Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.122. Anklamer Schwinetrecker. Den schlimmsten Spottnamen haben die Anklamer erhalten. Der Herzog hatte einmal einen Brief an die Stadt geschrieben, worin er von dieser ein Paar Schwäne verlangte. Die Anklamer mochten aber nicht gut lesen können, und verstanden, sie sollten dem Herzoge ein Paar Schweine schicken. Sie suchten daher zwei dieser Thiere auf, so groß und wohlgemästet sie dieselben nur auftreiben konnten; die schickten sie dem Herzoge zu. Sie bekamen aber davon den Beinamen: "Schwinetrecker." Baltische Studien, III. Jahrg. I. H. S. 236. 123. Cösliner Sacksöfers. Die Einwohner der Stadt Cöslin haben in früheren Zeiten mehrere Spitznamen gehabt. So sagte man eine Zeitlang: Horsa Cöslin! weil sie einmal gegen ihren Landesherrn, Bogislav X., zwar einen muthigen, aber unbesonnenen Angriff gemacht hatten. Dann schimpfte man sie wieder Musum Cöslin! oder Mus Cöslin, weil ihr Bürgermeister Heidenreich ihnen den Rathsschatz mausete, und damit nach Lübeck entwich, der Lübecker Rath aber den Schatz in Beschlag genommen und davon einen festen Thurm gebaut hat, den man dort Musum Cöslin genannt. Zuletzt gab man ihnen den Spottnamen: Sacksöfers, den sie behalten haben; denn zur Zeit der Reformation lebte in Cöslin ein katholischer Barbier, der hatte eines Tages etwas zu viel getrunken und drängte sich nun, um den Gottesdienst zu stören, mit einem Glase Branntewein in der Hand, und mit einer quakenden Ente unter dem Arm, in die Kirche hinein. Darüber geriethen die Cösliner so in Eifer, daß sie ihn in einen Sack näheten, und so lebendig 122. Anklamer Schwinetrecker. Den schlimmsten Spottnamen haben die Anklamer erhalten. Der Herzog hatte einmal einen Brief an die Stadt geschrieben, worin er von dieser ein Paar Schwäne verlangte. Die Anklamer mochten aber nicht gut lesen können, und verstanden, sie sollten dem Herzoge ein Paar Schweine schicken. Sie suchten daher zwei dieser Thiere auf, so groß und wohlgemästet sie dieselben nur auftreiben konnten; die schickten sie dem Herzoge zu. Sie bekamen aber davon den Beinamen: „Schwinetrecker.“ Baltische Studien, III. Jahrg. I. H. S. 236. 123. Cösliner Sacksöfers. Die Einwohner der Stadt Cöslin haben in früheren Zeiten mehrere Spitznamen gehabt. So sagte man eine Zeitlang: Horsa Cöslin! weil sie einmal gegen ihren Landesherrn, Bogislav X., zwar einen muthigen, aber unbesonnenen Angriff gemacht hatten. Dann schimpfte man sie wieder Musum Cöslin! oder Mus Cöslin, weil ihr Bürgermeister Heidenreich ihnen den Rathsschatz mausete, und damit nach Lübeck entwich, der Lübecker Rath aber den Schatz in Beschlag genommen und davon einen festen Thurm gebaut hat, den man dort Musum Cöslin genannt. Zuletzt gab man ihnen den Spottnamen: Sacksöfers, den sie behalten haben; denn zur Zeit der Reformation lebte in Cöslin ein katholischer Barbier, der hatte eines Tages etwas zu viel getrunken und drängte sich nun, um den Gottesdienst zu stören, mit einem Glase Branntewein in der Hand, und mit einer quakenden Ente unter dem Arm, in die Kirche hinein. Darüber geriethen die Cösliner so in Eifer, daß sie ihn in einen Sack näheten, und so lebendig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0195" n="163"/> <div n="2"> <head>122. Anklamer Schwinetrecker.</head><lb/> <p>Den schlimmsten Spottnamen haben die Anklamer erhalten. Der Herzog hatte einmal einen Brief an die Stadt geschrieben, worin er von dieser ein Paar Schwäne verlangte. Die Anklamer mochten aber nicht gut lesen können, und verstanden, sie sollten dem Herzoge ein Paar Schweine schicken. Sie suchten daher zwei dieser Thiere auf, so groß und wohlgemästet sie dieselben nur auftreiben konnten; die schickten sie dem Herzoge zu. Sie bekamen aber davon den Beinamen: „Schwinetrecker.“</p> <listBibl> <bibl>Baltische Studien, III. Jahrg. I. H. S. 236.</bibl><lb/> </listBibl> </div> <div n="2"> <head>123. Cösliner Sacksöfers.</head><lb/> <p>Die Einwohner der Stadt Cöslin haben in früheren Zeiten mehrere Spitznamen gehabt. So sagte man eine Zeitlang: Horsa Cöslin! weil sie einmal gegen ihren Landesherrn, Bogislav X., zwar einen muthigen, aber unbesonnenen Angriff gemacht hatten. Dann schimpfte man sie wieder Musum Cöslin! oder Mus Cöslin, weil ihr Bürgermeister Heidenreich ihnen den Rathsschatz mausete, und damit nach Lübeck entwich, der Lübecker Rath aber den Schatz in Beschlag genommen und davon einen festen Thurm gebaut hat, den man dort Musum Cöslin genannt. Zuletzt gab man ihnen den Spottnamen: Sacksöfers, den sie behalten haben; denn zur Zeit der Reformation lebte in Cöslin ein katholischer Barbier, der hatte eines Tages etwas zu viel getrunken und drängte sich nun, um den Gottesdienst zu stören, mit einem Glase Branntewein in der Hand, und mit einer quakenden Ente unter dem Arm, in die Kirche hinein. Darüber geriethen die Cösliner so in Eifer, daß sie ihn in einen Sack näheten, und so lebendig </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [163/0195]
122. Anklamer Schwinetrecker.
Den schlimmsten Spottnamen haben die Anklamer erhalten. Der Herzog hatte einmal einen Brief an die Stadt geschrieben, worin er von dieser ein Paar Schwäne verlangte. Die Anklamer mochten aber nicht gut lesen können, und verstanden, sie sollten dem Herzoge ein Paar Schweine schicken. Sie suchten daher zwei dieser Thiere auf, so groß und wohlgemästet sie dieselben nur auftreiben konnten; die schickten sie dem Herzoge zu. Sie bekamen aber davon den Beinamen: „Schwinetrecker.“
Baltische Studien, III. Jahrg. I. H. S. 236.
123. Cösliner Sacksöfers.
Die Einwohner der Stadt Cöslin haben in früheren Zeiten mehrere Spitznamen gehabt. So sagte man eine Zeitlang: Horsa Cöslin! weil sie einmal gegen ihren Landesherrn, Bogislav X., zwar einen muthigen, aber unbesonnenen Angriff gemacht hatten. Dann schimpfte man sie wieder Musum Cöslin! oder Mus Cöslin, weil ihr Bürgermeister Heidenreich ihnen den Rathsschatz mausete, und damit nach Lübeck entwich, der Lübecker Rath aber den Schatz in Beschlag genommen und davon einen festen Thurm gebaut hat, den man dort Musum Cöslin genannt. Zuletzt gab man ihnen den Spottnamen: Sacksöfers, den sie behalten haben; denn zur Zeit der Reformation lebte in Cöslin ein katholischer Barbier, der hatte eines Tages etwas zu viel getrunken und drängte sich nun, um den Gottesdienst zu stören, mit einem Glase Branntewein in der Hand, und mit einer quakenden Ente unter dem Arm, in die Kirche hinein. Darüber geriethen die Cösliner so in Eifer, daß sie ihn in einen Sack näheten, und so lebendig
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