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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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Fürsten wollten dies aber nicht zugeben, brachten es vielmehr zu Wege, daß der Herzog das schönste Fräulein heirathete, so dazumalen in Deutschland war, nämlich die Prinzessin Hedwig von Braunschweig. Darüber gerieth Sidonia Borken in einen großen Zorn, und sie fuhr in ihren bösen Künsten nun dadurch fort, daß sie die sechs jungen Fürsten, welche in damaliger Zeit zu Stettin waren, und sämmtlich junge Gemahlinnen hatten, also verzauberte, daß sie ohne Erben sterben mußten. Darauf ging sie aus Verdruß in das Jungfrauenkloster zu Marienfließ zwischen Stargard und Freienwalde in Hinterpommern.

Hier soll sie nun einen sehr ärgerlichen, boshaftigen Lebenswandel getrieben haben, und sie hat fast nichts gethan, als sich mit Zauberei abzugeben. Insbesondere hat sie Bekanntschaft gemacht mit einer alten Zauberin, Wolde Albrechts; von dieser hat sie einen kleinen Zaubergeist, Namens Chim, gekauft, der ihr nun zu allen ihren Teufelskünsten geholfen. Derselbe hat für gewöhnlich die Gestalt einer Katze gehabt; er hat aber auch manchmal sich als ein dreibeiniger Hase mit einem weißen Ringe um den Hals gezeigt. Sie hat ihn überall hingeschickt, wenn sie ihre Feinde hat quälen oder ums Leben bringen lassen. So hat sie ihn auch insbesondere einmal nach dem Dorfe Boek gesandt. Dort war ein Prediger, Namens Lüdeke, der hatte öffentlich auf der Kanzel über ihr ärgerliches Leben geschimpft; dafür schickte sie flugs ihren Chim zu ihm, daß er ihm den Hals umdrehen mußte, wovon der arme Mann eines gar schrecklichen und erbärmlichen Todes gestorben ist. Wenn sie nun so Jemanden hat tödten oder martern lassen, dann hat sie sich die Hände gerieben und den Spruch gethan: So krabben und kratzen meine Hunde und Katzen! Auch hatte sie immer grüne Besen kreuzweise unter ihrem Tische liegen, und soll die Gewohnheit

Fürsten wollten dies aber nicht zugeben, brachten es vielmehr zu Wege, daß der Herzog das schönste Fräulein heirathete, so dazumalen in Deutschland war, nämlich die Prinzessin Hedwig von Braunschweig. Darüber gerieth Sidonia Borken in einen großen Zorn, und sie fuhr in ihren bösen Künsten nun dadurch fort, daß sie die sechs jungen Fürsten, welche in damaliger Zeit zu Stettin waren, und sämmtlich junge Gemahlinnen hatten, also verzauberte, daß sie ohne Erben sterben mußten. Darauf ging sie aus Verdruß in das Jungfrauenkloster zu Marienfließ zwischen Stargard und Freienwalde in Hinterpommern.

Hier soll sie nun einen sehr ärgerlichen, boshaftigen Lebenswandel getrieben haben, und sie hat fast nichts gethan, als sich mit Zauberei abzugeben. Insbesondere hat sie Bekanntschaft gemacht mit einer alten Zauberin, Wolde Albrechts; von dieser hat sie einen kleinen Zaubergeist, Namens Chim, gekauft, der ihr nun zu allen ihren Teufelskünsten geholfen. Derselbe hat für gewöhnlich die Gestalt einer Katze gehabt; er hat aber auch manchmal sich als ein dreibeiniger Hase mit einem weißen Ringe um den Hals gezeigt. Sie hat ihn überall hingeschickt, wenn sie ihre Feinde hat quälen oder ums Leben bringen lassen. So hat sie ihn auch insbesondere einmal nach dem Dorfe Boek gesandt. Dort war ein Prediger, Namens Lüdeke, der hatte öffentlich auf der Kanzel über ihr ärgerliches Leben geschimpft; dafür schickte sie flugs ihren Chim zu ihm, daß er ihm den Hals umdrehen mußte, wovon der arme Mann eines gar schrecklichen und erbärmlichen Todes gestorben ist. Wenn sie nun so Jemanden hat tödten oder martern lassen, dann hat sie sich die Hände gerieben und den Spruch gethan: So krabben und kratzen meine Hunde und Katzen! Auch hatte sie immer grüne Besen kreuzweise unter ihrem Tische liegen, und soll die Gewohnheit

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Fürsten wollten dies aber nicht zugeben, brachten es vielmehr zu Wege, daß der Herzog das schönste Fräulein heirathete, so dazumalen in Deutschland war, nämlich die Prinzessin Hedwig von Braunschweig. Darüber gerieth Sidonia Borken in einen großen Zorn, und sie fuhr in ihren bösen Künsten nun dadurch fort, daß sie die sechs jungen Fürsten, welche in damaliger Zeit zu Stettin waren, und sämmtlich junge Gemahlinnen hatten, also verzauberte, daß sie ohne Erben sterben mußten. Darauf ging sie aus Verdruß in das Jungfrauenkloster zu Marienfließ zwischen Stargard und Freienwalde in Hinterpommern.</p>
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[290/0322] Fürsten wollten dies aber nicht zugeben, brachten es vielmehr zu Wege, daß der Herzog das schönste Fräulein heirathete, so dazumalen in Deutschland war, nämlich die Prinzessin Hedwig von Braunschweig. Darüber gerieth Sidonia Borken in einen großen Zorn, und sie fuhr in ihren bösen Künsten nun dadurch fort, daß sie die sechs jungen Fürsten, welche in damaliger Zeit zu Stettin waren, und sämmtlich junge Gemahlinnen hatten, also verzauberte, daß sie ohne Erben sterben mußten. Darauf ging sie aus Verdruß in das Jungfrauenkloster zu Marienfließ zwischen Stargard und Freienwalde in Hinterpommern. Hier soll sie nun einen sehr ärgerlichen, boshaftigen Lebenswandel getrieben haben, und sie hat fast nichts gethan, als sich mit Zauberei abzugeben. Insbesondere hat sie Bekanntschaft gemacht mit einer alten Zauberin, Wolde Albrechts; von dieser hat sie einen kleinen Zaubergeist, Namens Chim, gekauft, der ihr nun zu allen ihren Teufelskünsten geholfen. Derselbe hat für gewöhnlich die Gestalt einer Katze gehabt; er hat aber auch manchmal sich als ein dreibeiniger Hase mit einem weißen Ringe um den Hals gezeigt. Sie hat ihn überall hingeschickt, wenn sie ihre Feinde hat quälen oder ums Leben bringen lassen. So hat sie ihn auch insbesondere einmal nach dem Dorfe Boek gesandt. Dort war ein Prediger, Namens Lüdeke, der hatte öffentlich auf der Kanzel über ihr ärgerliches Leben geschimpft; dafür schickte sie flugs ihren Chim zu ihm, daß er ihm den Hals umdrehen mußte, wovon der arme Mann eines gar schrecklichen und erbärmlichen Todes gestorben ist. Wenn sie nun so Jemanden hat tödten oder martern lassen, dann hat sie sich die Hände gerieben und den Spruch gethan: So krabben und kratzen meine Hunde und Katzen! Auch hatte sie immer grüne Besen kreuzweise unter ihrem Tische liegen, und soll die Gewohnheit

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/322>, abgerufen am 22.11.2024.