leitern fehlet, dagegen nicht in Vergleichung zu zie- hen sind. Die Molltonleiter hat zwar im Aufstei- gen durch die große Sexte und Septime des Grund- tones abgeändert werden müssen; aber auch dieses ist zur Vollkommenheit der weichen Tonart gediehen. Ueberdies sind die Töne beyder Tonleitern von der Beschaffenheit, daß aus ihnen zu jedem Gesange der harten oder der weichen Tonart die vollkom- menste harmonische Begleitung zusammengesezt wer- den kann, welches in den übrigen alten Tonarten wegen der Unvollkommenheit ihrer Tonleitern auch nicht angeht.
Wäre das chromatische und enharmonische Ge- schlecht in unser System eingeführet oder einzufüh- ren möglich, so würden wir auch chromatische und enharmonische Tonleitern haben. So lange aber alle Töne unseres Systems blos zur Vollkommen- heit des diatonischen Geschlechts da sind, und alles was würklich chromatisch und enharmonisch in un- serer Musik vorkommen kann, blos aus einzelnen Fortschreitungen der Melodie oder Rükungen der Harmonie besteht, wodurch noch lange kein eigenes Klanggeschlecht hervorgebracht wird, sind alle die verschiedenen Tonleitern von 17 bis 29 und meh- reren Tönen, die so unrichtig mit diesen Namen be- legt, und oft so weitläuftig zergliedert und unterab- getheilt werden, blos chromatisch und enharmonisch in der Einbildung, weil sie im Grunde aus mehre- ren diatonischen Tonleitern zusammengeschoben, und übrigens an und für sich von gar keinem Nuzen und Gebrauch in unserer Musik sind. (*)
Wir zeigen demnach nur die vier und zwanzig diatonische Tonleitern nach den zwölf harten und den zwölf weichen Tonarten, mit den Verhältnissen ihrer Jntervallen von dem Grundton, an, da es un- streitig ist, daß die Verschiedenheit der Reinigkeit der Jntervallen in jeder Tonleiter auch eine Verschieden- heit in dem Ausdruk bewürken müsse, daß folglich ein Ton vor dem andern, der zur Tonica eines Stüks gemacht wird, mit Rüksicht auf den beson- dern Ausdruk der Moll- oder Durtonart, zu diesem oder jenem Ausdruk am schiklichsten seyn müsse. Wir [Spaltenumbruch]
Ton
beziehen uns auf das, was hierüber im Artikel Ton gesagt worden.
[Tabelle]
[Tabelle]
(+) (++)
(*) S. Chroma- tisch, En- harmonisch Diatonisch, System.
(+) Man hat in dieser Tabelle, um das Verhältniß des A von C desto leichter zu übersehen, weder noch sondern an deren statt 3/5 gesezt, da der Unterschied dersel- ben nur ein halbes Comma beyträgt.
(++) Da die Molitonleiter im Aufsteigen außer der [Spaltenumbruch]
Terz, und der Sexte und Septime im Absteigen die näm, lichen Töne und Jntervallen der Durtonleiter hat, so hat man der Kürze und Deutlichkeit wegen, nur die Verhält- nisse der kleinen Terz, Sexte und Septime angezeiget.
[Spaltenumbruch]
Ton
leitern fehlet, dagegen nicht in Vergleichung zu zie- hen ſind. Die Molltonleiter hat zwar im Aufſtei- gen durch die große Sexte und Septime des Grund- tones abgeaͤndert werden muͤſſen; aber auch dieſes iſt zur Vollkommenheit der weichen Tonart gediehen. Ueberdies ſind die Toͤne beyder Tonleitern von der Beſchaffenheit, daß aus ihnen zu jedem Geſange der harten oder der weichen Tonart die vollkom- menſte harmoniſche Begleitung zuſammengeſezt wer- den kann, welches in den uͤbrigen alten Tonarten wegen der Unvollkommenheit ihrer Tonleitern auch nicht angeht.
Waͤre das chromatiſche und enharmoniſche Ge- ſchlecht in unſer Syſtem eingefuͤhret oder einzufuͤh- ren moͤglich, ſo wuͤrden wir auch chromatiſche und enharmoniſche Tonleitern haben. So lange aber alle Toͤne unſeres Syſtems blos zur Vollkommen- heit des diatoniſchen Geſchlechts da ſind, und alles was wuͤrklich chromatiſch und enharmoniſch in un- ſerer Muſik vorkommen kann, blos aus einzelnen Fortſchreitungen der Melodie oder Ruͤkungen der Harmonie beſteht, wodurch noch lange kein eigenes Klanggeſchlecht hervorgebracht wird, ſind alle die verſchiedenen Tonleitern von 17 bis 29 und meh- reren Toͤnen, die ſo unrichtig mit dieſen Namen be- legt, und oft ſo weitlaͤuftig zergliedert und unterab- getheilt werden, blos chromatiſch und enharmoniſch in der Einbildung, weil ſie im Grunde aus mehre- ren diatoniſchen Tonleitern zuſammengeſchoben, und uͤbrigens an und fuͤr ſich von gar keinem Nuzen und Gebrauch in unſerer Muſik ſind. (*)
Wir zeigen demnach nur die vier und zwanzig diatoniſche Tonleitern nach den zwoͤlf harten und den zwoͤlf weichen Tonarten, mit den Verhaͤltniſſen ihrer Jntervallen von dem Grundton, an, da es un- ſtreitig iſt, daß die Verſchiedenheit der Reinigkeit der Jntervallen in jeder Tonleiter auch eine Verſchieden- heit in dem Ausdruk bewuͤrken muͤſſe, daß folglich ein Ton vor dem andern, der zur Tonica eines Stuͤks gemacht wird, mit Ruͤkſicht auf den beſon- dern Ausdruk der Moll- oder Durtonart, zu dieſem oder jenem Ausdruk am ſchiklichſten ſeyn muͤſſe. Wir [Spaltenumbruch]
Ton
beziehen uns auf das, was hieruͤber im Artikel Ton geſagt worden.
[Tabelle]
[Tabelle]
(†) (††)
(*) S. Chroma- tiſch, En- harmoniſch Diatoniſch, Syſtem.
(†) Man hat in dieſer Tabelle, um das Verhaͤltniß des A von C deſto leichter zu uͤberſehen, weder noch ſondern an deren ſtatt ⅗ geſezt, da der Unterſchied derſel- ben nur ein halbes Comma beytraͤgt.
(††) Da die Molitonleiter im Aufſteigen außer der [Spaltenumbruch]
Terz, und der Sexte und Septime im Abſteigen die naͤm, lichen Toͤne und Jntervallen der Durtonleiter hat, ſo hat man der Kuͤrze und Deutlichkeit wegen, nur die Verhaͤlt- niſſe der kleinen Terz, Sexte und Septime angezeiget.
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[1166[1148]/0595]
Ton
Ton
leitern fehlet, dagegen nicht in Vergleichung zu zie-
hen ſind. Die Molltonleiter hat zwar im Aufſtei-
gen durch die große Sexte und Septime des Grund-
tones abgeaͤndert werden muͤſſen; aber auch dieſes
iſt zur Vollkommenheit der weichen Tonart gediehen.
Ueberdies ſind die Toͤne beyder Tonleitern von der
Beſchaffenheit, daß aus ihnen zu jedem Geſange
der harten oder der weichen Tonart die vollkom-
menſte harmoniſche Begleitung zuſammengeſezt wer-
den kann, welches in den uͤbrigen alten Tonarten
wegen der Unvollkommenheit ihrer Tonleitern auch
nicht angeht.
Waͤre das chromatiſche und enharmoniſche Ge-
ſchlecht in unſer Syſtem eingefuͤhret oder einzufuͤh-
ren moͤglich, ſo wuͤrden wir auch chromatiſche und
enharmoniſche Tonleitern haben. So lange aber
alle Toͤne unſeres Syſtems blos zur Vollkommen-
heit des diatoniſchen Geſchlechts da ſind, und alles
was wuͤrklich chromatiſch und enharmoniſch in un-
ſerer Muſik vorkommen kann, blos aus einzelnen
Fortſchreitungen der Melodie oder Ruͤkungen der
Harmonie beſteht, wodurch noch lange kein eigenes
Klanggeſchlecht hervorgebracht wird, ſind alle die
verſchiedenen Tonleitern von 17 bis 29 und meh-
reren Toͤnen, die ſo unrichtig mit dieſen Namen be-
legt, und oft ſo weitlaͤuftig zergliedert und unterab-
getheilt werden, blos chromatiſch und enharmoniſch
in der Einbildung, weil ſie im Grunde aus mehre-
ren diatoniſchen Tonleitern zuſammengeſchoben, und
uͤbrigens an und fuͤr ſich von gar keinem Nuzen und
Gebrauch in unſerer Muſik ſind. (*)
Wir zeigen demnach nur die vier und zwanzig
diatoniſche Tonleitern nach den zwoͤlf harten und
den zwoͤlf weichen Tonarten, mit den Verhaͤltniſſen
ihrer Jntervallen von dem Grundton, an, da es un-
ſtreitig iſt, daß die Verſchiedenheit der Reinigkeit der
Jntervallen in jeder Tonleiter auch eine Verſchieden-
heit in dem Ausdruk bewuͤrken muͤſſe, daß folglich
ein Ton vor dem andern, der zur Tonica eines
Stuͤks gemacht wird, mit Ruͤkſicht auf den beſon-
dern Ausdruk der Moll- oder Durtonart, zu dieſem
oder jenem Ausdruk am ſchiklichſten ſeyn muͤſſe. Wir
beziehen uns auf das, was hieruͤber im Artikel Ton
geſagt worden.
(†)
(††)
(*) S.
Chroma-
tiſch, En-
harmoniſch
Diatoniſch,
Syſtem.
(†) Man hat in dieſer Tabelle, um das Verhaͤltniß des
A von C deſto leichter zu uͤberſehen, weder [FORMEL] noch [FORMEL]
ſondern an deren ſtatt ⅗ geſezt, da der Unterſchied derſel-
ben nur ein halbes Comma beytraͤgt.
(††) Da die Molitonleiter im Aufſteigen außer der
Terz, und der Sexte und Septime im Abſteigen die naͤm,
lichen Toͤne und Jntervallen der Durtonleiter hat, ſo hat
man der Kuͤrze und Deutlichkeit wegen, nur die Verhaͤlt-
niſſe der kleinen Terz, Sexte und Septime angezeiget.
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1166[1148]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/595>, abgerufen am 24.11.2024.
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