Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.[Spaltenumbruch] Ope Audienzzimmer. Das unnatürliche Gefolg stelltsich für einen Augenblik in Parade; weil aber die Unterredung geheim seyn soll, so zieht es auch gleich wieder ab; und nicht selten fängt währenden Abzug, der ofte mit nicht geringen Geräusch begleitet ist, die geheime Unterredung, von der der Zuhörer kein Wort vernehmlich hört, an. Andremale wird eine Scene durch die Armuth der Vorstellung abgeschmakt. Man will ein ganzes Heer, oder wol gar eine Feld- schlacht vorstellen, und bewürkt dieses Schauspiehl, das den Zuschauer in Erstaunen sezen soll, mit ei- nem paar duzend Soldaten, die man um ihren Zug recht wunderbar zu machen, einzeln, drey bis vier- mal im Kreis herumziehen läßt, damit Niemand merke, daß ihrer nur so wenig seyen: und die fürch- terliche Schlacht, wird unter dem Geräusch der Vio- linen dadurch geliefert, daß die Krieger mit ihren hölzernen Degen, auf die von Pappe gemachten Schilde der Feinde schlagen, und ein dumpfes Ge- räusch machen. Nicht einmal Kinder können sich bey einer so fürchterlichen Schlacht des Lachens ent- halten. Aber es wird mir zu verdrießlich die Kin- dereyen zu rügen, die das höchste Werk der schönen Künste, bis zum Possenspiehl erniedrigen. Ueber die Verziehrungen und Tänze, hab ich meine An- merkungen in andern Artikeln vorgetragen. (*) Damit mich Niemand beschuldige, daß ich blos Ope Dinge entstehen kann, verschwindet: und diesesMeisterstük der Erfindung des Wizes, verwandelt sich in ein langweiliges, unzusammenhangendes, unwahrscheinliches, abentheuerliches und groteskes Werk, das alle die schimpfliche Namen, die man ihm giebt, und die strenge Rügung derer, die mit Recht das Vergnügen, als eine sehr wichtige Sache ansehen, wol verdienes." So urtheilt ein Jtaliä- uer, dem die Ehre seiner Nation sehr am Herzen liegt, von einer Erfindung, die in Jtalien gemacht und wodurch es berühmt worden ist. Bey dem in der lezten Anmerkung vorkommenden Ausdruk der schimpflichen Namen, führet er eine spöttische Stelle aus einem englischen Wochenblatt die Welt an, die so lautet: "Wie das Wasser eines gewissen Brun- nens in Thessalien, wegen seiner berauschenden Kraft in nichts anderm, als einem Eselshuf konnte auf- bewahrt werden; so kann dieses matte und zertrüm- merte Werk (die Oper) nur in solchen Köpfen, die besonders dazu gemacht sind, Eingang finden." (*) Und dennoch hat selbst bey diesen Ungereimtheiten, Jch weiß wol, daß die Mode und mancherley un- nium (*) Bal- let, Tanz- Schau- bühne. (*) Man sehe auch Glucks Vorrede zur Oper Alcestis. M m m m m 2
[Spaltenumbruch] Ope Audienzzimmer. Das unnatuͤrliche Gefolg ſtelltſich fuͤr einen Augenblik in Parade; weil aber die Unterredung geheim ſeyn ſoll, ſo zieht es auch gleich wieder ab; und nicht ſelten faͤngt waͤhrenden Abzug, der ofte mit nicht geringen Geraͤuſch begleitet iſt, die geheime Unterredung, von der der Zuhoͤrer kein Wort vernehmlich hoͤrt, an. Andremale wird eine Scene durch die Armuth der Vorſtellung abgeſchmakt. Man will ein ganzes Heer, oder wol gar eine Feld- ſchlacht vorſtellen, und bewuͤrkt dieſes Schauſpiehl, das den Zuſchauer in Erſtaunen ſezen ſoll, mit ei- nem paar duzend Soldaten, die man um ihren Zug recht wunderbar zu machen, einzeln, drey bis vier- mal im Kreis herumziehen laͤßt, damit Niemand merke, daß ihrer nur ſo wenig ſeyen: und die fuͤrch- terliche Schlacht, wird unter dem Geraͤuſch der Vio- linen dadurch geliefert, daß die Krieger mit ihren hoͤlzernen Degen, auf die von Pappe gemachten Schilde der Feinde ſchlagen, und ein dumpfes Ge- raͤuſch machen. Nicht einmal Kinder koͤnnen ſich bey einer ſo fuͤrchterlichen Schlacht des Lachens ent- halten. Aber es wird mir zu verdrießlich die Kin- dereyen zu ruͤgen, die das hoͤchſte Werk der ſchoͤnen Kuͤnſte, bis zum Poſſenſpiehl erniedrigen. Ueber die Verziehrungen und Taͤnze, hab ich meine An- merkungen in andern Artikeln vorgetragen. (*) Damit mich Niemand beſchuldige, daß ich blos Ope Dinge entſtehen kann, verſchwindet: und dieſesMeiſterſtuͤk der Erfindung des Wizes, verwandelt ſich in ein langweiliges, unzuſammenhangendes, unwahrſcheinliches, abentheuerliches und groteskes Werk, das alle die ſchimpfliche Namen, die man ihm giebt, und die ſtrenge Ruͤgung derer, die mit Recht das Vergnuͤgen, als eine ſehr wichtige Sache anſehen, wol verdienes.„ So urtheilt ein Jtaliaͤ- uer, dem die Ehre ſeiner Nation ſehr am Herzen liegt, von einer Erfindung, die in Jtalien gemacht und wodurch es beruͤhmt worden iſt. Bey dem in der lezten Anmerkung vorkommenden Ausdruk der ſchimpflichen Namen, fuͤhret er eine ſpoͤttiſche Stelle aus einem engliſchen Wochenblatt die Welt an, die ſo lautet: „Wie das Waſſer eines gewiſſen Brun- nens in Theſſalien, wegen ſeiner berauſchenden Kraft in nichts anderm, als einem Eſelshuf konnte auf- bewahrt werden; ſo kann dieſes matte und zertruͤm- merte Werk (die Oper) nur in ſolchen Koͤpfen, die beſonders dazu gemacht ſind, Eingang finden.„ (*) Und dennoch hat ſelbſt bey dieſen Ungereimtheiten, Jch weiß wol, daß die Mode und mancherley un- nium (*) Bal- let, Tanz- Schau- buͤhne. (*) Man ſehe auch Glucks Vorrede zur Oper Alceſtis. M m m m m 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="845[827]"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ope</hi></fw><lb/> Audienzzimmer. Das unnatuͤrliche Gefolg ſtellt<lb/> ſich fuͤr einen Augenblik in Parade; weil aber die<lb/> Unterredung geheim ſeyn ſoll, ſo zieht es auch gleich<lb/> wieder ab; und nicht ſelten faͤngt waͤhrenden Abzug,<lb/> der ofte mit nicht geringen Geraͤuſch begleitet iſt, die<lb/> geheime Unterredung, von der der Zuhoͤrer kein<lb/> Wort vernehmlich hoͤrt, an. Andremale wird eine<lb/> Scene durch die Armuth der Vorſtellung abgeſchmakt.<lb/> Man will ein ganzes Heer, oder wol gar eine Feld-<lb/> ſchlacht vorſtellen, und bewuͤrkt dieſes Schauſpiehl,<lb/> das den Zuſchauer in Erſtaunen ſezen ſoll, mit ei-<lb/> nem paar duzend Soldaten, die man um ihren Zug<lb/> recht wunderbar zu machen, einzeln, drey bis vier-<lb/> mal im Kreis herumziehen laͤßt, damit Niemand<lb/> merke, daß ihrer nur ſo wenig ſeyen: und die fuͤrch-<lb/> terliche Schlacht, wird unter dem Geraͤuſch der Vio-<lb/> linen dadurch geliefert, daß die Krieger mit ihren<lb/> hoͤlzernen Degen, auf die von Pappe gemachten<lb/> Schilde der Feinde ſchlagen, und ein dumpfes Ge-<lb/> raͤuſch machen. Nicht einmal Kinder koͤnnen ſich<lb/> bey einer ſo fuͤrchterlichen Schlacht des Lachens ent-<lb/> halten. Aber es wird mir zu verdrießlich die Kin-<lb/> dereyen zu ruͤgen, die das hoͤchſte Werk der ſchoͤnen<lb/> Kuͤnſte, bis zum Poſſenſpiehl erniedrigen. Ueber<lb/> die Verziehrungen und Taͤnze, hab ich meine An-<lb/> merkungen in andern Artikeln vorgetragen. <note place="foot" n="(*)">Bal-<lb/> let, Tanz-<lb/> Schau-<lb/> buͤhne.</note></p><lb/> <p>Damit mich Niemand beſchuldige, daß ich blos<lb/> aus verdrießlicher Laune, ſo viel Boͤſes von der Oper<lb/> ſage, oder die Sachen uͤbertreibe, will ich die Ge-<lb/> danken eines in dieſem Punkt gewiß unpartheyſchen<lb/> Mannes, des Grafen Algarotti anfuͤhren, der ſei-<lb/> nen Verſuch uͤber die Oper mit folgender Betrach-<lb/> tung anfaͤngt. „Von allen Schauſpiehlen, die zum<lb/> Zeitvertreib der Perſonen von Geſchmak und Einſicht<lb/> erfunden worden, ſcheinet keines feiner ausgedacht<lb/> oder vollkommener zu ſeyn, als die Oper. — Aber<lb/> ungluͤklicher Weiſe geht es damit, wie mit mecha-<lb/> niſchen Werken, die ſehr zuſammengeſetzt ſind, und<lb/> eben deswegen leicht in Unordnung gerathen. —<lb/> Alles wol betrachtet, laͤßt ſich leicht begreifen, war-<lb/> um ein Schauſpiehl, das natuͤrlicher Weiſe das an-<lb/> genehmſte von allen ſeyn ſollte, <hi rendition="#fr">ſo abgeſchmakt</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">ſo langweilig</hi> wird. Man hat dieſes blos der ver-<lb/> nachlaͤßigten Uebereinſtimmung der verſchiedenen<lb/> Dinge zuzuſchreiben, die zur Oper gehoͤren, dadurch<lb/> geſchieht es, daß ſie nicht einmal ein Schatten einer<lb/> wahren Nachahmung iſt: die Taͤuſchung die nur<lb/> aus vollkommener Vereinigung aller dazu gehoͤrigen<lb/><cb/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ope</hi></fw><lb/> Dinge entſtehen kann, verſchwindet: und <hi rendition="#fr">dieſes<lb/> Meiſterſtuͤk der Erfindung des Wizes, verwandelt<lb/> ſich in ein langweiliges, unzuſammenhangendes,<lb/> unwahrſcheinliches, abentheuerliches und groteskes<lb/> Werk, das alle die ſchimpfliche Namen, die man<lb/> ihm giebt, und die ſtrenge Ruͤgung derer, die mit<lb/> Recht das Vergnuͤgen, als eine ſehr wichtige Sache<lb/> anſehen, wol verdienes.„</hi> So urtheilt ein Jtaliaͤ-<lb/> uer, dem die Ehre ſeiner Nation ſehr am Herzen<lb/> liegt, von einer Erfindung, die in Jtalien gemacht<lb/> und wodurch es beruͤhmt worden iſt. Bey dem in<lb/> der lezten Anmerkung vorkommenden Ausdruk der<lb/> ſchimpflichen Namen, fuͤhret er eine ſpoͤttiſche Stelle<lb/> aus einem engliſchen Wochenblatt <hi rendition="#fr">die Welt</hi> an, die<lb/> ſo lautet: „Wie das Waſſer eines gewiſſen Brun-<lb/> nens in Theſſalien, wegen ſeiner berauſchenden Kraft<lb/> in nichts anderm, als einem Eſelshuf konnte auf-<lb/> bewahrt werden; ſo kann dieſes matte und zertruͤm-<lb/> merte Werk (die Oper) nur in ſolchen Koͤpfen, die<lb/> beſonders dazu gemacht ſind, Eingang finden.„ <note place="foot" n="(*)">Man<lb/> ſehe auch<lb/><hi rendition="#fr">Glucks</hi><lb/> Vorrede<lb/> zur Oper<lb/> Alceſtis.</note></p><lb/> <p>Und dennoch hat ſelbſt bey dieſen Ungereimtheiten,<lb/> dieſes Schauſpiehl in einzelen Scenen mich oft ent-<lb/> zuͤkt: mehr als einmal hab ich dabey vergeſſen, daß<lb/> ich ein kuͤnſtliches, in ſo manchen Theilen unnatuͤr-<lb/> liches Schauſpiehl ſehe, habe mir eingebildet das<lb/> Weheklagen ungluͤklicher Perſonen, das Jammern<lb/> einer Mutter um ihr umgebrachtes Kind; die Ver-<lb/> zweiflung einer Gattin, der ein geliebter Gemahl<lb/> entriſſen und zum Tode verurtheilt worden; den na-<lb/> tuͤrlichſten und durchdringenſten Ausdruk zaͤrtlicher,<lb/> oder heftiger Leidenſchaften, nicht nachgeahmt, ſon-<lb/> dern wuͤrklich zu hoͤren. Nach ſolchen hinreißenden<lb/> Scenen begreift man, was fuͤr ein fuͤrtrefliches<lb/> Schauſpiehl die Oper ſeyn und wie weit ſie die an-<lb/> dern uͤbertreffen koͤnnte. Man bedauert, daß ſo<lb/> herzruͤhrende Dinge mitten unter ſo viel Ungereimt-<lb/> heiten vorkommen, und man kann ſich nicht enthal-<lb/> ten auf Entwuͤrfe zu denken, wie dieſes Schauſpiehl<lb/> von dem Unrath des darin vorkommenden kindiſchen<lb/> Zeuges gereiniget, und bey ſeiner ſo uͤberwiegenden<lb/> Kraft auf einen edlern und groͤßern Zwek, als der<lb/> bloße Zeitvertreib iſt, angewendet werden koͤnne.</p><lb/> <p>Jch weiß wol, daß die Mode und mancherley un-<lb/> uͤberlegte und kaum bemerkbare Urſachen, die gleich<lb/> dem unhintertreiblichen Schikſal, das dem Lauf<lb/> aller menſchlichen Geſchaͤfte ſeine Wendung giebt,<lb/> in jedem Jahrhundert den Wiſſenſchaften und Kuͤn-<lb/> ſten ihren Schwung und ihren Geiſt, den man <hi rendition="#aq">Ge-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">M m m m m 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">nium</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [845[827]/0262]
Ope
Ope
Audienzzimmer. Das unnatuͤrliche Gefolg ſtellt
ſich fuͤr einen Augenblik in Parade; weil aber die
Unterredung geheim ſeyn ſoll, ſo zieht es auch gleich
wieder ab; und nicht ſelten faͤngt waͤhrenden Abzug,
der ofte mit nicht geringen Geraͤuſch begleitet iſt, die
geheime Unterredung, von der der Zuhoͤrer kein
Wort vernehmlich hoͤrt, an. Andremale wird eine
Scene durch die Armuth der Vorſtellung abgeſchmakt.
Man will ein ganzes Heer, oder wol gar eine Feld-
ſchlacht vorſtellen, und bewuͤrkt dieſes Schauſpiehl,
das den Zuſchauer in Erſtaunen ſezen ſoll, mit ei-
nem paar duzend Soldaten, die man um ihren Zug
recht wunderbar zu machen, einzeln, drey bis vier-
mal im Kreis herumziehen laͤßt, damit Niemand
merke, daß ihrer nur ſo wenig ſeyen: und die fuͤrch-
terliche Schlacht, wird unter dem Geraͤuſch der Vio-
linen dadurch geliefert, daß die Krieger mit ihren
hoͤlzernen Degen, auf die von Pappe gemachten
Schilde der Feinde ſchlagen, und ein dumpfes Ge-
raͤuſch machen. Nicht einmal Kinder koͤnnen ſich
bey einer ſo fuͤrchterlichen Schlacht des Lachens ent-
halten. Aber es wird mir zu verdrießlich die Kin-
dereyen zu ruͤgen, die das hoͤchſte Werk der ſchoͤnen
Kuͤnſte, bis zum Poſſenſpiehl erniedrigen. Ueber
die Verziehrungen und Taͤnze, hab ich meine An-
merkungen in andern Artikeln vorgetragen. (*)
Damit mich Niemand beſchuldige, daß ich blos
aus verdrießlicher Laune, ſo viel Boͤſes von der Oper
ſage, oder die Sachen uͤbertreibe, will ich die Ge-
danken eines in dieſem Punkt gewiß unpartheyſchen
Mannes, des Grafen Algarotti anfuͤhren, der ſei-
nen Verſuch uͤber die Oper mit folgender Betrach-
tung anfaͤngt. „Von allen Schauſpiehlen, die zum
Zeitvertreib der Perſonen von Geſchmak und Einſicht
erfunden worden, ſcheinet keines feiner ausgedacht
oder vollkommener zu ſeyn, als die Oper. — Aber
ungluͤklicher Weiſe geht es damit, wie mit mecha-
niſchen Werken, die ſehr zuſammengeſetzt ſind, und
eben deswegen leicht in Unordnung gerathen. —
Alles wol betrachtet, laͤßt ſich leicht begreifen, war-
um ein Schauſpiehl, das natuͤrlicher Weiſe das an-
genehmſte von allen ſeyn ſollte, ſo abgeſchmakt und
ſo langweilig wird. Man hat dieſes blos der ver-
nachlaͤßigten Uebereinſtimmung der verſchiedenen
Dinge zuzuſchreiben, die zur Oper gehoͤren, dadurch
geſchieht es, daß ſie nicht einmal ein Schatten einer
wahren Nachahmung iſt: die Taͤuſchung die nur
aus vollkommener Vereinigung aller dazu gehoͤrigen
Dinge entſtehen kann, verſchwindet: und dieſes
Meiſterſtuͤk der Erfindung des Wizes, verwandelt
ſich in ein langweiliges, unzuſammenhangendes,
unwahrſcheinliches, abentheuerliches und groteskes
Werk, das alle die ſchimpfliche Namen, die man
ihm giebt, und die ſtrenge Ruͤgung derer, die mit
Recht das Vergnuͤgen, als eine ſehr wichtige Sache
anſehen, wol verdienes.„ So urtheilt ein Jtaliaͤ-
uer, dem die Ehre ſeiner Nation ſehr am Herzen
liegt, von einer Erfindung, die in Jtalien gemacht
und wodurch es beruͤhmt worden iſt. Bey dem in
der lezten Anmerkung vorkommenden Ausdruk der
ſchimpflichen Namen, fuͤhret er eine ſpoͤttiſche Stelle
aus einem engliſchen Wochenblatt die Welt an, die
ſo lautet: „Wie das Waſſer eines gewiſſen Brun-
nens in Theſſalien, wegen ſeiner berauſchenden Kraft
in nichts anderm, als einem Eſelshuf konnte auf-
bewahrt werden; ſo kann dieſes matte und zertruͤm-
merte Werk (die Oper) nur in ſolchen Koͤpfen, die
beſonders dazu gemacht ſind, Eingang finden.„ (*)
Und dennoch hat ſelbſt bey dieſen Ungereimtheiten,
dieſes Schauſpiehl in einzelen Scenen mich oft ent-
zuͤkt: mehr als einmal hab ich dabey vergeſſen, daß
ich ein kuͤnſtliches, in ſo manchen Theilen unnatuͤr-
liches Schauſpiehl ſehe, habe mir eingebildet das
Weheklagen ungluͤklicher Perſonen, das Jammern
einer Mutter um ihr umgebrachtes Kind; die Ver-
zweiflung einer Gattin, der ein geliebter Gemahl
entriſſen und zum Tode verurtheilt worden; den na-
tuͤrlichſten und durchdringenſten Ausdruk zaͤrtlicher,
oder heftiger Leidenſchaften, nicht nachgeahmt, ſon-
dern wuͤrklich zu hoͤren. Nach ſolchen hinreißenden
Scenen begreift man, was fuͤr ein fuͤrtrefliches
Schauſpiehl die Oper ſeyn und wie weit ſie die an-
dern uͤbertreffen koͤnnte. Man bedauert, daß ſo
herzruͤhrende Dinge mitten unter ſo viel Ungereimt-
heiten vorkommen, und man kann ſich nicht enthal-
ten auf Entwuͤrfe zu denken, wie dieſes Schauſpiehl
von dem Unrath des darin vorkommenden kindiſchen
Zeuges gereiniget, und bey ſeiner ſo uͤberwiegenden
Kraft auf einen edlern und groͤßern Zwek, als der
bloße Zeitvertreib iſt, angewendet werden koͤnne.
Jch weiß wol, daß die Mode und mancherley un-
uͤberlegte und kaum bemerkbare Urſachen, die gleich
dem unhintertreiblichen Schikſal, das dem Lauf
aller menſchlichen Geſchaͤfte ſeine Wendung giebt,
in jedem Jahrhundert den Wiſſenſchaften und Kuͤn-
ſten ihren Schwung und ihren Geiſt, den man Ge-
nium
(*) Bal-
let, Tanz-
Schau-
buͤhne.
(*) Man
ſehe auch
Glucks
Vorrede
zur Oper
Alceſtis.
M m m m m 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |