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Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749.

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Viertes Buch.
So aber ist sie nun verschwunden,
Und euch und mir zugleich entrückt;
Wir stehen allerseits gebückt:
Ein jeder fühlet seine Wunden,
Die Rechnung überzieht ein Strich,
Doch wer verliehret mehr als ich?
Jedoch verzeiht, ihr lieben Leute!
Wenn euch mein Klagen unrecht scheint,
Jch weiß, ihr habt es gut gemeynt;
Die Wehmuth übermannt mich heute,
Sie sollte wohl versorget seyn,
Wie schön trifft euer Wunsch nicht ein?
Bey mir war nur ein treu Gesinnen,
Ein redlich Herz, zufriedner Muth,
Darinn bestund mein Haab und Guth,
Und mit ihr wollt ich nichts gewinnen,
Sobald sie mir soviel vermacht,
Als ich ihr selber zugebracht.
Die Tage wären uns verschwunden,
Wie es bey Neuverliebten pflegt,
Wenn wir viel Jahre weggelegt,
Wo wir uns beyderseits befunden;
Weil Liebe, wenn sie so sich schaut,
Jn Hütten auch ein Eden baut.
Einander hätten wir getragen;
Jch hätte, wie ein holder Mann,
Recht sanft, recht schön mit ihr gethan,
Und wenn nach graugewordnen Tagen
Mich
Viertes Buch.
So aber iſt ſie nun verſchwunden,
Und euch und mir zugleich entruͤckt;
Wir ſtehen allerſeits gebuͤckt:
Ein jeder fuͤhlet ſeine Wunden,
Die Rechnung uͤberzieht ein Strich,
Doch wer verliehret mehr als ich?
Jedoch verzeiht, ihr lieben Leute!
Wenn euch mein Klagen unrecht ſcheint,
Jch weiß, ihr habt es gut gemeynt;
Die Wehmuth uͤbermannt mich heute,
Sie ſollte wohl verſorget ſeyn,
Wie ſchoͤn trifft euer Wunſch nicht ein?
Bey mir war nur ein treu Geſinnen,
Ein redlich Herz, zufriedner Muth,
Darinn beſtund mein Haab und Guth,
Und mit ihr wollt ich nichts gewinnen,
Sobald ſie mir ſoviel vermacht,
Als ich ihr ſelber zugebracht.
Die Tage waͤren uns verſchwunden,
Wie es bey Neuverliebten pflegt,
Wenn wir viel Jahre weggelegt,
Wo wir uns beyderſeits befunden;
Weil Liebe, wenn ſie ſo ſich ſchaut,
Jn Huͤtten auch ein Eden baut.
Einander haͤtten wir getragen;
Jch haͤtte, wie ein holder Mann,
Recht ſanft, recht ſchoͤn mit ihr gethan,
Und wenn nach graugewordnen Tagen
Mich
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[278/0298] Viertes Buch. So aber iſt ſie nun verſchwunden, Und euch und mir zugleich entruͤckt; Wir ſtehen allerſeits gebuͤckt: Ein jeder fuͤhlet ſeine Wunden, Die Rechnung uͤberzieht ein Strich, Doch wer verliehret mehr als ich? Jedoch verzeiht, ihr lieben Leute! Wenn euch mein Klagen unrecht ſcheint, Jch weiß, ihr habt es gut gemeynt; Die Wehmuth uͤbermannt mich heute, Sie ſollte wohl verſorget ſeyn, Wie ſchoͤn trifft euer Wunſch nicht ein? Bey mir war nur ein treu Geſinnen, Ein redlich Herz, zufriedner Muth, Darinn beſtund mein Haab und Guth, Und mit ihr wollt ich nichts gewinnen, Sobald ſie mir ſoviel vermacht, Als ich ihr ſelber zugebracht. Die Tage waͤren uns verſchwunden, Wie es bey Neuverliebten pflegt, Wenn wir viel Jahre weggelegt, Wo wir uns beyderſeits befunden; Weil Liebe, wenn ſie ſo ſich ſchaut, Jn Huͤtten auch ein Eden baut. Einander haͤtten wir getragen; Jch haͤtte, wie ein holder Mann, Recht ſanft, recht ſchoͤn mit ihr gethan, Und wenn nach graugewordnen Tagen Mich

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Zitationshilfe: Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/298>, abgerufen am 07.05.2024.