Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorrede.

Da in den neuern Zeiten durch Hül-
fe der Sehekunst ganz neue Welten bis-
hero unsichtbarer Creaturen entdecket,
und dadurch die allerkleinesten Körper
mit neuen Einwohnern bevölkert wor-
den; warum sollte denn eine neue Kraft
der Einbildung nicht gleiche Wunder
thun, und Welten erfinden können, de-
ren Einwohner sie uns in ihren Reden
und Handlungen mit Bewunderung und
Beyfall sehen lässet? Wenigstens die
Poesie lässet sich in die wirkliche Welt
nicht allein einschränken, wenn sie die
Menschen mit Belustigung erbauen will,
welches schon zureichend seyn kann, die
Gedichte aus der Möglichen Welt zu
rechtfertigen.

Jch nenne aber Gedichte aus der
Möglichen Welt wahrscheinliche Reden
und Handlungen poetischer Wesen. Denn
da man so viel als möglich ist, durch das
mannigfaltige in den Werken des Wi-
tzes das Schöne zu erhalten suchen muß,

so
4
Vorrede.

Da in den neuern Zeiten durch Huͤl-
fe der Sehekunſt ganz neue Welten bis-
hero unſichtbarer Creaturen entdecket,
und dadurch die allerkleineſten Koͤrper
mit neuen Einwohnern bevoͤlkert wor-
den; warum ſollte denn eine neue Kraft
der Einbildung nicht gleiche Wunder
thun, und Welten erfinden koͤnnen, de-
ren Einwohner ſie uns in ihren Reden
und Handlungen mit Bewunderung und
Beyfall ſehen laͤſſet? Wenigſtens die
Poeſie laͤſſet ſich in die wirkliche Welt
nicht allein einſchraͤnken, wenn ſie die
Menſchen mit Beluſtigung erbauen will,
welches ſchon zureichend ſeyn kann, die
Gedichte aus der Moͤglichen Welt zu
rechtfertigen.

Jch nenne aber Gedichte aus der
Moͤglichen Welt wahrſcheinliche Reden
und Handlungen poetiſcher Weſen. Denn
da man ſo viel als moͤglich iſt, durch das
mannigfaltige in den Werken des Wi-
tzes das Schoͤne zu erhalten ſuchen muß,

ſo
4
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <pb facs="#f0011"/>
        <fw place="top" type="header">Vorrede.</fw><lb/>
        <p>Da in den neuern Zeiten durch Hu&#x0364;l-<lb/>
fe der Sehekun&#x017F;t ganz neue Welten bis-<lb/>
hero un&#x017F;ichtbarer Creaturen entdecket,<lb/>
und dadurch die allerkleine&#x017F;ten Ko&#x0364;rper<lb/>
mit neuen Einwohnern bevo&#x0364;lkert wor-<lb/>
den; warum &#x017F;ollte denn eine neue Kraft<lb/>
der Einbildung nicht gleiche Wunder<lb/>
thun, und Welten erfinden ko&#x0364;nnen, de-<lb/>
ren Einwohner &#x017F;ie uns in ihren Reden<lb/>
und Handlungen mit Bewunderung und<lb/>
Beyfall &#x017F;ehen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et? Wenig&#x017F;tens die<lb/>
Poe&#x017F;ie la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich in die wirkliche Welt<lb/>
nicht allein ein&#x017F;chra&#x0364;nken, wenn &#x017F;ie die<lb/>
Men&#x017F;chen mit Belu&#x017F;tigung erbauen will,<lb/>
welches &#x017F;chon zureichend &#x017F;eyn kann, die<lb/>
Gedichte aus der Mo&#x0364;glichen Welt zu<lb/>
rechtfertigen.</p><lb/>
        <p>Jch nenne aber Gedichte aus der<lb/>
Mo&#x0364;glichen Welt wahr&#x017F;cheinliche Reden<lb/>
und Handlungen poeti&#x017F;cher We&#x017F;en. Denn<lb/>
da man &#x017F;o viel als mo&#x0364;glich i&#x017F;t, durch das<lb/>
mannigfaltige in den Werken des Wi-<lb/>
tzes das Scho&#x0364;ne zu erhalten &#x017F;uchen muß,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0011] Vorrede. Da in den neuern Zeiten durch Huͤl- fe der Sehekunſt ganz neue Welten bis- hero unſichtbarer Creaturen entdecket, und dadurch die allerkleineſten Koͤrper mit neuen Einwohnern bevoͤlkert wor- den; warum ſollte denn eine neue Kraft der Einbildung nicht gleiche Wunder thun, und Welten erfinden koͤnnen, de- ren Einwohner ſie uns in ihren Reden und Handlungen mit Bewunderung und Beyfall ſehen laͤſſet? Wenigſtens die Poeſie laͤſſet ſich in die wirkliche Welt nicht allein einſchraͤnken, wenn ſie die Menſchen mit Beluſtigung erbauen will, welches ſchon zureichend ſeyn kann, die Gedichte aus der Moͤglichen Welt zu rechtfertigen. Jch nenne aber Gedichte aus der Moͤglichen Welt wahrſcheinliche Reden und Handlungen poetiſcher Weſen. Denn da man ſo viel als moͤglich iſt, durch das mannigfaltige in den Werken des Wi- tzes das Schoͤne zu erhalten ſuchen muß, ſo 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/11
Zitationshilfe: Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/11>, abgerufen am 16.04.2024.