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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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sich so, daß es fast Mitternacht wurde, wie er noch immer an dem See war. Als er nun wiederum seiner gewohnten Weise nach den Umweg verwünschte, den er nehmen mußte, da trat auf einmal ein Wandersmann an ihn heran, der hörte mit stillem Lachen seinen Klagen zu, und sagte dann: Da wäre zu helfen. Einen Damm durch den See baue ich dir wohl leicht, wenn dir so viel daran gelegen ist; du mußt mir nur versprechen, daß du dafür auf immer mein eigen seyn willst. Das kann dir ja nichts verschlagen, denn ich bin selbst nur ein einfältiger Hirte wie du, und wenn du mir eigen bist, so bin ich ja auch dein.

Solchen gewagten und arglistigen Reden hörte der Hirt wohl an, mit wem er es zu thun habe, und daß es der Teufel sey. Anfangs übernahm ihn die Angst, bald aber faßte er sich ein Herz, und er antwortete: Kamerad, das soll ein Wort seyn, was du da sagst, aber unter der Bedingung, daß der Damm vor dem ersten Hahnenrufe fix und fertig ist. Das sagte ihm der Teufel zu, und der Schäfer mußte nun auf Befehl des Teufels ein junges schwarzes Lamm schlachten. Von dem trank der Teufel das warme Blut auf. Währenddeß schlug die Thurmglocke in dem nahen Dorfe Mitternacht. Auf einmal erhob sich in dem Walde, der den See umgab, ein fürchterliches Brausen des Sturmes, und nun sah der Schäfer, wie der Teufel in dem Sturme hin und her flog, und die größten Eichen anpackte und aus der Erde riß, wie man Unkraut ausjätet, und sie in den See hineinwarf, eine neben der andern und übereinander, so daß sie sich zu einem breiten, hohen Damm zusammenfügten, der immer größer wurde, und dem anderen Ufer des Sees sich immer mehr näherte.

Der Schäfer, als er den Pakt einging, hatte in seinem Sinne gedacht, der Teufel werde in einer Nacht mit dem Damme unmöglich fertig werden. Als er aber jetzt

sich so, daß es fast Mitternacht wurde, wie er noch immer an dem See war. Als er nun wiederum seiner gewohnten Weise nach den Umweg verwünschte, den er nehmen mußte, da trat auf einmal ein Wandersmann an ihn heran, der hörte mit stillem Lachen seinen Klagen zu, und sagte dann: Da wäre zu helfen. Einen Damm durch den See baue ich dir wohl leicht, wenn dir so viel daran gelegen ist; du mußt mir nur versprechen, daß du dafür auf immer mein eigen seyn willst. Das kann dir ja nichts verschlagen, denn ich bin selbst nur ein einfältiger Hirte wie du, und wenn du mir eigen bist, so bin ich ja auch dein.

Solchen gewagten und arglistigen Reden hörte der Hirt wohl an, mit wem er es zu thun habe, und daß es der Teufel sey. Anfangs übernahm ihn die Angst, bald aber faßte er sich ein Herz, und er antwortete: Kamerad, das soll ein Wort seyn, was du da sagst, aber unter der Bedingung, daß der Damm vor dem ersten Hahnenrufe fix und fertig ist. Das sagte ihm der Teufel zu, und der Schäfer mußte nun auf Befehl des Teufels ein junges schwarzes Lamm schlachten. Von dem trank der Teufel das warme Blut auf. Währenddeß schlug die Thurmglocke in dem nahen Dorfe Mitternacht. Auf einmal erhob sich in dem Walde, der den See umgab, ein fürchterliches Brausen des Sturmes, und nun sah der Schäfer, wie der Teufel in dem Sturme hin und her flog, und die größten Eichen anpackte und aus der Erde riß, wie man Unkraut ausjätet, und sie in den See hineinwarf, eine neben der andern und übereinander, so daß sie sich zu einem breiten, hohen Damm zusammenfügten, der immer größer wurde, und dem anderen Ufer des Sees sich immer mehr näherte.

Der Schäfer, als er den Pakt einging, hatte in seinem Sinne gedacht, der Teufel werde in einer Nacht mit dem Damme unmöglich fertig werden. Als er aber jetzt

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sich so, daß es fast Mitternacht wurde, wie er noch immer an dem See war. Als er nun wiederum seiner gewohnten Weise nach den Umweg verwünschte, den er nehmen mußte, da trat auf einmal ein Wandersmann an ihn heran, der hörte mit stillem Lachen seinen Klagen zu, und sagte dann: Da wäre zu helfen. Einen Damm durch den See baue ich dir wohl leicht, wenn dir so viel daran gelegen ist; du mußt mir nur versprechen, daß du dafür auf immer mein eigen seyn willst. Das kann dir ja nichts verschlagen, denn ich bin selbst nur ein einfältiger Hirte wie du, und wenn du mir eigen bist, so bin ich ja auch dein.</p>
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[275/0307] sich so, daß es fast Mitternacht wurde, wie er noch immer an dem See war. Als er nun wiederum seiner gewohnten Weise nach den Umweg verwünschte, den er nehmen mußte, da trat auf einmal ein Wandersmann an ihn heran, der hörte mit stillem Lachen seinen Klagen zu, und sagte dann: Da wäre zu helfen. Einen Damm durch den See baue ich dir wohl leicht, wenn dir so viel daran gelegen ist; du mußt mir nur versprechen, daß du dafür auf immer mein eigen seyn willst. Das kann dir ja nichts verschlagen, denn ich bin selbst nur ein einfältiger Hirte wie du, und wenn du mir eigen bist, so bin ich ja auch dein. Solchen gewagten und arglistigen Reden hörte der Hirt wohl an, mit wem er es zu thun habe, und daß es der Teufel sey. Anfangs übernahm ihn die Angst, bald aber faßte er sich ein Herz, und er antwortete: Kamerad, das soll ein Wort seyn, was du da sagst, aber unter der Bedingung, daß der Damm vor dem ersten Hahnenrufe fix und fertig ist. Das sagte ihm der Teufel zu, und der Schäfer mußte nun auf Befehl des Teufels ein junges schwarzes Lamm schlachten. Von dem trank der Teufel das warme Blut auf. Währenddeß schlug die Thurmglocke in dem nahen Dorfe Mitternacht. Auf einmal erhob sich in dem Walde, der den See umgab, ein fürchterliches Brausen des Sturmes, und nun sah der Schäfer, wie der Teufel in dem Sturme hin und her flog, und die größten Eichen anpackte und aus der Erde riß, wie man Unkraut ausjätet, und sie in den See hineinwarf, eine neben der andern und übereinander, so daß sie sich zu einem breiten, hohen Damm zusammenfügten, der immer größer wurde, und dem anderen Ufer des Sees sich immer mehr näherte. Der Schäfer, als er den Pakt einging, hatte in seinem Sinne gedacht, der Teufel werde in einer Nacht mit dem Damme unmöglich fertig werden. Als er aber jetzt

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/307>, abgerufen am 16.06.2024.