Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.woran ihn der Klabatermann des anderen Schiffes kennt, damit der ihm eben so gut und helfend sey. Die faulen und trotzigen Matrosen dagegen zwickt und quält er, und thut ihnen allerlei Tort an, bis sie zuletzt flink und fleißig werden. Und wenn Alles nicht hilft, so zeigt er sich ihnen zuletzt und schneidet ihnen Gesichter zu. Dann ist es aber auch aus mit ihnen; denn wer den Klabatermann mit leiblichen Augen sieht, dessen letztes Stündlein hat geschlagen. Die Matrosen thun ihm daher Alles zu Gefallen, und setzen ihm oft des Nachts von ihrem Lieblingsessen hin. Von wem er so etwas annimmt und gegessen hat, dem ist er gar absonderlich gut. Besonders laut und rührig ist der Kalfater, wenn Sturm kommt oder das Schiff sonst in große Gefahr geräth. Man hört ihn dann an allen Ecken und Kanten; er sorgt für Alles und hilft bei Allem. Dieser Geist, wenn er einmal in ein Schiff eingezogen ist, weicht von demselben nicht wieder, als bis es zu Grunde geht. Wenn er das aber merkt, und wenn er einsieht, daß trotz aller Mühe und Arbeit das Schiff nicht mehr zu retten ist, dann verläßt er es endlich. Auch hierbei zeigt er noch seine Freundschaft für das Schiffsvolk; denn, da man ihn nicht sehen kann, so steigt er so hoch er kann, und stürzt sich dann von oben her mit großem Geräusche vom Schiff in das Wasser, damit man ihn hören könne. Einige sagen, er steige bei solcher Gelegenheit auf die äußerste Spitze des Boogsprits, und springe von dort her in die See. Wer ihn aber dort sehe, mit dem sey es für immer aus. Wenn nun der Klabatermann das Schiff verlassen hat, dann weiß das Schiffsvolk, daß es mit demselben ein Ende hat. Es legt jetzt Keiner mehr Hand an, denn Rettung des Schiffes ist nicht mehr möglich. Jeder sucht woran ihn der Klabatermann des anderen Schiffes kennt, damit der ihm eben so gut und helfend sey. Die faulen und trotzigen Matrosen dagegen zwickt und quält er, und thut ihnen allerlei Tort an, bis sie zuletzt flink und fleißig werden. Und wenn Alles nicht hilft, so zeigt er sich ihnen zuletzt und schneidet ihnen Gesichter zu. Dann ist es aber auch aus mit ihnen; denn wer den Klabatermann mit leiblichen Augen sieht, dessen letztes Stündlein hat geschlagen. Die Matrosen thun ihm daher Alles zu Gefallen, und setzen ihm oft des Nachts von ihrem Lieblingsessen hin. Von wem er so etwas annimmt und gegessen hat, dem ist er gar absonderlich gut. Besonders laut und rührig ist der Kalfater, wenn Sturm kommt oder das Schiff sonst in große Gefahr geräth. Man hört ihn dann an allen Ecken und Kanten; er sorgt für Alles und hilft bei Allem. Dieser Geist, wenn er einmal in ein Schiff eingezogen ist, weicht von demselben nicht wieder, als bis es zu Grunde geht. Wenn er das aber merkt, und wenn er einsieht, daß trotz aller Mühe und Arbeit das Schiff nicht mehr zu retten ist, dann verläßt er es endlich. Auch hierbei zeigt er noch seine Freundschaft für das Schiffsvolk; denn, da man ihn nicht sehen kann, so steigt er so hoch er kann, und stürzt sich dann von oben her mit großem Geräusche vom Schiff in das Wasser, damit man ihn hören könne. Einige sagen, er steige bei solcher Gelegenheit auf die äußerste Spitze des Boogsprits, und springe von dort her in die See. Wer ihn aber dort sehe, mit dem sey es für immer aus. Wenn nun der Klabatermann das Schiff verlassen hat, dann weiß das Schiffsvolk, daß es mit demselben ein Ende hat. Es legt jetzt Keiner mehr Hand an, denn Rettung des Schiffes ist nicht mehr möglich. Jeder sucht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0333" n="301"/> woran ihn der Klabatermann des anderen Schiffes kennt, damit der ihm eben so gut und helfend sey. Die faulen und trotzigen Matrosen dagegen zwickt und quält er, und thut ihnen allerlei Tort an, bis sie zuletzt flink und fleißig werden. Und wenn Alles nicht hilft, so zeigt er sich ihnen zuletzt und schneidet ihnen Gesichter zu. Dann ist es aber auch aus mit ihnen; denn wer den Klabatermann mit leiblichen Augen sieht, dessen letztes Stündlein hat geschlagen. Die Matrosen thun ihm daher Alles zu Gefallen, und setzen ihm oft des Nachts von ihrem Lieblingsessen hin. Von wem er so etwas annimmt und gegessen hat, dem ist er gar absonderlich gut.</p> <p>Besonders laut und rührig ist der Kalfater, wenn Sturm kommt oder das Schiff sonst in große Gefahr geräth. Man hört ihn dann an allen Ecken und Kanten; er sorgt für Alles und hilft bei Allem.</p> <p>Dieser Geist, wenn er einmal in ein Schiff eingezogen ist, weicht von demselben nicht wieder, als bis es zu Grunde geht. Wenn er das aber merkt, und wenn er einsieht, daß trotz aller Mühe und Arbeit das Schiff nicht mehr zu retten ist, dann verläßt er es endlich. Auch hierbei zeigt er noch seine Freundschaft für das Schiffsvolk; denn, da man ihn nicht sehen kann, so steigt er so hoch er kann, und stürzt sich dann von oben her mit großem Geräusche vom Schiff in das Wasser, damit man ihn hören könne. Einige sagen, er steige bei solcher Gelegenheit auf die äußerste Spitze des Boogsprits, und springe von dort her in die See. Wer ihn aber dort sehe, mit dem sey es für immer aus.</p> <p>Wenn nun der Klabatermann das Schiff verlassen hat, dann weiß das Schiffsvolk, daß es mit demselben ein Ende hat. Es legt jetzt Keiner mehr Hand an, denn Rettung des Schiffes ist nicht mehr möglich. Jeder sucht </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [301/0333]
woran ihn der Klabatermann des anderen Schiffes kennt, damit der ihm eben so gut und helfend sey. Die faulen und trotzigen Matrosen dagegen zwickt und quält er, und thut ihnen allerlei Tort an, bis sie zuletzt flink und fleißig werden. Und wenn Alles nicht hilft, so zeigt er sich ihnen zuletzt und schneidet ihnen Gesichter zu. Dann ist es aber auch aus mit ihnen; denn wer den Klabatermann mit leiblichen Augen sieht, dessen letztes Stündlein hat geschlagen. Die Matrosen thun ihm daher Alles zu Gefallen, und setzen ihm oft des Nachts von ihrem Lieblingsessen hin. Von wem er so etwas annimmt und gegessen hat, dem ist er gar absonderlich gut.
Besonders laut und rührig ist der Kalfater, wenn Sturm kommt oder das Schiff sonst in große Gefahr geräth. Man hört ihn dann an allen Ecken und Kanten; er sorgt für Alles und hilft bei Allem.
Dieser Geist, wenn er einmal in ein Schiff eingezogen ist, weicht von demselben nicht wieder, als bis es zu Grunde geht. Wenn er das aber merkt, und wenn er einsieht, daß trotz aller Mühe und Arbeit das Schiff nicht mehr zu retten ist, dann verläßt er es endlich. Auch hierbei zeigt er noch seine Freundschaft für das Schiffsvolk; denn, da man ihn nicht sehen kann, so steigt er so hoch er kann, und stürzt sich dann von oben her mit großem Geräusche vom Schiff in das Wasser, damit man ihn hören könne. Einige sagen, er steige bei solcher Gelegenheit auf die äußerste Spitze des Boogsprits, und springe von dort her in die See. Wer ihn aber dort sehe, mit dem sey es für immer aus.
Wenn nun der Klabatermann das Schiff verlassen hat, dann weiß das Schiffsvolk, daß es mit demselben ein Ende hat. Es legt jetzt Keiner mehr Hand an, denn Rettung des Schiffes ist nicht mehr möglich. Jeder sucht
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Zitationshilfe: | Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/333>, abgerufen am 16.06.2024. |