Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.261. Die Cholera. Es giebt noch jetzt in Pommern manche Leute, die fest glauben, die Cholera sey im Jahre 1831 absichtlich ins Land gebracht, und zwar soll der Franzose das gethan haben, damit das Land entvölkert werde, und er es wieder gewinnen könne. Um sein Vorhaben auszurichten, soll der Franzose auf allerlei Wegen und unter allerlei Gestalten sich herbeigestohlen haben. So erzählt man sich auch namentlich von Stettin Folgendes: Eines Tages kam durch das Berliner Thor ein Mann in die Stadt hinein, der eine große Kiste auf dem Rücken trug. Der Mann sah sich ängstlich nach allen Seiten um, und suchte unbemerkt an der Schildwache vorbeizukommen. Die Schildwache bemerkte ihn aber, und er wurde festgehalten und in die Wache gebracht. Dort wurde ihm befohlen, seine Kiste zu öffnen; er weigerte sich dessen zwar Anfangs, mußte aber doch zuletzt Folge leisten. Da fand man in der großen Kiste eine andere kleinere; in dieser fand man wieder eine, und das ging eine ganze Zeitlang so fort, so daß man immer auf eine kleinere Kiste kam. Als man aber endlich die kleinste öffnete, da fand man darin ein ganz kleines, kleines Männchen, das war der Franzose, der die Cholera in die Stadt bringen wollte. Mündlich. 262. Der prophezeihende Täufling. In vielen Gegenden von Pommern: an der Oder, bei Colbatz, Wartenberg und an manchen anderen Orten, erzählen sich die Leute folgende wunderbare Geschichte, die sich im Jahre 1831 zugetragen hat, als von Westen der Krieg und von Osten die Cholera in das Land einzubrechen drohete. Zu derselben Zeit fuhren nämlich eines Morgens 261. Die Cholera. Es giebt noch jetzt in Pommern manche Leute, die fest glauben, die Cholera sey im Jahre 1831 absichtlich ins Land gebracht, und zwar soll der Franzose das gethan haben, damit das Land entvölkert werde, und er es wieder gewinnen könne. Um sein Vorhaben auszurichten, soll der Franzose auf allerlei Wegen und unter allerlei Gestalten sich herbeigestohlen haben. So erzählt man sich auch namentlich von Stettin Folgendes: Eines Tages kam durch das Berliner Thor ein Mann in die Stadt hinein, der eine große Kiste auf dem Rücken trug. Der Mann sah sich ängstlich nach allen Seiten um, und suchte unbemerkt an der Schildwache vorbeizukommen. Die Schildwache bemerkte ihn aber, und er wurde festgehalten und in die Wache gebracht. Dort wurde ihm befohlen, seine Kiste zu öffnen; er weigerte sich dessen zwar Anfangs, mußte aber doch zuletzt Folge leisten. Da fand man in der großen Kiste eine andere kleinere; in dieser fand man wieder eine, und das ging eine ganze Zeitlang so fort, so daß man immer auf eine kleinere Kiste kam. Als man aber endlich die kleinste öffnete, da fand man darin ein ganz kleines, kleines Männchen, das war der Franzose, der die Cholera in die Stadt bringen wollte. Mündlich. 262. Der prophezeihende Täufling. In vielen Gegenden von Pommern: an der Oder, bei Colbatz, Wartenberg und an manchen anderen Orten, erzählen sich die Leute folgende wunderbare Geschichte, die sich im Jahre 1831 zugetragen hat, als von Westen der Krieg und von Osten die Cholera in das Land einzubrechen drohete. Zu derselben Zeit fuhren nämlich eines Morgens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0341" n="309"/> <div n="2"> <head>261. Die Cholera.</head><lb/> <p>Es giebt noch jetzt in Pommern manche Leute, die fest glauben, die Cholera sey im Jahre 1831 absichtlich ins Land gebracht, und zwar soll der Franzose das gethan haben, damit das Land entvölkert werde, und er es wieder gewinnen könne. Um sein Vorhaben auszurichten, soll der Franzose auf allerlei Wegen und unter allerlei Gestalten sich herbeigestohlen haben. So erzählt man sich auch namentlich von Stettin Folgendes: Eines Tages kam durch das Berliner Thor ein Mann in die Stadt hinein, der eine große Kiste auf dem Rücken trug. Der Mann sah sich ängstlich nach allen Seiten um, und suchte unbemerkt an der Schildwache vorbeizukommen. Die Schildwache bemerkte ihn aber, und er wurde festgehalten und in die Wache gebracht. Dort wurde ihm befohlen, seine Kiste zu öffnen; er weigerte sich dessen zwar Anfangs, mußte aber doch zuletzt Folge leisten. Da fand man in der großen Kiste eine andere kleinere; in dieser fand man wieder eine, und das ging eine ganze Zeitlang so fort, so daß man immer auf eine kleinere Kiste kam. Als man aber endlich die kleinste öffnete, da fand man darin ein ganz kleines, kleines Männchen, das war der Franzose, der die Cholera in die Stadt bringen wollte.</p> <listBibl> <bibl>Mündlich.</bibl><lb/> </listBibl> </div> <div n="2"> <head>262. 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261. Die Cholera.
Es giebt noch jetzt in Pommern manche Leute, die fest glauben, die Cholera sey im Jahre 1831 absichtlich ins Land gebracht, und zwar soll der Franzose das gethan haben, damit das Land entvölkert werde, und er es wieder gewinnen könne. Um sein Vorhaben auszurichten, soll der Franzose auf allerlei Wegen und unter allerlei Gestalten sich herbeigestohlen haben. So erzählt man sich auch namentlich von Stettin Folgendes: Eines Tages kam durch das Berliner Thor ein Mann in die Stadt hinein, der eine große Kiste auf dem Rücken trug. Der Mann sah sich ängstlich nach allen Seiten um, und suchte unbemerkt an der Schildwache vorbeizukommen. Die Schildwache bemerkte ihn aber, und er wurde festgehalten und in die Wache gebracht. Dort wurde ihm befohlen, seine Kiste zu öffnen; er weigerte sich dessen zwar Anfangs, mußte aber doch zuletzt Folge leisten. Da fand man in der großen Kiste eine andere kleinere; in dieser fand man wieder eine, und das ging eine ganze Zeitlang so fort, so daß man immer auf eine kleinere Kiste kam. Als man aber endlich die kleinste öffnete, da fand man darin ein ganz kleines, kleines Männchen, das war der Franzose, der die Cholera in die Stadt bringen wollte.
Mündlich.
262. Der prophezeihende Täufling.
In vielen Gegenden von Pommern: an der Oder, bei Colbatz, Wartenberg und an manchen anderen Orten, erzählen sich die Leute folgende wunderbare Geschichte, die sich im Jahre 1831 zugetragen hat, als von Westen der Krieg und von Osten die Cholera in das Land einzubrechen drohete. Zu derselben Zeit fuhren nämlich eines Morgens
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