Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.[Spaltenumbruch] Zei meines Erachtens den zeichnenden Künsten nicht ei-gen, und muß von dem Zeichner nicht weiter aus- gedähnt werden, als von jedem andern Künstler. Der Dichter muß alles schön, wolklingend und nach- drüklich, oder auf sonst eine Art mit ästhetischer Kraft vortragen; der Tonsezer muß immer Harmo- nie und Rhythmus beobachten, und der Mahler, auch da, wo weder Farbe noch Ton die angenehm- sten sind, ihnen Harmonie geben. Wollte man je- nen Grundsaz so verstehen, daß im Zeichnen alles Un- angenehme der Formen zu vermeiden sey, so würd er zu weit führen. Raphael, der größte Zeichner unter den Neuern, hat gar ofte wiedrige Formen, weil sie zu seinem Jnhalt nöthig waren. Aber auch solche Gegenstände müssen in ihrer Art nach guten Verhältnissen, mit fließenden leichten Umrissen, mit Geist und Leben, gezeichnet seyn. Wie in Gemähl- den die Zeichnung die Hauptsach ist, so ist in der Zeichnung der Geist und das Leben das vornehmste. Richtigkeit befriediget; Anmuthigkeit und Schön- heit gefallen; aber das Leben, der mit den wenig- sten wesentlichen Strichen fühlbare Charakter jedes Gegenstandes, rührt auf das Lebhafteste. Ueber diesen höchst wichtigen Punkt der Zeichnung Zeichnung; Handzeichnung. (Zeichnende Künste.) Jst ein mehr oder weniger ausgeführter Entwurf Sie sind in Ansehung der Ausarbeitung von ver- Zei mensezung und Anordnung seines Werks, die er ineinem glüklichen Augenblik erfunden, versichern will. Jn andern ist die Zeichnung schon mehr aus- geführt, auch wol bereits Licht und Schatten, oder wol gar die Hauptfarben, angezeiget. Die Handzeichnungen großer Meister, werden Zeiten; Taktzeiten. (Musik.) Sind die Theile, in welche der Takt eines Tonstüks Die Hauptzeiten sind die, auf deren jede eine Diese Zeiten sind, wie die Sylben der Wörter lang tiger (*) S.
Takt. [Spaltenumbruch] Zei meines Erachtens den zeichnenden Kuͤnſten nicht ei-gen, und muß von dem Zeichner nicht weiter aus- gedaͤhnt werden, als von jedem andern Kuͤnſtler. Der Dichter muß alles ſchoͤn, wolklingend und nach- druͤklich, oder auf ſonſt eine Art mit aͤſthetiſcher Kraft vortragen; der Tonſezer muß immer Harmo- nie und Rhythmus beobachten, und der Mahler, auch da, wo weder Farbe noch Ton die angenehm- ſten ſind, ihnen Harmonie geben. Wollte man je- nen Grundſaz ſo verſtehen, daß im Zeichnen alles Un- angenehme der Formen zu vermeiden ſey, ſo wuͤrd er zu weit fuͤhren. Raphael, der groͤßte Zeichner unter den Neuern, hat gar ofte wiedrige Formen, weil ſie zu ſeinem Jnhalt noͤthig waren. Aber auch ſolche Gegenſtaͤnde muͤſſen in ihrer Art nach guten Verhaͤltniſſen, mit fließenden leichten Umriſſen, mit Geiſt und Leben, gezeichnet ſeyn. Wie in Gemaͤhl- den die Zeichnung die Hauptſach iſt, ſo iſt in der Zeichnung der Geiſt und das Leben das vornehmſte. Richtigkeit befriediget; Anmuthigkeit und Schoͤn- heit gefallen; aber das Leben, der mit den wenig- ſten weſentlichen Strichen fuͤhlbare Charakter jedes Gegenſtandes, ruͤhrt auf das Lebhafteſte. Ueber dieſen hoͤchſt wichtigen Punkt der Zeichnung Zeichnung; Handzeichnung. (Zeichnende Kuͤnſte.) Jſt ein mehr oder weniger ausgefuͤhrter Entwurf Sie ſind in Anſehung der Ausarbeitung von ver- Zei menſezung und Anordnung ſeines Werks, die er ineinem gluͤklichen Augenblik erfunden, verſichern will. Jn andern iſt die Zeichnung ſchon mehr aus- gefuͤhrt, auch wol bereits Licht und Schatten, oder wol gar die Hauptfarben, angezeiget. Die Handzeichnungen großer Meiſter, werden Zeiten; Taktzeiten. (Muſik.) Sind die Theile, in welche der Takt eines Tonſtuͤks Die Hauptzeiten ſind die, auf deren jede eine Dieſe Zeiten ſind, wie die Sylben der Woͤrter lang tiger (*) S.
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Zei
Zei
meines Erachtens den zeichnenden Kuͤnſten nicht ei-
gen, und muß von dem Zeichner nicht weiter aus-
gedaͤhnt werden, als von jedem andern Kuͤnſtler.
Der Dichter muß alles ſchoͤn, wolklingend und nach-
druͤklich, oder auf ſonſt eine Art mit aͤſthetiſcher
Kraft vortragen; der Tonſezer muß immer Harmo-
nie und Rhythmus beobachten, und der Mahler,
auch da, wo weder Farbe noch Ton die angenehm-
ſten ſind, ihnen Harmonie geben. Wollte man je-
nen Grundſaz ſo verſtehen, daß im Zeichnen alles Un-
angenehme der Formen zu vermeiden ſey, ſo wuͤrd
er zu weit fuͤhren. Raphael, der groͤßte Zeichner
unter den Neuern, hat gar ofte wiedrige Formen,
weil ſie zu ſeinem Jnhalt noͤthig waren. Aber auch
ſolche Gegenſtaͤnde muͤſſen in ihrer Art nach guten
Verhaͤltniſſen, mit fließenden leichten Umriſſen, mit
Geiſt und Leben, gezeichnet ſeyn. Wie in Gemaͤhl-
den die Zeichnung die Hauptſach iſt, ſo iſt in der
Zeichnung der Geiſt und das Leben das vornehmſte.
Richtigkeit befriediget; Anmuthigkeit und Schoͤn-
heit gefallen; aber das Leben, der mit den wenig-
ſten weſentlichen Strichen fuͤhlbare Charakter jedes
Gegenſtandes, ruͤhrt auf das Lebhafteſte.
Ueber dieſen hoͤchſt wichtigen Punkt der Zeichnung
giebt Mengs in dem angefuͤhrten Werke den rich-
tigſten und beſtimmteſten Unterricht. Jeder Zeich-
ner ſollte dieſes fuͤrtreflichen Mannes Anmerkungen
hieruͤber, als die aͤchten Glaubensartikel ſeiner
Kunſt taͤglich vor Augen haben. Da wir zu dem, was
er uͤber den Geſchmak und die Schoͤnheit der Zeich-
nung ſagt, nichts hinzuzuſezen finden, ſo begnuͤgen
wir uns den Kuͤnſtler blos dahin zu verweiſen.
Zeichnung; Handzeichnung.
(Zeichnende Kuͤnſte.)
Jſt ein mehr oder weniger ausgefuͤhrter Entwurf
eines Werks der zeichnenden Kuͤnſte, auf Papier
mit der Feder, oder einem andern Stift gezeichnet,
auch bisweilen mit Licht und Schatten etwas mehr
ausgefuͤhrt. Dergleichen Zeichnungen werden von
den Kuͤnſtlern gemacht, entweder blos um ſich zu
uͤben, oder um Gedanken und Erfindungen, die ſie
haben, zum kuͤnftigen Gebrauch zu entwerfen.
Sie ſind in Anſehung der Ausarbeitung von ver-
ſchiedener Art. Einige enthalten blos den allgemei-
nen Entwurff einer Erfindung, mit großer Fluͤchtig-
keit gemacht, und dadurch der Kuͤnſtler ſich entwe-
der der Zeichnung ſeiner Formen, oder der Zuſam-
menſezung und Anordnung ſeines Werks, die er in
einem gluͤklichen Augenblik erfunden, verſichern
will. Jn andern iſt die Zeichnung ſchon mehr aus-
gefuͤhrt, auch wol bereits Licht und Schatten, oder
wol gar die Hauptfarben, angezeiget.
Die Handzeichnungen großer Meiſter, werden
von Kennern und Kuͤnſtlern ſehr hochgeſchaͤzt, und
nicht ſelten zum Studium der Kunſt, den nach die-
ſen Zeichnungen vollendeten Werken ſelbſt vorgezo-
gen. Denn da ſie insgemein in dem vollem Feuer
der Begeiſterung verfertiget werden, dem wahren
Zeitpunkt, da der Kuͤnſtler mit der groͤßten Lebhaf-
tigkeit fuͤhlt, und am gluͤklichſten arbeitet; ſo iſt
auch das groͤßte Feuer und Leben darin.
Zeiten; Taktzeiten.
(Muſik.)
Sind die Theile, in welche der Takt eines Tonſtuͤks
eingetheilt wird. Jn den einfachen Taktarten, als
[FORMEL], [FORMEL], [FORMEL], und [FORMEL], ¾, ⅜, zaͤhlt man zwey, vier,
oder drey Hauptzeiten, oder Taktſchlaͤge; in zuſam-
mengeſezten Taktarten aber muß man außer dieſen
Hauptſchlaͤgen, oder Hauptzeiten, noch die kleinern
Zeiten unterſcheiden, deren drey oder vier eine Haupt-
zeit ausmachen. So ſind im Sechsviertel- und
Sechsachteltakt zwey Hauptzeiten zu unterſcheiden,
deren jede wieder in drey kleinere Zeiten abgetheilt
wird; im [FORMEL] Takte ſind vier Hauptzeiten, deren
jede wieder in drey kleinere getheilt wird. Jm [FORMEL]
und [FORMEL] Takt ſind drey Hauptzeiten, deren jede drey
kleinere begreift.
Die Hauptzeiten ſind die, auf deren jede eine
beſondere Harmonie angeſchlagen werden muß, die
entweder eben die ſeyn kann, die ſchon in der vor-
hergehenden Zeit gehoͤrt worden iſt, oder eine neue.
Wo durchgehende Toͤne vorkommen, entſtehen noch
kleinere Takttheile, die aber nicht mehr fuͤr Zeiten
gerechnet werden.
Dieſe Zeiten ſind, wie die Sylben der Woͤrter lang
oder kurz; das iſt, einige werden durch den Nach-
druk des Vortrages ſchweer, andre durch leichten
Vortrag leicht. Man nennt die ſchweeren Zeiten
auch gute, die leichten, ſchlechte Zeiten. Von der
genauen Beobachtung des ſchweeren und leichten der
verſchiedenen Taktzeiten haͤngt der Charakter und
Geiſt der Melodie hauptſaͤchlich ab, wie anderswo
ausfuͤhrlicher gezeiget worden. (*) Nichts iſt des-
wegen ſo wol beym Saz, als beym Vortrag wich-
tiger
(*) S.
Takt.
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