Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
Q.


[Spaltenumbruch]
Quaderwerk.
(Baukunst.)

So nennet man die Mauren, die von großen, an
den Fugen tief ausgefalzten Quaderstüken zusammen-
gesezt sind, oder doch so aussehen. Denn auch
Mauren von gebrannten Steinen können so mit
Kalk abgepuzt werden, daß sie wie aus Quaderstü-
ken zusammengesezt scheinen. Aber die tiefen Fugen
müssen schon in die gebrannten Steine eingehauen
seyn. Ein Quaderwerk an einem etwas hohen Fuß
eines Gebäudes, oder wenn das Gebäude sehr hoch
ist, an dem ganzen untersten Geschoß, giebt ihm
das Ansehen einer großen Festigkeit. Soll das Ge-
bäude sehr maßiv, und doch prächtig seyn, so kann
man über ein Geschoß von Quaderwerk ein Geschoß
von dorischer Ordnung machen. Nach dieser Art
ist das sehr maßive dabey aber prächtige Zeughaus
in Berlin gebaut. An dem Amphitheater in Ve-
rona ist die ganze unterste Ordnung von Quader-
werk, und nihmt sich gut aus. Die Catholische
Kirche in Berlin, ein feines schönes Gebäude, ist
von der Plinthe aus bis an das Gebälk durchaus
von Quaderwerk; und die Vorhalle von jonischer
Ordnung, mit vielem Schnizwerk zwischen den Säu-
len, sticht nicht zu stark gegen die ganz unverziehrte
Mauer von Quaderwerk ab.

Quarte.
(Musik)

Ein Jntervall von vier diatonischen Stufen, davon
zwey ganze Töne sind, und eine einen halben Ton
ausmacht; von dieser Anzahl diatonischer Stufen,
kommt sein Name, der so viel bedeutet, als, die
vierte Sayte vom Grundton. Die Quarte entsteht
durch die harmonische, oder arithmetische Theilung
der Octave. Wenn man nämlich zwischen zwey
gleichstarke und gleichgespannte Sayten, davon die
tiefere 12 Fuß, die höhere 6 Fuß lang wäre, eine
dritte, als die harmonisch mittlere (*) von 8 Fuß sezet,
so klinget diese gegen die untere das Jntervall der
Quinte, und alsdenn klinget die obere, gegen diese
mittlere, die Quarte. Sezet man aber zwischen die
Sayten 12 und 6 eine arithmetisch mittlere 9; so
klinget sie gegen die untere die Quarte, die obere
aber gegen ihr, die Quinte. Hieraus versteht man,
[Spaltenumbruch] was die ältern Tonlehrer sagen wollen, wenn sie sa-
gen, durch die Quinte werde die Octave harmonisch,
durch die Quarte arithmetisch getheilet.

Das reine Verhältnis der Quarte gegen den
Grundton, ist nach den Längen der Sayten wie 3/4
zu 1; oder kurz die Quarte wird durch 3/4 ausge-
gedrükt. Allein da man in der heutigen Musik die
einmal gestimmte diatonische Tonleiter für jeden
Grundton beybehält, so hat die Quarte auch nicht
immer dieses reine Verhältnis von 3/4 gegen jeden
Grundton. Man kann aus unsrer Tabelle der Jn-
tervalle (*) ihre verschiedenen Verhältnisse sehen,
wenn sie vollkommen, klein, oder übermäßig ist.
Von der übermäßigen Quarte, die insgemein der
Tritonus genennt wird, kommt unten an seinem
Ort ein besondererer Artikel vor; sie ist eine Disso-
nanz, die man gar nicht mehr zur Quarte rechnen
kann. Die eigentliche wahre Quarte kann in ihren
Verhältnissen sich nicht weit von 3/4 entfernen. Hier-
aus läßt sich schon abnehmen, daß die Quarte ein
angenehm consonirendes Jntervall, und das nächste
an Annehmlichkeit nach der Quinte, sey. Dafür
ist sie auch von den Alten, ohne Ausnahm immer
gehalten worden.

Hingegen findet man, daß die besten neuern Har-
monisten sie meistentheils, als eine Dissonanz behan-
deln, und eben den vorsichtigen Regeln der Vorbe-
reitung und Auflösung unterwerfen, als die unzwei-
felhaftesten Dissonanzen. Da es aber doch auch
Fälle giebt, wo Quarten gänzlich wie Consonanzen
behandelt werden, so ist daher unter den Tonlehrern,
die die wahren Gründe dieses anscheinenden Wieder-
spruchs nicht einzusehen vermochten, ein gewaltiger
Krieg über die Frag entstanden, ob dieses Jntervall
müsse den Consonanzen oder Dissonanzen zugezählt
werden. Und dieser Streit ist bey vielen bis au
diese Stunde nicht entschieden.

Und doch scheinet die Auflösung dieses paradoxen
Sazes, daß die Quarte bald consonirend, bald dis-
sonirend sey, eben nicht sehr schweer. Alle ältere
Tonlehrer sagen, die Quarte consonire, wenn sie aus
der harmonischen Theilung der Octav entstehe, und
dissonire, wenn sie aus der arithmetischen entstehe.
Andre drüken dieses so aus. Die Quarte dissonire
gegen die Tonica, hingegen consonire die Quarte

deren
(*) S.
Harmo-
nisch.
(*) S.
Jntervall.
Zweyter Theil. Z z z z z
Q.


[Spaltenumbruch]
Quaderwerk.
(Baukunſt.)

So nennet man die Mauren, die von großen, an
den Fugen tief ausgefalzten Quaderſtuͤken zuſammen-
geſezt ſind, oder doch ſo ausſehen. Denn auch
Mauren von gebrannten Steinen koͤnnen ſo mit
Kalk abgepuzt werden, daß ſie wie aus Quaderſtuͤ-
ken zuſammengeſezt ſcheinen. Aber die tiefen Fugen
muͤſſen ſchon in die gebrannten Steine eingehauen
ſeyn. Ein Quaderwerk an einem etwas hohen Fuß
eines Gebaͤudes, oder wenn das Gebaͤude ſehr hoch
iſt, an dem ganzen unterſten Geſchoß, giebt ihm
das Anſehen einer großen Feſtigkeit. Soll das Ge-
baͤude ſehr maßiv, und doch praͤchtig ſeyn, ſo kann
man uͤber ein Geſchoß von Quaderwerk ein Geſchoß
von doriſcher Ordnung machen. Nach dieſer Art
iſt das ſehr maßive dabey aber praͤchtige Zeughaus
in Berlin gebaut. An dem Amphitheater in Ve-
rona iſt die ganze unterſte Ordnung von Quader-
werk, und nihmt ſich gut aus. Die Catholiſche
Kirche in Berlin, ein feines ſchoͤnes Gebaͤude, iſt
von der Plinthe aus bis an das Gebaͤlk durchaus
von Quaderwerk; und die Vorhalle von joniſcher
Ordnung, mit vielem Schnizwerk zwiſchen den Saͤu-
len, ſticht nicht zu ſtark gegen die ganz unverziehrte
Mauer von Quaderwerk ab.

Quarte.
(Muſik)

Ein Jntervall von vier diatoniſchen Stufen, davon
zwey ganze Toͤne ſind, und eine einen halben Ton
ausmacht; von dieſer Anzahl diatoniſcher Stufen,
kommt ſein Name, der ſo viel bedeutet, als, die
vierte Sayte vom Grundton. Die Quarte entſteht
durch die harmoniſche, oder arithmetiſche Theilung
der Octave. Wenn man naͤmlich zwiſchen zwey
gleichſtarke und gleichgeſpannte Sayten, davon die
tiefere 12 Fuß, die hoͤhere 6 Fuß lang waͤre, eine
dritte, als die harmoniſch mittlere (*) von 8 Fuß ſezet,
ſo klinget dieſe gegen die untere das Jntervall der
Quinte, und alsdenn klinget die obere, gegen dieſe
mittlere, die Quarte. Sezet man aber zwiſchen die
Sayten 12 und 6 eine arithmetiſch mittlere 9; ſo
klinget ſie gegen die untere die Quarte, die obere
aber gegen ihr, die Quinte. Hieraus verſteht man,
[Spaltenumbruch] was die aͤltern Tonlehrer ſagen wollen, wenn ſie ſa-
gen, durch die Quinte werde die Octave harmoniſch,
durch die Quarte arithmetiſch getheilet.

Das reine Verhaͤltnis der Quarte gegen den
Grundton, iſt nach den Laͤngen der Sayten wie ¾
zu 1; oder kurz die Quarte wird durch ¾ ausge-
gedruͤkt. Allein da man in der heutigen Muſik die
einmal geſtimmte diatoniſche Tonleiter fuͤr jeden
Grundton beybehaͤlt, ſo hat die Quarte auch nicht
immer dieſes reine Verhaͤltnis von ¾ gegen jeden
Grundton. Man kann aus unſrer Tabelle der Jn-
tervalle (*) ihre verſchiedenen Verhaͤltniſſe ſehen,
wenn ſie vollkommen, klein, oder uͤbermaͤßig iſt.
Von der uͤbermaͤßigen Quarte, die insgemein der
Tritonus genennt wird, kommt unten an ſeinem
Ort ein beſondererer Artikel vor; ſie iſt eine Diſſo-
nanz, die man gar nicht mehr zur Quarte rechnen
kann. Die eigentliche wahre Quarte kann in ihren
Verhaͤltniſſen ſich nicht weit von ¾ entfernen. Hier-
aus laͤßt ſich ſchon abnehmen, daß die Quarte ein
angenehm conſonirendes Jntervall, und das naͤchſte
an Annehmlichkeit nach der Quinte, ſey. Dafuͤr
iſt ſie auch von den Alten, ohne Ausnahm immer
gehalten worden.

Hingegen findet man, daß die beſten neuern Har-
moniſten ſie meiſtentheils, als eine Diſſonanz behan-
deln, und eben den vorſichtigen Regeln der Vorbe-
reitung und Aufloͤſung unterwerfen, als die unzwei-
felhafteſten Diſſonanzen. Da es aber doch auch
Faͤlle giebt, wo Quarten gaͤnzlich wie Conſonanzen
behandelt werden, ſo iſt daher unter den Tonlehrern,
die die wahren Gruͤnde dieſes anſcheinenden Wieder-
ſpruchs nicht einzuſehen vermochten, ein gewaltiger
Krieg uͤber die Frag entſtanden, ob dieſes Jntervall
muͤſſe den Conſonanzen oder Diſſonanzen zugezaͤhlt
werden. Und dieſer Streit iſt bey vielen bis au
dieſe Stunde nicht entſchieden.

Und doch ſcheinet die Aufloͤſung dieſes paradoxen
Sazes, daß die Quarte bald conſonirend, bald diſ-
ſonirend ſey, eben nicht ſehr ſchweer. Alle aͤltere
Tonlehrer ſagen, die Quarte conſonire, wenn ſie aus
der harmoniſchen Theilung der Octav entſtehe, und
diſſonire, wenn ſie aus der arithmetiſchen entſtehe.
Andre druͤken dieſes ſo aus. Die Quarte diſſonire
gegen die Tonica, hingegen conſonire die Quarte

deren
(*) S.
Harmo-
niſch.
(*) S.
Jntervall.
Zweyter Theil. Z z z z z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0349" n="931[913]"/>
      <div n="1">
        <head>Q.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <cb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Quaderwerk</hi>.<lb/>
(Baukun&#x017F;t.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>o nennet man die Mauren, die von großen, an<lb/>
den Fugen tief ausgefalzten Quader&#x017F;tu&#x0364;ken zu&#x017F;ammen-<lb/>
ge&#x017F;ezt &#x017F;ind, oder doch &#x017F;o aus&#x017F;ehen. Denn auch<lb/>
Mauren von gebrannten Steinen ko&#x0364;nnen &#x017F;o mit<lb/>
Kalk abgepuzt werden, daß &#x017F;ie wie aus Quader&#x017F;tu&#x0364;-<lb/>
ken zu&#x017F;ammenge&#x017F;ezt &#x017F;cheinen. Aber die tiefen Fugen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon in die gebrannten Steine eingehauen<lb/>
&#x017F;eyn. Ein Quaderwerk an einem etwas hohen Fuß<lb/>
eines Geba&#x0364;udes, oder wenn das Geba&#x0364;ude &#x017F;ehr hoch<lb/>
i&#x017F;t, an dem ganzen unter&#x017F;ten Ge&#x017F;choß, giebt ihm<lb/>
das An&#x017F;ehen einer großen Fe&#x017F;tigkeit. Soll das Ge-<lb/>
ba&#x0364;ude &#x017F;ehr maßiv, und doch pra&#x0364;chtig &#x017F;eyn, &#x017F;o kann<lb/>
man u&#x0364;ber ein Ge&#x017F;choß von Quaderwerk ein Ge&#x017F;choß<lb/>
von dori&#x017F;cher Ordnung machen. Nach die&#x017F;er Art<lb/>
i&#x017F;t das &#x017F;ehr maßive dabey aber pra&#x0364;chtige Zeughaus<lb/>
in Berlin gebaut. An dem Amphitheater in Ve-<lb/>
rona i&#x017F;t die ganze unter&#x017F;te Ordnung von Quader-<lb/>
werk, und nihmt &#x017F;ich gut aus. Die Catholi&#x017F;che<lb/>
Kirche in Berlin, ein feines &#x017F;cho&#x0364;nes Geba&#x0364;ude, i&#x017F;t<lb/>
von der Plinthe aus bis an das Geba&#x0364;lk durchaus<lb/>
von Quaderwerk; und die Vorhalle von joni&#x017F;cher<lb/>
Ordnung, mit vielem Schnizwerk zwi&#x017F;chen den Sa&#x0364;u-<lb/>
len, &#x017F;ticht nicht zu &#x017F;tark gegen die ganz unverziehrte<lb/>
Mauer von Quaderwerk ab.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Quarte</hi>.<lb/>
(Mu&#x017F;ik)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>in Jntervall von vier diatoni&#x017F;chen Stufen, davon<lb/>
zwey ganze To&#x0364;ne &#x017F;ind, und eine einen halben Ton<lb/>
ausmacht; von die&#x017F;er Anzahl diatoni&#x017F;cher Stufen,<lb/>
kommt &#x017F;ein Name, der &#x017F;o viel bedeutet, als, die<lb/><hi rendition="#fr">vierte Sayte</hi> vom Grundton. Die Quarte ent&#x017F;teht<lb/>
durch die harmoni&#x017F;che, oder arithmeti&#x017F;che Theilung<lb/>
der Octave. Wenn man na&#x0364;mlich zwi&#x017F;chen zwey<lb/>
gleich&#x017F;tarke und gleichge&#x017F;pannte Sayten, davon die<lb/>
tiefere 12 Fuß, die ho&#x0364;here 6 Fuß lang wa&#x0364;re, eine<lb/>
dritte, als die harmoni&#x017F;ch mittlere <note place="foot" n="(*)">S.<lb/>
Harmo-<lb/>
ni&#x017F;ch.</note> von 8 Fuß &#x017F;ezet,<lb/>
&#x017F;o klinget die&#x017F;e gegen die untere das Jntervall der<lb/>
Quinte, und alsdenn klinget die obere, gegen die&#x017F;e<lb/>
mittlere, die Quarte. Sezet man aber zwi&#x017F;chen die<lb/>
Sayten 12 und 6 eine arithmeti&#x017F;ch mittlere 9; &#x017F;o<lb/>
klinget &#x017F;ie gegen die untere die Quarte, die obere<lb/>
aber gegen ihr, die Quinte. Hieraus ver&#x017F;teht man,<lb/><cb/>
was die a&#x0364;ltern Tonlehrer &#x017F;agen wollen, wenn &#x017F;ie &#x017F;a-<lb/>
gen, durch die Quinte werde die Octave harmoni&#x017F;ch,<lb/>
durch die Quarte arithmeti&#x017F;ch getheilet.</p><lb/>
          <p>Das reine Verha&#x0364;ltnis der Quarte gegen den<lb/>
Grundton, i&#x017F;t nach den La&#x0364;ngen der Sayten wie ¾<lb/>
zu 1; oder kurz die Quarte wird durch ¾ ausge-<lb/>
gedru&#x0364;kt. Allein da man in der heutigen Mu&#x017F;ik die<lb/>
einmal ge&#x017F;timmte diatoni&#x017F;che Tonleiter fu&#x0364;r jeden<lb/>
Grundton beybeha&#x0364;lt, &#x017F;o hat die Quarte auch nicht<lb/>
immer die&#x017F;es reine Verha&#x0364;ltnis von ¾ gegen jeden<lb/>
Grundton. Man kann aus un&#x017F;rer Tabelle der Jn-<lb/>
tervalle <note place="foot" n="(*)">S.<lb/>
Jntervall.</note> ihre ver&#x017F;chiedenen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ehen,<lb/>
wenn &#x017F;ie vollkommen, klein, oder u&#x0364;berma&#x0364;ßig i&#x017F;t.<lb/>
Von der u&#x0364;berma&#x0364;ßigen Quarte, die insgemein der<lb/><hi rendition="#fr">Tritonus</hi> genennt wird, kommt unten an &#x017F;einem<lb/>
Ort ein be&#x017F;ondererer Artikel vor; &#x017F;ie i&#x017F;t eine Di&#x017F;&#x017F;o-<lb/>
nanz, die man gar nicht mehr zur Quarte rechnen<lb/>
kann. Die eigentliche wahre Quarte kann in ihren<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht weit von ¾ entfernen. Hier-<lb/>
aus la&#x0364;ßt &#x017F;ich &#x017F;chon abnehmen, daß die Quarte ein<lb/>
angenehm con&#x017F;onirendes Jntervall, und das na&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
an Annehmlichkeit nach der Quinte, &#x017F;ey. Dafu&#x0364;r<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie auch von den Alten, ohne Ausnahm immer<lb/>
gehalten worden.</p><lb/>
          <p>Hingegen findet man, daß die be&#x017F;ten neuern Har-<lb/>
moni&#x017F;ten &#x017F;ie mei&#x017F;tentheils, als eine Di&#x017F;&#x017F;onanz behan-<lb/>
deln, und eben den vor&#x017F;ichtigen Regeln der Vorbe-<lb/>
reitung und Auflo&#x0364;&#x017F;ung unterwerfen, als die unzwei-<lb/>
felhafte&#x017F;ten Di&#x017F;&#x017F;onanzen. Da es aber doch auch<lb/>
Fa&#x0364;lle giebt, wo Quarten ga&#x0364;nzlich wie Con&#x017F;onanzen<lb/>
behandelt werden, &#x017F;o i&#x017F;t daher unter den Tonlehrern,<lb/>
die die wahren Gru&#x0364;nde die&#x017F;es an&#x017F;cheinenden Wieder-<lb/>
&#x017F;pruchs nicht einzu&#x017F;ehen vermochten, ein gewaltiger<lb/>
Krieg u&#x0364;ber die Frag ent&#x017F;tanden, ob die&#x017F;es Jntervall<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e den Con&#x017F;onanzen oder Di&#x017F;&#x017F;onanzen zugeza&#x0364;hlt<lb/>
werden. Und die&#x017F;er Streit i&#x017F;t bey vielen bis au<lb/>
die&#x017F;e Stunde nicht ent&#x017F;chieden.</p><lb/>
          <p>Und doch &#x017F;cheinet die Auflo&#x0364;&#x017F;ung die&#x017F;es paradoxen<lb/>
Sazes, daß die Quarte bald con&#x017F;onirend, bald di&#x017F;-<lb/>
&#x017F;onirend &#x017F;ey, eben nicht &#x017F;ehr &#x017F;chweer. Alle a&#x0364;ltere<lb/>
Tonlehrer &#x017F;agen, die Quarte con&#x017F;onire, wenn &#x017F;ie aus<lb/>
der harmoni&#x017F;chen Theilung der Octav ent&#x017F;tehe, und<lb/>
di&#x017F;&#x017F;onire, wenn &#x017F;ie aus der arithmeti&#x017F;chen ent&#x017F;tehe.<lb/>
Andre dru&#x0364;ken die&#x017F;es &#x017F;o aus. Die Quarte di&#x017F;&#x017F;onire<lb/>
gegen die Tonica, hingegen con&#x017F;onire die Quarte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Zweyter Theil.</hi> Z z z z z</fw><fw place="bottom" type="catch">deren</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[931[913]/0349] Q. Quaderwerk. (Baukunſt.) So nennet man die Mauren, die von großen, an den Fugen tief ausgefalzten Quaderſtuͤken zuſammen- geſezt ſind, oder doch ſo ausſehen. Denn auch Mauren von gebrannten Steinen koͤnnen ſo mit Kalk abgepuzt werden, daß ſie wie aus Quaderſtuͤ- ken zuſammengeſezt ſcheinen. Aber die tiefen Fugen muͤſſen ſchon in die gebrannten Steine eingehauen ſeyn. Ein Quaderwerk an einem etwas hohen Fuß eines Gebaͤudes, oder wenn das Gebaͤude ſehr hoch iſt, an dem ganzen unterſten Geſchoß, giebt ihm das Anſehen einer großen Feſtigkeit. Soll das Ge- baͤude ſehr maßiv, und doch praͤchtig ſeyn, ſo kann man uͤber ein Geſchoß von Quaderwerk ein Geſchoß von doriſcher Ordnung machen. Nach dieſer Art iſt das ſehr maßive dabey aber praͤchtige Zeughaus in Berlin gebaut. An dem Amphitheater in Ve- rona iſt die ganze unterſte Ordnung von Quader- werk, und nihmt ſich gut aus. Die Catholiſche Kirche in Berlin, ein feines ſchoͤnes Gebaͤude, iſt von der Plinthe aus bis an das Gebaͤlk durchaus von Quaderwerk; und die Vorhalle von joniſcher Ordnung, mit vielem Schnizwerk zwiſchen den Saͤu- len, ſticht nicht zu ſtark gegen die ganz unverziehrte Mauer von Quaderwerk ab. Quarte. (Muſik) Ein Jntervall von vier diatoniſchen Stufen, davon zwey ganze Toͤne ſind, und eine einen halben Ton ausmacht; von dieſer Anzahl diatoniſcher Stufen, kommt ſein Name, der ſo viel bedeutet, als, die vierte Sayte vom Grundton. Die Quarte entſteht durch die harmoniſche, oder arithmetiſche Theilung der Octave. Wenn man naͤmlich zwiſchen zwey gleichſtarke und gleichgeſpannte Sayten, davon die tiefere 12 Fuß, die hoͤhere 6 Fuß lang waͤre, eine dritte, als die harmoniſch mittlere (*) von 8 Fuß ſezet, ſo klinget dieſe gegen die untere das Jntervall der Quinte, und alsdenn klinget die obere, gegen dieſe mittlere, die Quarte. Sezet man aber zwiſchen die Sayten 12 und 6 eine arithmetiſch mittlere 9; ſo klinget ſie gegen die untere die Quarte, die obere aber gegen ihr, die Quinte. Hieraus verſteht man, was die aͤltern Tonlehrer ſagen wollen, wenn ſie ſa- gen, durch die Quinte werde die Octave harmoniſch, durch die Quarte arithmetiſch getheilet. Das reine Verhaͤltnis der Quarte gegen den Grundton, iſt nach den Laͤngen der Sayten wie ¾ zu 1; oder kurz die Quarte wird durch ¾ ausge- gedruͤkt. Allein da man in der heutigen Muſik die einmal geſtimmte diatoniſche Tonleiter fuͤr jeden Grundton beybehaͤlt, ſo hat die Quarte auch nicht immer dieſes reine Verhaͤltnis von ¾ gegen jeden Grundton. Man kann aus unſrer Tabelle der Jn- tervalle (*) ihre verſchiedenen Verhaͤltniſſe ſehen, wenn ſie vollkommen, klein, oder uͤbermaͤßig iſt. Von der uͤbermaͤßigen Quarte, die insgemein der Tritonus genennt wird, kommt unten an ſeinem Ort ein beſondererer Artikel vor; ſie iſt eine Diſſo- nanz, die man gar nicht mehr zur Quarte rechnen kann. Die eigentliche wahre Quarte kann in ihren Verhaͤltniſſen ſich nicht weit von ¾ entfernen. Hier- aus laͤßt ſich ſchon abnehmen, daß die Quarte ein angenehm conſonirendes Jntervall, und das naͤchſte an Annehmlichkeit nach der Quinte, ſey. Dafuͤr iſt ſie auch von den Alten, ohne Ausnahm immer gehalten worden. Hingegen findet man, daß die beſten neuern Har- moniſten ſie meiſtentheils, als eine Diſſonanz behan- deln, und eben den vorſichtigen Regeln der Vorbe- reitung und Aufloͤſung unterwerfen, als die unzwei- felhafteſten Diſſonanzen. Da es aber doch auch Faͤlle giebt, wo Quarten gaͤnzlich wie Conſonanzen behandelt werden, ſo iſt daher unter den Tonlehrern, die die wahren Gruͤnde dieſes anſcheinenden Wieder- ſpruchs nicht einzuſehen vermochten, ein gewaltiger Krieg uͤber die Frag entſtanden, ob dieſes Jntervall muͤſſe den Conſonanzen oder Diſſonanzen zugezaͤhlt werden. Und dieſer Streit iſt bey vielen bis au dieſe Stunde nicht entſchieden. Und doch ſcheinet die Aufloͤſung dieſes paradoxen Sazes, daß die Quarte bald conſonirend, bald diſ- ſonirend ſey, eben nicht ſehr ſchweer. Alle aͤltere Tonlehrer ſagen, die Quarte conſonire, wenn ſie aus der harmoniſchen Theilung der Octav entſtehe, und diſſonire, wenn ſie aus der arithmetiſchen entſtehe. Andre druͤken dieſes ſo aus. Die Quarte diſſonire gegen die Tonica, hingegen conſonire die Quarte deren (*) S. Harmo- niſch. (*) S. Jntervall. Zweyter Theil. Z z z z z

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/349
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 931[913]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/349>, abgerufen am 24.11.2024.