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Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 4. Frankfurt (Main), 1776.

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welche von vorigen unterschieden.

Die, welche sich bey Leibes-Leben für heilig
gehalten haben, sind auf der untern Erde vor
dem linken Fuß: Daselbst kommt es ihnen
vor, daß sie zuweilen im Gesicht leuchten, wel-
ches aus den Jdeen ihrer Heiligkeit herkommt,
es laufft aber bey ihnen so ab, daß sie allda in
der größten Begierde gelassen werden, in den
Himmel aufzusteigen, welchen sie meynen in
der Höhe zu seyn: ihre Begierde wird grösser,
und schlägt je länger je mehr in eine Aengst-
lichkeit aus, welche unermeßlich zunimmt, biß
sie erkennen, daß sie keine Heilige sind: Wenn
sie da heraus kommen, können sie einen Ge-
stank von sich empfinden, welcher beschwerlich
ist.

Ein gewisser hat auf der Welt geglaubt, er
habe heilig gelebt, aus der Ursache, daß er von
den Leuten für heilig gehalten würde, und also
den Himmel verdienete; Er sagte, er habe ein
frommes Leben geführt, fleißig gebetet, und
meynete, es sey genug, daß ein jeder auf sich se-
he, und auf seinen Nutzen bedacht sey; er sag-
te auch, daß er ein Sünder gewesen, und daß
er habe leiden wollen, so gar, daß er sich von
andern unter den Füssen treten ließ, welches
er die christliche Gedult nennete, und daß er der
Kleinste seyn wollte, damit er der Gröste in
dem Himmel würde. Als er examinirt wur-
de, ob er auch einem etwas Gutes oder Werke
der Liebe gethan habe, oder habe thun wollen,
sagte er, er wisse nicht, was sie sagen, sondern

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welche von vorigen unterſchieden.

Die, welche ſich bey Leibes-Leben fuͤr heilig
gehalten haben, ſind auf der untern Erde vor
dem linken Fuß: Daſelbſt kommt es ihnen
vor, daß ſie zuweilen im Geſicht leuchten, wel-
ches aus den Jdeen ihrer Heiligkeit herkommt,
es laufft aber bey ihnen ſo ab, daß ſie allda in
der groͤßten Begierde gelaſſen werden, in den
Himmel aufzuſteigen, welchen ſie meynen in
der Hoͤhe zu ſeyn: ihre Begierde wird groͤſſer,
und ſchlaͤgt je laͤnger je mehr in eine Aengſt-
lichkeit aus, welche unermeßlich zunimmt, biß
ſie erkennen, daß ſie keine Heilige ſind: Wenn
ſie da heraus kommen, koͤnnen ſie einen Ge-
ſtank von ſich empfinden, welcher beſchwerlich
iſt.

Ein gewiſſer hat auf der Welt geglaubt, er
habe heilig gelebt, aus der Urſache, daß er von
den Leuten fuͤr heilig gehalten wuͤrde, und alſo
den Himmel verdienete; Er ſagte, er habe ein
frommes Leben gefuͤhrt, fleißig gebetet, und
meynete, es ſey genug, daß ein jeder auf ſich ſe-
he, und auf ſeinen Nutzen bedacht ſey; er ſag-
te auch, daß er ein Suͤnder geweſen, und daß
er habe leiden wollen, ſo gar, daß er ſich von
andern unter den Fuͤſſen treten ließ, welches
er die chriſtliche Gedult nennete, und daß er der
Kleinſte ſeyn wollte, damit er der Groͤſte in
dem Himmel wuͤrde. Als er examinirt wur-
de, ob er auch einem etwas Gutes oder Werke
der Liebe gethan habe, oder habe thun wollen,
ſagte er, er wiſſe nicht, was ſie ſagen, ſondern

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[179/0179] welche von vorigen unterſchieden. Die, welche ſich bey Leibes-Leben fuͤr heilig gehalten haben, ſind auf der untern Erde vor dem linken Fuß: Daſelbſt kommt es ihnen vor, daß ſie zuweilen im Geſicht leuchten, wel- ches aus den Jdeen ihrer Heiligkeit herkommt, es laufft aber bey ihnen ſo ab, daß ſie allda in der groͤßten Begierde gelaſſen werden, in den Himmel aufzuſteigen, welchen ſie meynen in der Hoͤhe zu ſeyn: ihre Begierde wird groͤſſer, und ſchlaͤgt je laͤnger je mehr in eine Aengſt- lichkeit aus, welche unermeßlich zunimmt, biß ſie erkennen, daß ſie keine Heilige ſind: Wenn ſie da heraus kommen, koͤnnen ſie einen Ge- ſtank von ſich empfinden, welcher beſchwerlich iſt. Ein gewiſſer hat auf der Welt geglaubt, er habe heilig gelebt, aus der Urſache, daß er von den Leuten fuͤr heilig gehalten wuͤrde, und alſo den Himmel verdienete; Er ſagte, er habe ein frommes Leben gefuͤhrt, fleißig gebetet, und meynete, es ſey genug, daß ein jeder auf ſich ſe- he, und auf ſeinen Nutzen bedacht ſey; er ſag- te auch, daß er ein Suͤnder geweſen, und daß er habe leiden wollen, ſo gar, daß er ſich von andern unter den Fuͤſſen treten ließ, welches er die chriſtliche Gedult nennete, und daß er der Kleinſte ſeyn wollte, damit er der Groͤſte in dem Himmel wuͤrde. Als er examinirt wur- de, ob er auch einem etwas Gutes oder Werke der Liebe gethan habe, oder habe thun wollen, ſagte er, er wiſſe nicht, was ſie ſagen, ſondern nur M 2

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Zitationshilfe: Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 4. Frankfurt (Main), 1776, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/swedenborg_schriften04_1776/179>, abgerufen am 30.04.2024.