Critik beurtheilte, wie in einigen französischen Schrif- ten die Schreibart und die grammatische Richtig- keit des Ausdruks neuer Bücher beurtheilet werden. Noch nüzlicher wär es, wenn die verschiedenen Aca- demien der zeichnenden Künste, sich angelegen seyn ließen, durch solche critische Beurtheilungen, der so häufig herauskommenden Kupferstiche, den jun- gen Künstlern an die Hand zu gehen.
Schreibart; Styl. (Schöne Künste.)
Man pflegt in den Werken des Geschmaks die Ma- terie, oder die Gedanken von der Art sie vorzutra- gen, oder darzustellen, zu unterscheiden, und das leztere den Styl, oder die Schreibart zu nennen. Aber es ist schweer genau zu bestimmen, was in je- dem Werk zu den Gedanken, oder zur Schreibart gehöre, und daher auch schweer zu sagen, worin eigentlich die Schreibart bestehe. Daß beym Schrift- steller nicht blos der Ausdruk, oder die Wörter, ihre Verbindung, ihr Ton und die daraus zusammenge- sezten längern oder kürzern Einschnitte und Perioden, sondern auch ein Theil der Gedanken zur Schreibart gerechnet werden müsse, wird jedermann zugeben; und eben so rechnet man zum Styl des Mahlers nicht blos seine besondere Art der Zusammensezung, Zeichnung und Farbengebung, sondern auch etwas von dem Materiellen des Gemähldes.
Da mir nicht bekannt ist, daß sich jemand die Mühe gegeben habe, das, was in allen Werken der Kunst eigentlich zur Schreibart gehöret, mit einiger Genauigkeit zu bestimmen, so will ich versuchen, es hier zu thun. Die Sache scheinet um so viel wichtiger, da jedermann empfindet, wie sehr viel in Werken des Geschmaks auf die Schreibart an- komme, und wie wesentlich es für den Künstler sey, eine gute Schreibart in seiner Gewalt zu haben. Aber wie kann man ihm zur Erlangung derselben den Weg zeigen, so lange man nicht recht weiß, was die Schreibart ist?
Jn dem der Künstler ein Werk verfertiget, bemü- het er sich, gewisse Vorstellungen, die er hat, das ist, einen gewissen Gegenstand, andern darzustellen. Jndem er aber dieses thut, schildert er in dem Ge- genstand auch sich selbst, die ihm eigenthümliche Art die Sachen anzusehen, zu begreifen und zu empfin- [Spaltenumbruch]
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den, oder wenigstens die, die ihm bey der Arbeit nach seiner Gemüthslage eigen ist. Das besondere Gepräg, das dem Werk von dem Charakter und der, allenfalls vorübergehenden, Gemüthsfassung des Künstlers eingedrükt worden, scheinet das zu seyn, was man zur Schreibart, oder zum Styl rechnet. Das Wesentliche der Materie, wird dadurch nicht verändert, sondern nur das Zufällige. Wenn viel Menschen zugleich über einen Vorfall lachen, so drükt jeder die Empfindung der Lust aus, die we- sentlich bey allen dieselbe ist; aber jeder lacht in sei- nem eigenen Styl, der von dem blos sanften ruhi- gen Lächeln, bis zum vollen Ausbruch des Geläch- ters mancherley Schattirung annehmen kann. Die- ses wird uns auf die Spuhr führen die verschiede- nen zufälligen Eigenschaften eines durch die Kunst dargestellten Gegenstandes, die zum Styl des Werks gehören, von dem Wesentlichen zu unterscheiden. Wir werden uns aber hier hauptsächlich auf die Schreibart im engern Sinne, wie sie sich in den Künsten der Rede zeiget, einschränken, und können uns dieses Mittels den gegenwärtigen Artikel nicht über die Schranken der Größe auszudähnen, um so viel zuversichtlicher bedienen, da sich das, was von dieser Schreibart, als der wichtigsten Art des Styls, gesagt wird, leicht auf andre wird anwen- den lassen.
Hier haben wir nun vor allem andern zu unter- suchen, was für Dinge in den Werken der reden- den Künste, zur Schreibart gehören, und als Eigen- schaften derselben anzusehen seyen.
Um dieses zu erforschen, wollen wir uns vorstel- len, daß mehrere Menschen zugleich eine Scene, einen Vorfall, oder eine Begebenheit ansehen, und daß jeder der Zuschauer daher Gelegenheit nehme, das was er gesehen hat, zu beschreiben. Wir wür- den also in kurzem verschiedene Schriften von einer- ley Jnhalt zu lesen bekommen, die sich aber viel- fältig durch die Schreibart von einander auszeich- neten.
Wir müssen aber, um in diesen Schriften einer- ley Jnhalt zu haben, damit uns das Charakteristi- sche der Schreibart deutlicher werde, voraussezen, daß jeder den Stoff erzählend behandle, und zur Hauptabsicht habe, seinen Leser von dem, was er gesehen hat, zu unterrichten. Denn wo sich etwa ein sehr empfindsamer, und leichte feuerfangender Dichter, unter diesen Zuschauern befände, den die
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Critik beurtheilte, wie in einigen franzoͤſiſchen Schrif- ten die Schreibart und die grammatiſche Richtig- keit des Ausdruks neuer Buͤcher beurtheilet werden. Noch nuͤzlicher waͤr es, wenn die verſchiedenen Aca- demien der zeichnenden Kuͤnſte, ſich angelegen ſeyn ließen, durch ſolche critiſche Beurtheilungen, der ſo haͤufig herauskommenden Kupferſtiche, den jun- gen Kuͤnſtlern an die Hand zu gehen.
Schreibart; Styl. (Schoͤne Kuͤnſte.)
Man pflegt in den Werken des Geſchmaks die Ma- terie, oder die Gedanken von der Art ſie vorzutra- gen, oder darzuſtellen, zu unterſcheiden, und das leztere den Styl, oder die Schreibart zu nennen. Aber es iſt ſchweer genau zu beſtimmen, was in je- dem Werk zu den Gedanken, oder zur Schreibart gehoͤre, und daher auch ſchweer zu ſagen, worin eigentlich die Schreibart beſtehe. Daß beym Schrift- ſteller nicht blos der Ausdruk, oder die Woͤrter, ihre Verbindung, ihr Ton und die daraus zuſammenge- ſezten laͤngern oder kuͤrzern Einſchnitte und Perioden, ſondern auch ein Theil der Gedanken zur Schreibart gerechnet werden muͤſſe, wird jedermann zugeben; und eben ſo rechnet man zum Styl des Mahlers nicht blos ſeine beſondere Art der Zuſammenſezung, Zeichnung und Farbengebung, ſondern auch etwas von dem Materiellen des Gemaͤhldes.
Da mir nicht bekannt iſt, daß ſich jemand die Muͤhe gegeben habe, das, was in allen Werken der Kunſt eigentlich zur Schreibart gehoͤret, mit einiger Genauigkeit zu beſtimmen, ſo will ich verſuchen, es hier zu thun. Die Sache ſcheinet um ſo viel wichtiger, da jedermann empfindet, wie ſehr viel in Werken des Geſchmaks auf die Schreibart an- komme, und wie weſentlich es fuͤr den Kuͤnſtler ſey, eine gute Schreibart in ſeiner Gewalt zu haben. Aber wie kann man ihm zur Erlangung derſelben den Weg zeigen, ſo lange man nicht recht weiß, was die Schreibart iſt?
Jn dem der Kuͤnſtler ein Werk verfertiget, bemuͤ- het er ſich, gewiſſe Vorſtellungen, die er hat, das iſt, einen gewiſſen Gegenſtand, andern darzuſtellen. Jndem er aber dieſes thut, ſchildert er in dem Ge- genſtand auch ſich ſelbſt, die ihm eigenthuͤmliche Art die Sachen anzuſehen, zu begreifen und zu empfin- [Spaltenumbruch]
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den, oder wenigſtens die, die ihm bey der Arbeit nach ſeiner Gemuͤthslage eigen iſt. Das beſondere Gepraͤg, das dem Werk von dem Charakter und der, allenfalls voruͤbergehenden, Gemuͤthsfaſſung des Kuͤnſtlers eingedruͤkt worden, ſcheinet das zu ſeyn, was man zur Schreibart, oder zum Styl rechnet. Das Weſentliche der Materie, wird dadurch nicht veraͤndert, ſondern nur das Zufaͤllige. Wenn viel Menſchen zugleich uͤber einen Vorfall lachen, ſo druͤkt jeder die Empfindung der Luſt aus, die we- ſentlich bey allen dieſelbe iſt; aber jeder lacht in ſei- nem eigenen Styl, der von dem blos ſanften ruhi- gen Laͤcheln, bis zum vollen Ausbruch des Gelaͤch- ters mancherley Schattirung annehmen kann. Die- ſes wird uns auf die Spuhr fuͤhren die verſchiede- nen zufaͤlligen Eigenſchaften eines durch die Kunſt dargeſtellten Gegenſtandes, die zum Styl des Werks gehoͤren, von dem Weſentlichen zu unterſcheiden. Wir werden uns aber hier hauptſaͤchlich auf die Schreibart im engern Sinne, wie ſie ſich in den Kuͤnſten der Rede zeiget, einſchraͤnken, und koͤnnen uns dieſes Mittels den gegenwaͤrtigen Artikel nicht uͤber die Schranken der Groͤße auszudaͤhnen, um ſo viel zuverſichtlicher bedienen, da ſich das, was von dieſer Schreibart, als der wichtigſten Art des Styls, geſagt wird, leicht auf andre wird anwen- den laſſen.
Hier haben wir nun vor allem andern zu unter- ſuchen, was fuͤr Dinge in den Werken der reden- den Kuͤnſte, zur Schreibart gehoͤren, und als Eigen- ſchaften derſelben anzuſehen ſeyen.
Um dieſes zu erforſchen, wollen wir uns vorſtel- len, daß mehrere Menſchen zugleich eine Scene, einen Vorfall, oder eine Begebenheit anſehen, und daß jeder der Zuſchauer daher Gelegenheit nehme, das was er geſehen hat, zu beſchreiben. Wir wuͤr- den alſo in kurzem verſchiedene Schriften von einer- ley Jnhalt zu leſen bekommen, die ſich aber viel- faͤltig durch die Schreibart von einander auszeich- neten.
Wir muͤſſen aber, um in dieſen Schriften einer- ley Jnhalt zu haben, damit uns das Charakteriſti- ſche der Schreibart deutlicher werde, vorausſezen, daß jeder den Stoff erzaͤhlend behandle, und zur Hauptabſicht habe, ſeinen Leſer von dem, was er geſehen hat, zu unterrichten. Denn wo ſich etwa ein ſehr empfindſamer, und leichte feuerfangender Dichter, unter dieſen Zuſchauern befaͤnde, den die
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keit des Ausdruks neuer Buͤcher beurtheilet werden.
Noch nuͤzlicher waͤr es, wenn die verſchiedenen Aca-
demien der zeichnenden Kuͤnſte, ſich angelegen ſeyn
ließen, durch ſolche critiſche Beurtheilungen, der
ſo haͤufig herauskommenden Kupferſtiche, den jun-
gen Kuͤnſtlern an die Hand zu gehen.
Schreibart; Styl.
(Schoͤne Kuͤnſte.)
Man pflegt in den Werken des Geſchmaks die Ma-
terie, oder die Gedanken von der Art ſie vorzutra-
gen, oder darzuſtellen, zu unterſcheiden, und das
leztere den Styl, oder die Schreibart zu nennen.
Aber es iſt ſchweer genau zu beſtimmen, was in je-
dem Werk zu den Gedanken, oder zur Schreibart
gehoͤre, und daher auch ſchweer zu ſagen, worin
eigentlich die Schreibart beſtehe. Daß beym Schrift-
ſteller nicht blos der Ausdruk, oder die Woͤrter, ihre
Verbindung, ihr Ton und die daraus zuſammenge-
ſezten laͤngern oder kuͤrzern Einſchnitte und Perioden,
ſondern auch ein Theil der Gedanken zur Schreibart
gerechnet werden muͤſſe, wird jedermann zugeben;
und eben ſo rechnet man zum Styl des Mahlers
nicht blos ſeine beſondere Art der Zuſammenſezung,
Zeichnung und Farbengebung, ſondern auch etwas
von dem Materiellen des Gemaͤhldes.
Da mir nicht bekannt iſt, daß ſich jemand die
Muͤhe gegeben habe, das, was in allen Werken der
Kunſt eigentlich zur Schreibart gehoͤret, mit einiger
Genauigkeit zu beſtimmen, ſo will ich verſuchen,
es hier zu thun. Die Sache ſcheinet um ſo viel
wichtiger, da jedermann empfindet, wie ſehr viel
in Werken des Geſchmaks auf die Schreibart an-
komme, und wie weſentlich es fuͤr den Kuͤnſtler
ſey, eine gute Schreibart in ſeiner Gewalt zu haben.
Aber wie kann man ihm zur Erlangung derſelben
den Weg zeigen, ſo lange man nicht recht weiß,
was die Schreibart iſt?
Jn dem der Kuͤnſtler ein Werk verfertiget, bemuͤ-
het er ſich, gewiſſe Vorſtellungen, die er hat, das
iſt, einen gewiſſen Gegenſtand, andern darzuſtellen.
Jndem er aber dieſes thut, ſchildert er in dem Ge-
genſtand auch ſich ſelbſt, die ihm eigenthuͤmliche Art
die Sachen anzuſehen, zu begreifen und zu empfin-
den, oder wenigſtens die, die ihm bey der Arbeit
nach ſeiner Gemuͤthslage eigen iſt. Das beſondere
Gepraͤg, das dem Werk von dem Charakter und
der, allenfalls voruͤbergehenden, Gemuͤthsfaſſung des
Kuͤnſtlers eingedruͤkt worden, ſcheinet das zu ſeyn,
was man zur Schreibart, oder zum Styl rechnet.
Das Weſentliche der Materie, wird dadurch nicht
veraͤndert, ſondern nur das Zufaͤllige. Wenn viel
Menſchen zugleich uͤber einen Vorfall lachen, ſo
druͤkt jeder die Empfindung der Luſt aus, die we-
ſentlich bey allen dieſelbe iſt; aber jeder lacht in ſei-
nem eigenen Styl, der von dem blos ſanften ruhi-
gen Laͤcheln, bis zum vollen Ausbruch des Gelaͤch-
ters mancherley Schattirung annehmen kann. Die-
ſes wird uns auf die Spuhr fuͤhren die verſchiede-
nen zufaͤlligen Eigenſchaften eines durch die Kunſt
dargeſtellten Gegenſtandes, die zum Styl des Werks
gehoͤren, von dem Weſentlichen zu unterſcheiden.
Wir werden uns aber hier hauptſaͤchlich auf die
Schreibart im engern Sinne, wie ſie ſich in den
Kuͤnſten der Rede zeiget, einſchraͤnken, und koͤnnen
uns dieſes Mittels den gegenwaͤrtigen Artikel nicht
uͤber die Schranken der Groͤße auszudaͤhnen, um
ſo viel zuverſichtlicher bedienen, da ſich das, was
von dieſer Schreibart, als der wichtigſten Art des
Styls, geſagt wird, leicht auf andre wird anwen-
den laſſen.
Hier haben wir nun vor allem andern zu unter-
ſuchen, was fuͤr Dinge in den Werken der reden-
den Kuͤnſte, zur Schreibart gehoͤren, und als Eigen-
ſchaften derſelben anzuſehen ſeyen.
Um dieſes zu erforſchen, wollen wir uns vorſtel-
len, daß mehrere Menſchen zugleich eine Scene,
einen Vorfall, oder eine Begebenheit anſehen, und
daß jeder der Zuſchauer daher Gelegenheit nehme,
das was er geſehen hat, zu beſchreiben. Wir wuͤr-
den alſo in kurzem verſchiedene Schriften von einer-
ley Jnhalt zu leſen bekommen, die ſich aber viel-
faͤltig durch die Schreibart von einander auszeich-
neten.
Wir muͤſſen aber, um in dieſen Schriften einer-
ley Jnhalt zu haben, damit uns das Charakteriſti-
ſche der Schreibart deutlicher werde, vorausſezen,
daß jeder den Stoff erzaͤhlend behandle, und zur
Hauptabſicht habe, ſeinen Leſer von dem, was er
geſehen hat, zu unterrichten. Denn wo ſich etwa
ein ſehr empfindſamer, und leichte feuerfangender
Dichter, unter dieſen Zuſchauern befaͤnde, den die
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1047[1029]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/476>, abgerufen am 15.06.2024.
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