieder abgefahren. Besonders häufig ist dies in der Herbstzeit geschehen. Seit vierzig oder funfzig Jahren ist er nicht mehr erschienen; aber es leben noch einige alte Leute im Dorfe, die ihn damals gesehen haben.

Mündlich.
278. Die alte Stadt Grimmen.

Die Stadt Grimmen, die jetzt nur etwa 400 Häuser und 3000 Einwohner hat, soll in alten Zeiten eine sehr große und bevölkerte Stadt gewesen seyn. Sie soll sich erstreckt haben bis an den rauhen Berg, der jetzt eine Viertelmeile weit von Grimmen liegt. Jetzt hat sie nur Eine Kirche; früher soll sie deren aber sieben gehabt haben. Eine davon mit einem großen Kirchhofe rund herum hat gestanden, wo das sogenannte Leichenviertel ist; man findet da auch beim Graben in der Erde noch Schädel und allerlei andere Menschenknochen. Die Stadt soll in einem schweren Kriege erstört seyn; an dem rauhen Berge soll die große Schlacht

277. Der Geist des Herrn von Kemnitz.

Das Dorf Kemnitz im Amte Eldena soll vor langen Zeiten von einem Herrn von Kemnitz erbaut seyn, der aus Mecklenburg gekommen ist, und von dem das Dorf seinen Namen erhalten hat. Mit diesem Herrn von Kemnitz soll es eine ganz besondere Sache gewesen seyn, hinter welche jedoch Keiner mit Gewißheit hat kommen können. Denn so wie er gestorben ist, hat man seinen Geist im Dorfe herumgehen sehen. Gewöhnlich ist er des Abends beim Dunkelwerden erschienen. Er hat dann in einem Wagen gesessen, der mit vier pechschwarzen Pferden bespannt war, und hat ein scharlachrothes Kleid getragen. An dem Kirchhofe ist er ausgestiegen, und auf denselben hinaufgegangen. Nach kurzer Zeit aber ist er zurückgekehrt und wieder abgefahren. Besonders häufig ist dies in der Herbstzeit geschehen. Seit vierzig oder funfzig Jahren ist er nicht mehr erschienen; aber es leben noch einige alte Leute im Dorfe, die ihn damals gesehen haben.

Mündlich.
278. Die alte Stadt Grimmen.

Die Stadt Grimmen, die jetzt nur etwa 400 Häuser und 3000 Einwohner hat, soll in alten Zeiten eine sehr große und bevölkerte Stadt gewesen seyn. Sie soll sich erstreckt haben bis an den rauhen Berg, der jetzt eine Viertelmeile weit von Grimmen liegt. Jetzt hat sie nur Eine Kirche; früher soll sie deren aber sieben gehabt haben. Eine davon mit einem großen Kirchhofe rund herum hat gestanden, wo das sogenannte Leichenviertel ist; man findet da auch beim Graben in der Erde noch Schädel und allerlei andere Menschenknochen. Die Stadt soll in einem schweren Kriege erstört seyn; an dem rauhen Berge soll die große Schlacht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0360" n="328"/>
        <div n="2">
          <head>277. Der Geist des Herrn von Kemnitz.</head><lb/>
          <p>Das Dorf Kemnitz im Amte Eldena soll vor langen Zeiten von einem Herrn von Kemnitz erbaut seyn, der aus Mecklenburg gekommen ist, und von dem das Dorf seinen Namen erhalten hat. Mit diesem Herrn von Kemnitz soll es eine ganz besondere Sache gewesen seyn, hinter welche jedoch Keiner mit Gewißheit hat kommen können. Denn so wie er gestorben ist, hat man seinen Geist im Dorfe herumgehen sehen. Gewöhnlich ist er des Abends beim Dunkelwerden erschienen. Er hat dann in einem Wagen gesessen, der mit vier pechschwarzen Pferden bespannt war, und hat ein scharlachrothes Kleid getragen. An dem Kirchhofe ist er ausgestiegen, und auf denselben hinaufgegangen. Nach kurzer Zeit aber ist er zurückgekehrt und wieder abgefahren. Besonders häufig ist dies in der Herbstzeit geschehen. Seit vierzig oder funfzig Jahren ist er nicht mehr erschienen; aber es leben noch einige alte Leute im Dorfe, die ihn damals gesehen haben.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Mündlich.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>278. Die alte Stadt Grimmen.</head><lb/>
          <p>Die Stadt Grimmen, die jetzt nur etwa 400 Häuser und 3000 Einwohner hat, soll in alten Zeiten eine sehr große und bevölkerte Stadt gewesen seyn. Sie soll sich erstreckt haben bis an den rauhen Berg, der jetzt eine Viertelmeile weit von Grimmen liegt. Jetzt hat sie nur Eine Kirche; früher soll sie deren aber sieben gehabt haben. Eine davon mit einem großen Kirchhofe rund herum hat gestanden, wo das sogenannte Leichenviertel ist; man findet da auch beim Graben in der Erde noch Schädel und allerlei andere Menschenknochen. Die Stadt soll in einem schweren Kriege erstört seyn; an dem rauhen Berge soll die große Schlacht
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[328/0360] 277. Der Geist des Herrn von Kemnitz. Das Dorf Kemnitz im Amte Eldena soll vor langen Zeiten von einem Herrn von Kemnitz erbaut seyn, der aus Mecklenburg gekommen ist, und von dem das Dorf seinen Namen erhalten hat. Mit diesem Herrn von Kemnitz soll es eine ganz besondere Sache gewesen seyn, hinter welche jedoch Keiner mit Gewißheit hat kommen können. Denn so wie er gestorben ist, hat man seinen Geist im Dorfe herumgehen sehen. Gewöhnlich ist er des Abends beim Dunkelwerden erschienen. Er hat dann in einem Wagen gesessen, der mit vier pechschwarzen Pferden bespannt war, und hat ein scharlachrothes Kleid getragen. An dem Kirchhofe ist er ausgestiegen, und auf denselben hinaufgegangen. Nach kurzer Zeit aber ist er zurückgekehrt und wieder abgefahren. Besonders häufig ist dies in der Herbstzeit geschehen. Seit vierzig oder funfzig Jahren ist er nicht mehr erschienen; aber es leben noch einige alte Leute im Dorfe, die ihn damals gesehen haben. Mündlich. 278. Die alte Stadt Grimmen. Die Stadt Grimmen, die jetzt nur etwa 400 Häuser und 3000 Einwohner hat, soll in alten Zeiten eine sehr große und bevölkerte Stadt gewesen seyn. Sie soll sich erstreckt haben bis an den rauhen Berg, der jetzt eine Viertelmeile weit von Grimmen liegt. Jetzt hat sie nur Eine Kirche; früher soll sie deren aber sieben gehabt haben. Eine davon mit einem großen Kirchhofe rund herum hat gestanden, wo das sogenannte Leichenviertel ist; man findet da auch beim Graben in der Erde noch Schädel und allerlei andere Menschenknochen. Die Stadt soll in einem schweren Kriege erstört seyn; an dem rauhen Berge soll die große Schlacht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/360
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/360>, abgerufen am 21.11.2024.