sehen ist; sie hat aber allezeit etwas hartes und un- harmonisches: außerdem wird in allen diesen Fällen nur ein schwacher Ruhepunkt erwekt (*), bey wel- chen man nicht stehen bleiben kann, weil das Gehör von einer neuen Tonleiter eingenommen wird, und also noch eine Folge erwartet. Aus eben dieser Ur- sache sind die Fortschreitungen bey b, wo die Septime in die Sexte des folgenden Baßtones übergeht, wenig befriedigend, obgleich brauchbarer. Bey a A und b B liegen zwar beyde Accorde in derselben Tonleiter; da aber der lezte Accord kein vollkommener Dreyklang, sondern nur eine Verwechslung desselben ist, so befrie- diget uns diese Fortschreitung doch nicht so sehr, daß wir nicht noch etwas folgendes erwarten sollten. Die dritte Art der Fortschreitung, s. c. bey welcher die Sep- time in die Quinte des folgenden Baßtones übergeht, führt zwar zu einem Dreyklang, der ohne Verwechs- lung statt findet; aber er bringet ebenfalls das Gefühl einer neuen Tonart ins Gehör, folglich wird hiedurch auch keine gänzliche Ruhe bewürkt, sondern nur ein kleiner Ruhepunct, nach welchem wir eine fernere Fortsezung erwarten.
Nun bleibet nur noch die vierte Art der Fortschrei- tung übrig, bey welcher die Septime in die Terz des folgenden Grundtones übergeht, in dem der Baß um eine Quinte fällt, oder um eine Quarte steigt, wie aus den Beyspiehlen d, e und f zu sehen ist. Hier kommen nun zwey ganz verschiedene Wür- kungen heraus, nachdem die Septime groß oder klein ist. Jm erstern Falle, nämlich bey d, ist klar, daß die Septime nicht in die Tonleiter des Grund- tones der folgenden Harmonie liegt, es sey denn, daß dieser Ton die verminderte Quinte des vorher- gehenden sey, wie bey e. Also führen diese beyden Fälle auch auf eine neue Tonleiter, und dienen, wie alle bisher angeführte Behandlungen der wesentli- chen Septime in der Mitte eines Tonstüks zu unvoll- kommenen und vermiedenen Cadenzen, kurzen Ru- hepunkten, oder blos zu Verbindungen einzeler Sä- ze, wozu auch noch folgende Fortschreitungen bey g, wo statt einer neuen consonirenden Harmonie, eine andere dissonirende folgt, und die Erwartung noch höher getrieben wird, gut zu gebrauchen sind. Hin- gegen wird im zweyten Falle, nemlich, wenn die Septime klein ist, durch diese Behandlung, wie sie bey f vorgestellet wird, eine vollkommene Ruhe erhal- ten, weil der neue Dreyklang in eben der Tonleiter liegt, aus welcher der vorhergehende Septimenac- [Spaltenumbruch]
Sep
cord genommen ist, und weil noch überdem die Terz des vorhergehenden Accords das Subsemitonium der neuen Tonica ist. Diese Fortschreitung sowol der Septime als der ganzen Harmonie führt also unmittelbar zum Schluß, und läßt nichts folgen- des mehr erwarten.
[Abbildung]
(*) S. Cadenz.
[Spaltenumbruch]
Sep
ſehen iſt; ſie hat aber allezeit etwas hartes und un- harmoniſches: außerdem wird in allen dieſen Faͤllen nur ein ſchwacher Ruhepunkt erwekt (*), bey wel- chen man nicht ſtehen bleiben kann, weil das Gehoͤr von einer neuen Tonleiter eingenommen wird, und alſo noch eine Folge erwartet. Aus eben dieſer Ur- ſache ſind die Fortſchreitungen bey b, wo die Septime in die Sexte des folgenden Baßtones uͤbergeht, wenig befriedigend, obgleich brauchbarer. Bey a A und b B liegen zwar beyde Accorde in derſelben Tonleiter; da aber der lezte Accord kein vollkommener Dreyklang, ſondern nur eine Verwechslung deſſelben iſt, ſo befrie- diget uns dieſe Fortſchreitung doch nicht ſo ſehr, daß wir nicht noch etwas folgendes erwarten ſollten. Die dritte Art der Fortſchreitung, ſ. c. bey welcher die Sep- time in die Quinte des folgenden Baßtones uͤbergeht, fuͤhrt zwar zu einem Dreyklang, der ohne Verwechs- lung ſtatt findet; aber er bringet ebenfalls das Gefuͤhl einer neuen Tonart ins Gehoͤr, folglich wird hiedurch auch keine gaͤnzliche Ruhe bewuͤrkt, ſondern nur ein kleiner Ruhepunct, nach welchem wir eine fernere Fortſezung erwarten.
Nun bleibet nur noch die vierte Art der Fortſchrei- tung uͤbrig, bey welcher die Septime in die Terz des folgenden Grundtones uͤbergeht, in dem der Baß um eine Quinte faͤllt, oder um eine Quarte ſteigt, wie aus den Beyſpiehlen d, e und f zu ſehen iſt. Hier kommen nun zwey ganz verſchiedene Wuͤr- kungen heraus, nachdem die Septime groß oder klein iſt. Jm erſtern Falle, naͤmlich bey d, iſt klar, daß die Septime nicht in die Tonleiter des Grund- tones der folgenden Harmonie liegt, es ſey denn, daß dieſer Ton die verminderte Quinte des vorher- gehenden ſey, wie bey e. Alſo fuͤhren dieſe beyden Faͤlle auch auf eine neue Tonleiter, und dienen, wie alle bisher angefuͤhrte Behandlungen der weſentli- chen Septime in der Mitte eines Tonſtuͤks zu unvoll- kommenen und vermiedenen Cadenzen, kurzen Ru- hepunkten, oder blos zu Verbindungen einzeler Saͤ- ze, wozu auch noch folgende Fortſchreitungen bey g, wo ſtatt einer neuen conſonirenden Harmonie, eine andere diſſonirende folgt, und die Erwartung noch hoͤher getrieben wird, gut zu gebrauchen ſind. Hin- gegen wird im zweyten Falle, nemlich, wenn die Septime klein iſt, durch dieſe Behandlung, wie ſie bey f vorgeſtellet wird, eine vollkommene Ruhe erhal- ten, weil der neue Dreyklang in eben der Tonleiter liegt, aus welcher der vorhergehende Septimenac- [Spaltenumbruch]
Sep
cord genommen iſt, und weil noch uͤberdem die Terz des vorhergehenden Accords das Subſemitonium der neuen Tonica iſt. Dieſe Fortſchreitung ſowol der Septime als der ganzen Harmonie fuͤhrt alſo unmittelbar zum Schluß, und laͤßt nichts folgen- des mehr erwarten.
[Abbildung]
(*) S. Cadenz.
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[1066[1048]/0495]
Sep
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ſehen iſt; ſie hat aber allezeit etwas hartes und un-
harmoniſches: außerdem wird in allen dieſen Faͤllen
nur ein ſchwacher Ruhepunkt erwekt (*), bey wel-
chen man nicht ſtehen bleiben kann, weil das Gehoͤr
von einer neuen Tonleiter eingenommen wird, und
alſo noch eine Folge erwartet. Aus eben dieſer Ur-
ſache ſind die Fortſchreitungen bey b, wo die Septime
in die Sexte des folgenden Baßtones uͤbergeht, wenig
befriedigend, obgleich brauchbarer. Bey a A und b B
liegen zwar beyde Accorde in derſelben Tonleiter; da
aber der lezte Accord kein vollkommener Dreyklang,
ſondern nur eine Verwechslung deſſelben iſt, ſo befrie-
diget uns dieſe Fortſchreitung doch nicht ſo ſehr, daß
wir nicht noch etwas folgendes erwarten ſollten. Die
dritte Art der Fortſchreitung, ſ. c. bey welcher die Sep-
time in die Quinte des folgenden Baßtones uͤbergeht,
fuͤhrt zwar zu einem Dreyklang, der ohne Verwechs-
lung ſtatt findet; aber er bringet ebenfalls das Gefuͤhl
einer neuen Tonart ins Gehoͤr, folglich wird hiedurch
auch keine gaͤnzliche Ruhe bewuͤrkt, ſondern nur ein
kleiner Ruhepunct, nach welchem wir eine fernere
Fortſezung erwarten.
Nun bleibet nur noch die vierte Art der Fortſchrei-
tung uͤbrig, bey welcher die Septime in die Terz
des folgenden Grundtones uͤbergeht, in dem der
Baß um eine Quinte faͤllt, oder um eine Quarte
ſteigt, wie aus den Beyſpiehlen d, e und f zu ſehen
iſt. Hier kommen nun zwey ganz verſchiedene Wuͤr-
kungen heraus, nachdem die Septime groß oder
klein iſt. Jm erſtern Falle, naͤmlich bey d, iſt klar,
daß die Septime nicht in die Tonleiter des Grund-
tones der folgenden Harmonie liegt, es ſey denn,
daß dieſer Ton die verminderte Quinte des vorher-
gehenden ſey, wie bey e. Alſo fuͤhren dieſe beyden
Faͤlle auch auf eine neue Tonleiter, und dienen, wie
alle bisher angefuͤhrte Behandlungen der weſentli-
chen Septime in der Mitte eines Tonſtuͤks zu unvoll-
kommenen und vermiedenen Cadenzen, kurzen Ru-
hepunkten, oder blos zu Verbindungen einzeler Saͤ-
ze, wozu auch noch folgende Fortſchreitungen bey g,
wo ſtatt einer neuen conſonirenden Harmonie, eine
andere diſſonirende folgt, und die Erwartung noch
hoͤher getrieben wird, gut zu gebrauchen ſind. Hin-
gegen wird im zweyten Falle, nemlich, wenn die
Septime klein iſt, durch dieſe Behandlung, wie ſie
bey f vorgeſtellet wird, eine vollkommene Ruhe erhal-
ten, weil der neue Dreyklang in eben der Tonleiter
liegt, aus welcher der vorhergehende Septimenac-
cord genommen iſt, und weil noch uͤberdem die Terz
des vorhergehenden Accords das Subſemitonium
der neuen Tonica iſt. Dieſe Fortſchreitung ſowol
der Septime als der ganzen Harmonie fuͤhrt alſo
unmittelbar zum Schluß, und laͤßt nichts folgen-
des mehr erwarten.
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(*) S.
Cadenz.
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1066[1048]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/495>, abgerufen am 24.11.2024.
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