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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Rhy
Man siehet daraus, daß er im Grunde nichts an-
ders sey, als eine periodische Eintheilung einer
Reyhe gleichartiger Dinge, wodurch das Einför-
mige derselben mit Mannigfaltigkeit verbunden
wird; so, daß eine anhaltende Empfindung die
durchaus gleichartig (Homogen) gewesen wäre,
durch die rhythmischen Eintheilungen, Abwechslung
und Mannigfaltigkeit bekommt. Es ist aber der
Mühe werth seinem Ursprung und seinen Würkun-
gen näher nachzuforschen.

Daß der Rhythmus nichts Gekünsteltes sey, das
aus Ueberlegung entstanden, sondern eine natürliche
Empfindung zum Grund habe, kann daraus abge-
nommen werden, daß auch halb wilde Völker ihn
in ihren Tänzen beobachten, und daß alle Menschen
in gewisse Verrichtungen etwas rhythmisches brin-
gen, ohne zu wissen, warum. Jeder Mensch, der
mit einer gewissen Geschwindigkeit etwas zu zählen
hat, wird nicht lange in ununterbrochener Gleichför-
migkeit so zählen: Eins, zwey, drey, vier u. s. f. son-
dern gar bald die Zahlen Gliederweis, zwey, drey,
oder mehr Zahlen auf ein Glied, abtheilen; näm-
lich so: Eins zwey; drey vier; u. s. f. oder so:
Eins zwey drey; vier fünf sechs; u. s. f. Geschie-
het das Zählen langsam, so, daß es nicht wol mehr
angeht, mehr Zahlen zu einem Glied zu nehmen;
so steht man die zu große Einförmigkeit dadurch zu
unterbrechen, daß man eine Zahl in zwey Theile
theilet. Anstatt so zu zählen: Eins -- zwey --
drey --,
so daß zwischen zwey Wörtern eine merk-
liche Zeit verflösse, fällt man bald darauf so zu zäh-
len: Ei - nes; zwey - e; drey - e; u. s. f.

So bald das Ohr laute Schläge, die in gleichen
Zeiten hinter einander folgen, vernihmt; so kann
man sich nicht enthalten im Geiste sie zu zählen;
folglich sie auf beschriebene Art einzutheilen. Ma-
chen wir diese Schläge selbst, so richten wir sie schon
so ein, daß das rhythmische Zählen durch die Ver-
schiedenheit der Schläge selbst erleichtert werde. Der
Faßbinder, oder Böttger, der einen Reifen antrei-
bet, der Kupferschmied, der einen Kessel hämmert,
fällt gar bald darauf, seine Schläge nicht einzeln
in völliger Gleichheit so zu thun: @@@@@@ u. s. f.
er wird bald so schlagen:@@@@@@ u. s. f.
oder so: @@@@@@@@ u. s. f.
und die Stärke oder den Ton der drey, oder vier
auf einen Takt gehenden Schläge etwas abzuändern,
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Rhy
damit die Eintheilung in Glieder dem Ohr merklich
werde.

Eben so gewiß wird man aber auch ein Glied
dem andern gleich machen. Denn wenn einer
gleich den Einfall hätte so zu zählen @@@@@@;
so wird er unfehlbar aus zwey oder drey ungleichen
Gliedern, wieder gleiche Einschnitte machen, also:
@@@@@@@@@@@ u. s. f.
denn er wird fühlen, daß ihm ohne diese Einför-
migkeit das Zählen zu mühesam werden würde.

Da wir nun aus ungezweifelter Erfahrung wis-
sen, daß dergleichen rhythmische Eintheilungen na-
türlich sind und im Gefühle liegen; so ist zu unter-
suchen, auf was für einen Grund dieses natürliche
Gefühl beruhe.

Hier ist zuvoderst anzumerken, daß wir bey einer
Reyhe solcher Vorstellungen, die schon an sich, oder
nach ihrer materiellen Beschaffenheit Abwechslung
und Mannigfaltigkeit haben, die uns dabey nöthige
Würksamkeit zu unterhalten, keinen Rhythmus ver-
langen. Bey einer Rede, die uns blos durch Er-
zählung, oder durch Entwiklung der Begriffe unter-
richten soll, verlangen wir nichts rhythmisches.
Auch da, wo man uns rühren will, vermissen wir
den Rhythmus nicht, so bald man uns einen rüh-
renden Gegenstand so beschreibet, daß wir immer
etwas neues, das die Empfindung zu reizen im
Stand ist, darin gewahr werden. Der Mensch,
der uns zum Mitleiden gegen sich bewegen will,
därf uns nur das Elend, das ihn drükt, umständ-
lich erzählen, so werden wir gewiß, so lange die
Erzählung währet, in einer anhaltenden Rührung
ihm zuhören, ohne etwas rhythmisches in seinem
Vortrag nöthig zu haben, diese Empfindung zu un-
terhalten. Sie wird durch immer neue Umstände
des Elendes, die wir währender Erzählung erfahren,
genugsam unterhalten.

Eben diese Beschaffenheit hat es auch mit unsern
Verrichtungen. Die dabey nöthige Anstrengung der
Kräfte hat keiner fremden Unterstüzung nöthig, wenn
die Arbeit selbst uns immer etwas neues hervor-
bringt. Kein Mahler wird den Pensel rhythmisch
führen; das neue, das auf jeden Strich entstehet,
hat hinlänglichen Reiz das Bestreben zu Fortsezung
der Arbeit anhaltend zu machen: aber wer etwas
glatt feilet, oder irgend eine Arbeit zu verrichten hat,
deren Einerley durch nichts Neues gewürzt wird,

fällt

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Rhy
Man ſiehet daraus, daß er im Grunde nichts an-
ders ſey, als eine periodiſche Eintheilung einer
Reyhe gleichartiger Dinge, wodurch das Einfoͤr-
mige derſelben mit Mannigfaltigkeit verbunden
wird; ſo, daß eine anhaltende Empfindung die
durchaus gleichartig (Homogen) geweſen waͤre,
durch die rhythmiſchen Eintheilungen, Abwechslung
und Mannigfaltigkeit bekommt. Es iſt aber der
Muͤhe werth ſeinem Urſprung und ſeinen Wuͤrkun-
gen naͤher nachzuforſchen.

Daß der Rhythmus nichts Gekuͤnſteltes ſey, das
aus Ueberlegung entſtanden, ſondern eine natuͤrliche
Empfindung zum Grund habe, kann daraus abge-
nommen werden, daß auch halb wilde Voͤlker ihn
in ihren Taͤnzen beobachten, und daß alle Menſchen
in gewiſſe Verrichtungen etwas rhythmiſches brin-
gen, ohne zu wiſſen, warum. Jeder Menſch, der
mit einer gewiſſen Geſchwindigkeit etwas zu zaͤhlen
hat, wird nicht lange in ununterbrochener Gleichfoͤr-
migkeit ſo zaͤhlen: Eins, zwey, drey, vier u. ſ. f. ſon-
dern gar bald die Zahlen Gliederweis, zwey, drey,
oder mehr Zahlen auf ein Glied, abtheilen; naͤm-
lich ſo: Eins zwey; drey vier; u. ſ. f. oder ſo:
Eins zwey drey; vier fuͤnf ſechs; u. ſ. f. Geſchie-
het das Zaͤhlen langſam, ſo, daß es nicht wol mehr
angeht, mehr Zahlen zu einem Glied zu nehmen;
ſo ſteht man die zu große Einfoͤrmigkeit dadurch zu
unterbrechen, daß man eine Zahl in zwey Theile
theilet. Anſtatt ſo zu zaͤhlen: Eins — zwey —
drey —,
ſo daß zwiſchen zwey Woͤrtern eine merk-
liche Zeit verfloͤſſe, faͤllt man bald darauf ſo zu zaͤh-
len: Ei – nes; zwey – e; drey – e; u. ſ. f.

So bald das Ohr laute Schlaͤge, die in gleichen
Zeiten hinter einander folgen, vernihmt; ſo kann
man ſich nicht enthalten im Geiſte ſie zu zaͤhlen;
folglich ſie auf beſchriebene Art einzutheilen. Ma-
chen wir dieſe Schlaͤge ſelbſt, ſo richten wir ſie ſchon
ſo ein, daß das rhythmiſche Zaͤhlen durch die Ver-
ſchiedenheit der Schlaͤge ſelbſt erleichtert werde. Der
Faßbinder, oder Boͤttger, der einen Reifen antrei-
bet, der Kupferſchmied, der einen Keſſel haͤmmert,
faͤllt gar bald darauf, ſeine Schlaͤge nicht einzeln
in voͤlliger Gleichheit ſo zu thun:  u. ſ. f.
er wird bald ſo ſchlagen:𝄀𝄀 u. ſ. f.
oder ſo: 𝄀𝄀 u. ſ. f.
und die Staͤrke oder den Ton der drey, oder vier
auf einen Takt gehenden Schlaͤge etwas abzuaͤndern,
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Rhy
damit die Eintheilung in Glieder dem Ohr merklich
werde.

Eben ſo gewiß wird man aber auch ein Glied
dem andern gleich machen. Denn wenn einer
gleich den Einfall haͤtte ſo zu zaͤhlen 𝄀𝄀;
ſo wird er unfehlbar aus zwey oder drey ungleichen
Gliedern, wieder gleiche Einſchnitte machen, alſo:
𝄀𝄀𝄀𝄀𝄀𝄀 u. ſ. f.
denn er wird fuͤhlen, daß ihm ohne dieſe Einfoͤr-
migkeit das Zaͤhlen zu muͤheſam werden wuͤrde.

Da wir nun aus ungezweifelter Erfahrung wiſ-
ſen, daß dergleichen rhythmiſche Eintheilungen na-
tuͤrlich ſind und im Gefuͤhle liegen; ſo iſt zu unter-
ſuchen, auf was fuͤr einen Grund dieſes natuͤrliche
Gefuͤhl beruhe.

Hier iſt zuvoderſt anzumerken, daß wir bey einer
Reyhe ſolcher Vorſtellungen, die ſchon an ſich, oder
nach ihrer materiellen Beſchaffenheit Abwechslung
und Mannigfaltigkeit haben, die uns dabey noͤthige
Wuͤrkſamkeit zu unterhalten, keinen Rhythmus ver-
langen. Bey einer Rede, die uns blos durch Er-
zaͤhlung, oder durch Entwiklung der Begriffe unter-
richten ſoll, verlangen wir nichts rhythmiſches.
Auch da, wo man uns ruͤhren will, vermiſſen wir
den Rhythmus nicht, ſo bald man uns einen ruͤh-
renden Gegenſtand ſo beſchreibet, daß wir immer
etwas neues, das die Empfindung zu reizen im
Stand iſt, darin gewahr werden. Der Menſch,
der uns zum Mitleiden gegen ſich bewegen will,
daͤrf uns nur das Elend, das ihn druͤkt, umſtaͤnd-
lich erzaͤhlen, ſo werden wir gewiß, ſo lange die
Erzaͤhlung waͤhret, in einer anhaltenden Ruͤhrung
ihm zuhoͤren, ohne etwas rhythmiſches in ſeinem
Vortrag noͤthig zu haben, dieſe Empfindung zu un-
terhalten. Sie wird durch immer neue Umſtaͤnde
des Elendes, die wir waͤhrender Erzaͤhlung erfahren,
genugſam unterhalten.

Eben dieſe Beſchaffenheit hat es auch mit unſern
Verrichtungen. Die dabey noͤthige Anſtrengung der
Kraͤfte hat keiner fremden Unterſtuͤzung noͤthig, wenn
die Arbeit ſelbſt uns immer etwas neues hervor-
bringt. Kein Mahler wird den Penſel rhythmiſch
fuͤhren; das neue, das auf jeden Strich entſtehet,
hat hinlaͤnglichen Reiz das Beſtreben zu Fortſezung
der Arbeit anhaltend zu machen: aber wer etwas
glatt feilet, oder irgend eine Arbeit zu verrichten hat,
deren Einerley durch nichts Neues gewuͤrzt wird,

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[980[962]/0409] Rhy Rhy Man ſiehet daraus, daß er im Grunde nichts an- ders ſey, als eine periodiſche Eintheilung einer Reyhe gleichartiger Dinge, wodurch das Einfoͤr- mige derſelben mit Mannigfaltigkeit verbunden wird; ſo, daß eine anhaltende Empfindung die durchaus gleichartig (Homogen) geweſen waͤre, durch die rhythmiſchen Eintheilungen, Abwechslung und Mannigfaltigkeit bekommt. Es iſt aber der Muͤhe werth ſeinem Urſprung und ſeinen Wuͤrkun- gen naͤher nachzuforſchen. Daß der Rhythmus nichts Gekuͤnſteltes ſey, das aus Ueberlegung entſtanden, ſondern eine natuͤrliche Empfindung zum Grund habe, kann daraus abge- nommen werden, daß auch halb wilde Voͤlker ihn in ihren Taͤnzen beobachten, und daß alle Menſchen in gewiſſe Verrichtungen etwas rhythmiſches brin- gen, ohne zu wiſſen, warum. Jeder Menſch, der mit einer gewiſſen Geſchwindigkeit etwas zu zaͤhlen hat, wird nicht lange in ununterbrochener Gleichfoͤr- migkeit ſo zaͤhlen: Eins, zwey, drey, vier u. ſ. f. ſon- dern gar bald die Zahlen Gliederweis, zwey, drey, oder mehr Zahlen auf ein Glied, abtheilen; naͤm- lich ſo: Eins zwey; drey vier; u. ſ. f. oder ſo: Eins zwey drey; vier fuͤnf ſechs; u. ſ. f. Geſchie- het das Zaͤhlen langſam, ſo, daß es nicht wol mehr angeht, mehr Zahlen zu einem Glied zu nehmen; ſo ſteht man die zu große Einfoͤrmigkeit dadurch zu unterbrechen, daß man eine Zahl in zwey Theile theilet. Anſtatt ſo zu zaͤhlen: Eins — zwey — drey —, ſo daß zwiſchen zwey Woͤrtern eine merk- liche Zeit verfloͤſſe, faͤllt man bald darauf ſo zu zaͤh- len: Ei – nes; zwey – e; drey – e; u. ſ. f. So bald das Ohr laute Schlaͤge, die in gleichen Zeiten hinter einander folgen, vernihmt; ſo kann man ſich nicht enthalten im Geiſte ſie zu zaͤhlen; folglich ſie auf beſchriebene Art einzutheilen. Ma- chen wir dieſe Schlaͤge ſelbſt, ſo richten wir ſie ſchon ſo ein, daß das rhythmiſche Zaͤhlen durch die Ver- ſchiedenheit der Schlaͤge ſelbſt erleichtert werde. Der Faßbinder, oder Boͤttger, der einen Reifen antrei- bet, der Kupferſchmied, der einen Keſſel haͤmmert, faͤllt gar bald darauf, ſeine Schlaͤge nicht einzeln in voͤlliger Gleichheit ſo zu thun:  u. ſ. f. er wird bald ſo ſchlagen:𝄀𝄀 u. ſ. f. oder ſo: 𝄀𝄀 u. ſ. f. und die Staͤrke oder den Ton der drey, oder vier auf einen Takt gehenden Schlaͤge etwas abzuaͤndern, damit die Eintheilung in Glieder dem Ohr merklich werde. Eben ſo gewiß wird man aber auch ein Glied dem andern gleich machen. Denn wenn einer gleich den Einfall haͤtte ſo zu zaͤhlen 𝄀𝄀; ſo wird er unfehlbar aus zwey oder drey ungleichen Gliedern, wieder gleiche Einſchnitte machen, alſo: 𝄀𝄀𝄀𝄀𝄀𝄀 u. ſ. f. denn er wird fuͤhlen, daß ihm ohne dieſe Einfoͤr- migkeit das Zaͤhlen zu muͤheſam werden wuͤrde. Da wir nun aus ungezweifelter Erfahrung wiſ- ſen, daß dergleichen rhythmiſche Eintheilungen na- tuͤrlich ſind und im Gefuͤhle liegen; ſo iſt zu unter- ſuchen, auf was fuͤr einen Grund dieſes natuͤrliche Gefuͤhl beruhe. Hier iſt zuvoderſt anzumerken, daß wir bey einer Reyhe ſolcher Vorſtellungen, die ſchon an ſich, oder nach ihrer materiellen Beſchaffenheit Abwechslung und Mannigfaltigkeit haben, die uns dabey noͤthige Wuͤrkſamkeit zu unterhalten, keinen Rhythmus ver- langen. Bey einer Rede, die uns blos durch Er- zaͤhlung, oder durch Entwiklung der Begriffe unter- richten ſoll, verlangen wir nichts rhythmiſches. Auch da, wo man uns ruͤhren will, vermiſſen wir den Rhythmus nicht, ſo bald man uns einen ruͤh- renden Gegenſtand ſo beſchreibet, daß wir immer etwas neues, das die Empfindung zu reizen im Stand iſt, darin gewahr werden. Der Menſch, der uns zum Mitleiden gegen ſich bewegen will, daͤrf uns nur das Elend, das ihn druͤkt, umſtaͤnd- lich erzaͤhlen, ſo werden wir gewiß, ſo lange die Erzaͤhlung waͤhret, in einer anhaltenden Ruͤhrung ihm zuhoͤren, ohne etwas rhythmiſches in ſeinem Vortrag noͤthig zu haben, dieſe Empfindung zu un- terhalten. Sie wird durch immer neue Umſtaͤnde des Elendes, die wir waͤhrender Erzaͤhlung erfahren, genugſam unterhalten. Eben dieſe Beſchaffenheit hat es auch mit unſern Verrichtungen. Die dabey noͤthige Anſtrengung der Kraͤfte hat keiner fremden Unterſtuͤzung noͤthig, wenn die Arbeit ſelbſt uns immer etwas neues hervor- bringt. Kein Mahler wird den Penſel rhythmiſch fuͤhren; das neue, das auf jeden Strich entſtehet, hat hinlaͤnglichen Reiz das Beſtreben zu Fortſezung der Arbeit anhaltend zu machen: aber wer etwas glatt feilet, oder irgend eine Arbeit zu verrichten hat, deren Einerley durch nichts Neues gewuͤrzt wird, faͤllt

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 980[962]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/409>, abgerufen am 19.05.2024.