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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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bald die Hochzeit seyn. Hierüber ärgerte sich sehr ein polnischer Prinz, der auch zu ihren Freiern gehörte, und weil er von tückischem, boshaftem Gemüthe war, so streute er glaubhaft unter die Leute aus, die Prinzessin führe ein unzüchtiges Leben und habe manche Nacht bei ihm zugebracht. Das wußte er so glaublich zu machen, daß Alle ihm traueten, und es reisete nun ein Freier nach dem andern fort, und auch der Prinz von Dänemark wollte nichts mehr von der Verlobung wissen. Die Geschichte kam zuletzt an den König, und er glaubte sie wie die Andern, und gerieth darüber so in Zorn, daß er die Prinzessin schlug und ihr Haar zerriß, und sie in einen finstern Thurm einsperren ließ, damit er sie nimmer wieder vor Augen bekäme.

In dem Thurme saß die Prinzessin wohl über drei Jahre, und sie grämte und mühete sich vergebens, wie sie ihrem Vater ihre Unschuld beweisen solle. Da fiel ihr zuletzt die Geschichte mit dem alten Heidenkönige ein, und wie derselbe erlöset werden könne. Dies soll nämlich geschehen können, wenn eine reine Jungfrau den Muth hat, in der Johannisnacht zwischen zwölf und ein Uhr nackt und einsam den Schloßwall an dem Garzer See zu ersteigen, und darauf rückwärts so lange hin und her zu gehen, bis sie gerade auf die Stelle trifft, unter der bei der Zerstörung des Schlosses die Thür und die Treppe zu der Schatzkammer des alten Königs verschüttet sind. Sie wird dann hinuntergleiten, aber ohne Schaden zu besorgen, und nun kann sie so viel Gold und Edelsteine nehmen, als sie tragen kann, und damit bei Sonnenaufgang wieder zurückgehen. Was sie nicht selbst tragen kann, wird ihr der alte König nachtragen, also daß sie zeitlebens Geld und Gut genug haben wird. Sie darf sich aber die ganze Zeit über kein einziges Mal umsehen, und sie darf kein einziges Wort sprechen, sonst gelingt es ihr nicht, und sie

bald die Hochzeit seyn. Hierüber ärgerte sich sehr ein polnischer Prinz, der auch zu ihren Freiern gehörte, und weil er von tückischem, boshaftem Gemüthe war, so streute er glaubhaft unter die Leute aus, die Prinzessin führe ein unzüchtiges Leben und habe manche Nacht bei ihm zugebracht. Das wußte er so glaublich zu machen, daß Alle ihm traueten, und es reisete nun ein Freier nach dem andern fort, und auch der Prinz von Dänemark wollte nichts mehr von der Verlobung wissen. Die Geschichte kam zuletzt an den König, und er glaubte sie wie die Andern, und gerieth darüber so in Zorn, daß er die Prinzessin schlug und ihr Haar zerriß, und sie in einen finstern Thurm einsperren ließ, damit er sie nimmer wieder vor Augen bekäme.

In dem Thurme saß die Prinzessin wohl über drei Jahre, und sie grämte und mühete sich vergebens, wie sie ihrem Vater ihre Unschuld beweisen solle. Da fiel ihr zuletzt die Geschichte mit dem alten Heidenkönige ein, und wie derselbe erlöset werden könne. Dies soll nämlich geschehen können, wenn eine reine Jungfrau den Muth hat, in der Johannisnacht zwischen zwölf und ein Uhr nackt und einsam den Schloßwall an dem Garzer See zu ersteigen, und darauf rückwärts so lange hin und her zu gehen, bis sie gerade auf die Stelle trifft, unter der bei der Zerstörung des Schlosses die Thür und die Treppe zu der Schatzkammer des alten Königs verschüttet sind. Sie wird dann hinuntergleiten, aber ohne Schaden zu besorgen, und nun kann sie so viel Gold und Edelsteine nehmen, als sie tragen kann, und damit bei Sonnenaufgang wieder zurückgehen. Was sie nicht selbst tragen kann, wird ihr der alte König nachtragen, also daß sie zeitlebens Geld und Gut genug haben wird. Sie darf sich aber die ganze Zeit über kein einziges Mal umsehen, und sie darf kein einziges Wort sprechen, sonst gelingt es ihr nicht, und sie

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bald die Hochzeit seyn. Hierüber ärgerte sich sehr ein polnischer Prinz, der auch zu ihren Freiern gehörte, und weil er von tückischem, boshaftem Gemüthe war, so streute er glaubhaft unter die Leute aus, die Prinzessin führe ein unzüchtiges Leben und habe manche Nacht bei ihm zugebracht. Das wußte er so glaublich zu machen, daß Alle ihm traueten, und es reisete nun ein Freier nach dem andern fort, und auch der Prinz von Dänemark wollte nichts mehr von der Verlobung wissen. Die Geschichte kam zuletzt an den König, und er glaubte sie wie die Andern, und gerieth darüber so in Zorn, daß er die Prinzessin schlug und ihr Haar zerriß, und sie in einen finstern Thurm einsperren ließ, damit er sie nimmer wieder vor Augen bekäme.</p>
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[245/0277] bald die Hochzeit seyn. Hierüber ärgerte sich sehr ein polnischer Prinz, der auch zu ihren Freiern gehörte, und weil er von tückischem, boshaftem Gemüthe war, so streute er glaubhaft unter die Leute aus, die Prinzessin führe ein unzüchtiges Leben und habe manche Nacht bei ihm zugebracht. Das wußte er so glaublich zu machen, daß Alle ihm traueten, und es reisete nun ein Freier nach dem andern fort, und auch der Prinz von Dänemark wollte nichts mehr von der Verlobung wissen. Die Geschichte kam zuletzt an den König, und er glaubte sie wie die Andern, und gerieth darüber so in Zorn, daß er die Prinzessin schlug und ihr Haar zerriß, und sie in einen finstern Thurm einsperren ließ, damit er sie nimmer wieder vor Augen bekäme. In dem Thurme saß die Prinzessin wohl über drei Jahre, und sie grämte und mühete sich vergebens, wie sie ihrem Vater ihre Unschuld beweisen solle. Da fiel ihr zuletzt die Geschichte mit dem alten Heidenkönige ein, und wie derselbe erlöset werden könne. Dies soll nämlich geschehen können, wenn eine reine Jungfrau den Muth hat, in der Johannisnacht zwischen zwölf und ein Uhr nackt und einsam den Schloßwall an dem Garzer See zu ersteigen, und darauf rückwärts so lange hin und her zu gehen, bis sie gerade auf die Stelle trifft, unter der bei der Zerstörung des Schlosses die Thür und die Treppe zu der Schatzkammer des alten Königs verschüttet sind. Sie wird dann hinuntergleiten, aber ohne Schaden zu besorgen, und nun kann sie so viel Gold und Edelsteine nehmen, als sie tragen kann, und damit bei Sonnenaufgang wieder zurückgehen. Was sie nicht selbst tragen kann, wird ihr der alte König nachtragen, also daß sie zeitlebens Geld und Gut genug haben wird. Sie darf sich aber die ganze Zeit über kein einziges Mal umsehen, und sie darf kein einziges Wort sprechen, sonst gelingt es ihr nicht, und sie

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/277>, abgerufen am 21.11.2024.