Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Mon
a b wäre, so gäbe die Sayte m f die reine Quinte
von C oder G; und wenn i k so weit eingeschoden
würde, daß die Länge k d genau 4/5 der ganzen Sayte
wäre, so gäbe k d die reineste große Terz von C.
Bequämer für den würklichen Gebrauch wär es,
wenn die vier ledigen Sayten, ehe die Stäge daran
kommen, so gestimmt wären, daß der Ton der er-
stern a b, eine reine Octave tiefer, als die Töne der
drey andern wäre.

Dieses vorausgesezt, kann man leichte sehen, wie
ein solches Jnstrument zur Prüfung einer Tempera-
tur könne gebraucht werden. Ein Beyspiel wird
die Sach am besten erläutern. Gesezt also, man
wollte die Kirnbergerische Temperatur prüfen, nach-
dem man sie einmal durch Zahlen nach den Längen
der Sayten ausgedrükt hat. (*) Da die Reinigkeit
der Harmonie hauptsächlich auf der Beschaffenheit
des Dreyklanges beruhet, indem die Consonanzen
die wenigsten Abweichungen von der vollkommenen
Reinigkeit vertragen: so ist es hinlänglich, um eine
Temperatur zu prüfen, wenn man alle darin vor-
kommende Dreyklänge durch das Gehör beurtheilet.
Denn wenn diese gut consoniren, so ist gewiß auch
die ganze Temperatur gut.

Zufoderst also suche man alle darin vorkommende
kleine und große Terzen heraus, und bezeichne sie
durch die ihnen zukommende Zahlen, als kleine Ter-
zen: C-bE, , Cis-E, , Fis-A; ,
A-c, , E-G,
5/6 ; große Terzen; C-E, 4/5 , B-d,
, E-Gis, , F-A, ; A-Cis,
,
hernach auf gleiche Weise die Quinten, derer in die-
ser Temperatur viererley vorkommen, nämlich C-G,
2/3 ; D-A, ; A-e,
und Fis-Cis, .
Hierauf trage man auf dem Monochord längst der
zweyten Sayte c d, alle kleinen und großen Terzen
auf; das ist, man trage von d nach k, von der
ganzen Länge der Sayte c d; hernach nach k' trage
man von der ganzen Länge; nach k",
derselben Länge und so fort, bis man gar alle großen
und kleinen Terzen längst der Sayte c d hat. Auf
eben diese Weise trägt man die Quinten längst der
Sayte e f auf.

Um nun die Temperatur auf die Probe zu sezen,
so darf man nur die Dreyklänge aller 24 Töne durch
das Gehör prüfen. Man fängt von C dur an, schiebet
i k so, daß der Steg k auf den Punkt der Eintheilung 4/5
stehe, l m schiebet man auf den Punkt 2/3 , so hat man den
vollkommen reinen großen Dreyklang von C. Hierauf
[Spaltenumbruch]

Mor
nehme man Cis dur, und schiebe zu dem Ende i k auf
die Eintheilung , l m aber lasse man auf 2/3 stehen, so
hat man einen Dreyklang der dem von Cis dur völlig
ähnlich ist. Schiebet man nun wechselsweise i k, auf
4/5 , und denn auf , so wird ein feines Gehör bald
fühlen, in wie weit im leztern Falle, wenn er sogleich
auf den ersten folget, die Harmonie noch gut sey. So
kann man durch alle 24 Töne verfahren.

Man kann also jede Tonleiter, und jedes einzele
Jntervall nach den auf das genaueste bestimmten
Verhältnissen, auf das Monochord tragen, und denn
an dem Gehör prüfen. Angehende Sänger könnten
es brauchen, um Ohr und Kehle zu gewähnen,
die verschiedenen Jntervalle auf das genaueste zu
treffen. Denn es ist doch kein Jntervall, die Octave
ausgenommen, das blos durch das Gehör in der
höchsten Reinigkeit könnte gestimmt werden.

Moral.
(Schöne Künste.)

Eine Vorstellung aus der Classe der sittlichen Wahr-
heiten, oder Lehren, in so fern sie durch ein Werk
der Kunst, als durch ein Bild anschauend erkennt
wird. So ist die Lehre der äsopischen Fabel die
Moral derselben; die Fabel selbst das Bild wo-
durch sie anschanend erkennt wird. So hat auch
die sittliche Allegorie und jedes sittliche Sinnbild seine
Moral. Es hat Kunstrichter gegeben, welche die
Epopee als ein sittliches Bild ansehen, das seine
Moral hat; der Pater Le Boßü hat behauptet,
die Jlias sey blos ein Bild an dem verbündete Für-
sten lernen sollen, wie nöthig ihnen die Eintracht
ist. Mit eben so viel, oder noch mehr Recht hätte
er sagen können, die Moral dieses Gedichts sey der
Saz: Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi:
und wenn die Epopee auf eine Moral abziehlen sollte
so müßte die Tragödie derselben Regel unterworfen
seyn. Das hieße mit gewaltigem Aufwand ver-
richten, was durch unendlich einfachere Mittel zu
bewerkstelligen wäre. Wir haben schon anderswo (*)
angemerkt, daß nicht einmal jede äsopische Fabel
eine Moral enthalte.

Moral Moralisches Gemähld.
(Mahlerey.)

Unter diesem Namen verstehen wir ein Gemähld
von der historischen Gattung, das nämlich handelnde
Personen vorstellt, wobey der Mahler die Absicht

hat,
(*) S.
Temvera-
tur.
(*) S.
Fabel äsop.

[Spaltenumbruch]

Mon
a b waͤre, ſo gaͤbe die Sayte m f die reine Quinte
von C oder G; und wenn i k ſo weit eingeſchoden
wuͤrde, daß die Laͤnge k d genau ⅘ der ganzen Sayte
waͤre, ſo gaͤbe k d die reineſte große Terz von C.
Bequaͤmer fuͤr den wuͤrklichen Gebrauch waͤr es,
wenn die vier ledigen Sayten, ehe die Staͤge daran
kommen, ſo geſtimmt waͤren, daß der Ton der er-
ſtern a b, eine reine Octave tiefer, als die Toͤne der
drey andern waͤre.

Dieſes vorausgeſezt, kann man leichte ſehen, wie
ein ſolches Jnſtrument zur Pruͤfung einer Tempera-
tur koͤnne gebraucht werden. Ein Beyſpiel wird
die Sach am beſten erlaͤutern. Geſezt alſo, man
wollte die Kirnbergeriſche Temperatur pruͤfen, nach-
dem man ſie einmal durch Zahlen nach den Laͤngen
der Sayten ausgedruͤkt hat. (*) Da die Reinigkeit
der Harmonie hauptſaͤchlich auf der Beſchaffenheit
des Dreyklanges beruhet, indem die Conſonanzen
die wenigſten Abweichungen von der vollkommenen
Reinigkeit vertragen: ſo iſt es hinlaͤnglich, um eine
Temperatur zu pruͤfen, wenn man alle darin vor-
kommende Dreyklaͤnge durch das Gehoͤr beurtheilet.
Denn wenn dieſe gut conſoniren, ſo iſt gewiß auch
die ganze Temperatur gut.

Zufoderſt alſo ſuche man alle darin vorkommende
kleine und große Terzen heraus, und bezeichne ſie
durch die ihnen zukommende Zahlen, als kleine Ter-
zen: C-bE, , Cis-E, , Fis-A; ,
A-c, , E-G,
⅚; große Terzen; C-E, ⅘, B-d,
, E-Gis, , F-A, ; A-Cis,
,
hernach auf gleiche Weiſe die Quinten, derer in die-
ſer Temperatur viererley vorkommen, naͤmlich C-G,
⅔; D-A, ; A-e,
und Fis-Cis, .
Hierauf trage man auf dem Monochord laͤngſt der
zweyten Sayte c d, alle kleinen und großen Terzen
auf; das iſt, man trage von d nach k, von der
ganzen Laͤnge der Sayte c d; hernach nach k′ trage
man von der ganzen Laͤnge; nach k″,
derſelben Laͤnge und ſo fort, bis man gar alle großen
und kleinen Terzen laͤngſt der Sayte c d hat. Auf
eben dieſe Weiſe traͤgt man die Quinten laͤngſt der
Sayte e f auf.

Um nun die Temperatur auf die Probe zu ſezen,
ſo darf man nur die Dreyklaͤnge aller 24 Toͤne durch
das Gehoͤr pruͤfen. Man faͤngt von C dur an, ſchiebet
i k ſo, daß der Steg k auf den Punkt der Eintheilung ⅘
ſtehe, l m ſchiebet man auf den Punkt ⅔, ſo hat man den
vollkommen reinen großen Dreyklang von C. Hierauf
[Spaltenumbruch]

Mor
nehme man Cis dur, und ſchiebe zu dem Ende i k auf
die Eintheilung , l m aber laſſe man auf ⅔ ſtehen, ſo
hat man einen Dreyklang der dem von Cis dur voͤllig
aͤhnlich iſt. Schiebet man nun wechſelsweiſe i k, auf
⅘, und denn auf , ſo wird ein feines Gehoͤr bald
fuͤhlen, in wie weit im leztern Falle, wenn er ſogleich
auf den erſten folget, die Harmonie noch gut ſey. So
kann man durch alle 24 Toͤne verfahren.

Man kann alſo jede Tonleiter, und jedes einzele
Jntervall nach den auf das genaueſte beſtimmten
Verhaͤltniſſen, auf das Monochord tragen, und denn
an dem Gehoͤr pruͤfen. Angehende Saͤnger koͤnnten
es brauchen, um Ohr und Kehle zu gewaͤhnen,
die verſchiedenen Jntervalle auf das genaueſte zu
treffen. Denn es iſt doch kein Jntervall, die Octave
ausgenommen, das blos durch das Gehoͤr in der
hoͤchſten Reinigkeit koͤnnte geſtimmt werden.

Moral.
(Schoͤne Kuͤnſte.)

Eine Vorſtellung aus der Claſſe der ſittlichen Wahr-
heiten, oder Lehren, in ſo fern ſie durch ein Werk
der Kunſt, als durch ein Bild anſchauend erkennt
wird. So iſt die Lehre der aͤſopiſchen Fabel die
Moral derſelben; die Fabel ſelbſt das Bild wo-
durch ſie anſchanend erkennt wird. So hat auch
die ſittliche Allegorie und jedes ſittliche Sinnbild ſeine
Moral. Es hat Kunſtrichter gegeben, welche die
Epopee als ein ſittliches Bild anſehen, das ſeine
Moral hat; der Pater Le Boßuͤ hat behauptet,
die Jlias ſey blos ein Bild an dem verbuͤndete Fuͤr-
ſten lernen ſollen, wie noͤthig ihnen die Eintracht
iſt. Mit eben ſo viel, oder noch mehr Recht haͤtte
er ſagen koͤnnen, die Moral dieſes Gedichts ſey der
Saz: Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi:
und wenn die Epopee auf eine Moral abziehlen ſollte
ſo muͤßte die Tragoͤdie derſelben Regel unterworfen
ſeyn. Das hieße mit gewaltigem Aufwand ver-
richten, was durch unendlich einfachere Mittel zu
bewerkſtelligen waͤre. Wir haben ſchon anderswo (*)
angemerkt, daß nicht einmal jede aͤſopiſche Fabel
eine Moral enthalte.

Moral Moraliſches Gemaͤhld.
(Mahlerey.)

Unter dieſem Namen verſtehen wir ein Gemaͤhld
von der hiſtoriſchen Gattung, das naͤmlich handelnde
Perſonen vorſtellt, wobey der Mahler die Abſicht

hat,
(*) S.
Temvera-
tur.
(*) S.
Fabel aͤſop.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0193" n="776[758]"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Mon</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">a b</hi> wa&#x0364;re, &#x017F;o ga&#x0364;be die Sayte <hi rendition="#aq">m f</hi> die reine Quinte<lb/>
von <hi rendition="#aq">C</hi> oder <hi rendition="#aq">G;</hi> und wenn <hi rendition="#aq">i k</hi> &#x017F;o weit einge&#x017F;choden<lb/>
wu&#x0364;rde, daß die La&#x0364;nge <hi rendition="#aq">k d</hi> genau &#x2158; der ganzen Sayte<lb/>
wa&#x0364;re, &#x017F;o ga&#x0364;be <hi rendition="#aq">k d</hi> die reine&#x017F;te große Terz von <hi rendition="#aq">C.</hi><lb/>
Bequa&#x0364;mer fu&#x0364;r den wu&#x0364;rklichen Gebrauch wa&#x0364;r es,<lb/>
wenn die vier ledigen Sayten, ehe die Sta&#x0364;ge daran<lb/>
kommen, &#x017F;o ge&#x017F;timmt wa&#x0364;ren, daß der Ton der er-<lb/>
&#x017F;tern <hi rendition="#aq">a b,</hi> eine reine Octave tiefer, als die To&#x0364;ne der<lb/>
drey andern wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es vorausge&#x017F;ezt, kann man leichte &#x017F;ehen, wie<lb/>
ein &#x017F;olches Jn&#x017F;trument zur Pru&#x0364;fung einer Tempera-<lb/>
tur ko&#x0364;nne gebraucht werden. Ein Bey&#x017F;piel wird<lb/>
die Sach am be&#x017F;ten erla&#x0364;utern. Ge&#x017F;ezt al&#x017F;o, man<lb/>
wollte die <hi rendition="#fr">Kirnbergeri&#x017F;che</hi> Temperatur pru&#x0364;fen, nach-<lb/>
dem man &#x017F;ie einmal durch Zahlen nach den La&#x0364;ngen<lb/>
der Sayten ausgedru&#x0364;kt hat. <note place="foot" n="(*)">S.<lb/>
Temvera-<lb/>
tur.</note> Da die Reinigkeit<lb/>
der Harmonie haupt&#x017F;a&#x0364;chlich auf der Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
des Dreyklanges beruhet, indem die Con&#x017F;onanzen<lb/>
die wenig&#x017F;ten Abweichungen von der vollkommenen<lb/>
Reinigkeit vertragen: &#x017F;o i&#x017F;t es hinla&#x0364;nglich, um eine<lb/>
Temperatur zu pru&#x0364;fen, wenn man alle darin vor-<lb/>
kommende Dreykla&#x0364;nge durch das Geho&#x0364;r beurtheilet.<lb/>
Denn wenn die&#x017F;e gut con&#x017F;oniren, &#x017F;o i&#x017F;t gewiß auch<lb/>
die ganze Temperatur gut.</p><lb/>
          <p>Zufoder&#x017F;t al&#x017F;o &#x017F;uche man alle darin vorkommende<lb/>
kleine und große Terzen heraus, und bezeichne &#x017F;ie<lb/>
durch die ihnen zukommende Zahlen, als kleine Ter-<lb/>
zen: <hi rendition="#aq">C-<hi rendition="#sup">b</hi>E, <formula notation="TeX">\frac{27}{32}</formula>, Cis-E, <formula notation="TeX">\frac{1024}{1215}</formula>, Fis-A; <formula notation="TeX">\frac{135}{161}</formula>,<lb/>
A-c, <formula notation="TeX">\frac{161}{192}</formula>, E-G,</hi> &#x215A;; große Terzen; <hi rendition="#aq">C-E, &#x2158;, B-d,<lb/><formula notation="TeX">\frac{64}{81}</formula>, E-Gis, <formula notation="TeX">\frac{404}{512}</formula>, F-A, <formula notation="TeX">\frac{128}{161}</formula>; A-Cis,</hi> <formula notation="TeX">\frac{13041}{16384}</formula>,<lb/>
hernach auf gleiche Wei&#x017F;e die Quinten, derer in die-<lb/>
&#x017F;er Temperatur viererley vorkommen, na&#x0364;mlich <hi rendition="#aq">C-G,<lb/>
&#x2154;; D-A, <formula notation="TeX">\frac{108}{161}</formula>; A-e,</hi> <formula notation="TeX">\frac{161}{240}</formula> und <hi rendition="#aq">Fis-Cis,</hi> <formula notation="TeX">\frac{10935}{16384}</formula>.<lb/>
Hierauf trage man auf dem Monochord la&#x0364;ng&#x017F;t der<lb/>
zweyten Sayte <hi rendition="#aq">c d,</hi> alle kleinen und großen Terzen<lb/>
auf; das i&#x017F;t, man trage von <hi rendition="#aq">d</hi> nach <hi rendition="#aq">k,</hi> <formula notation="TeX">\frac{27}{32}</formula> von der<lb/>
ganzen La&#x0364;nge der Sayte <hi rendition="#aq">c d;</hi> hernach nach <hi rendition="#aq">k&#x2032;</hi> trage<lb/>
man <formula notation="TeX">\frac1024}{1215}</formula> von der ganzen La&#x0364;nge; nach <hi rendition="#aq">k&#x2033;,</hi> <formula notation="TeX">\frac{161}{192}</formula><lb/>
der&#x017F;elben La&#x0364;nge und &#x017F;o fort, bis man gar alle großen<lb/>
und kleinen Terzen la&#x0364;ng&#x017F;t der Sayte <hi rendition="#aq">c d</hi> hat. Auf<lb/>
eben die&#x017F;e Wei&#x017F;e tra&#x0364;gt man die Quinten la&#x0364;ng&#x017F;t der<lb/>
Sayte <hi rendition="#aq">e f</hi> auf.</p><lb/>
          <p>Um nun die Temperatur auf die Probe zu &#x017F;ezen,<lb/>
&#x017F;o darf man nur die Dreykla&#x0364;nge aller 24 To&#x0364;ne durch<lb/>
das Geho&#x0364;r pru&#x0364;fen. Man fa&#x0364;ngt von <hi rendition="#aq">C</hi> dur an, &#x017F;chiebet<lb/><hi rendition="#aq">i k</hi> &#x017F;o, daß der Steg <hi rendition="#aq">k</hi> auf den Punkt der Eintheilung &#x2158;<lb/>
&#x017F;tehe, <hi rendition="#aq">l m</hi> &#x017F;chiebet man auf den Punkt &#x2154;, &#x017F;o hat man den<lb/>
vollkommen reinen großen Dreyklang von <hi rendition="#aq">C.</hi> Hierauf<lb/><cb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Mor</hi></fw><lb/>
nehme man <hi rendition="#aq">Cis</hi> dur, und &#x017F;chiebe zu dem Ende <hi rendition="#aq">i k</hi> auf<lb/>
die Eintheilung <formula notation="TeX">\frac{64}{81}</formula>, <hi rendition="#aq">l m</hi> aber la&#x017F;&#x017F;e man auf &#x2154; &#x017F;tehen, &#x017F;o<lb/>
hat man einen Dreyklang der dem von <hi rendition="#aq">Cis</hi> dur vo&#x0364;llig<lb/>
a&#x0364;hnlich i&#x017F;t. Schiebet man nun wech&#x017F;elswei&#x017F;e <hi rendition="#aq">i k,</hi> auf<lb/>
&#x2158;, und denn auf <formula notation="TeX">\frac{64}{81}</formula>, &#x017F;o wird ein feines Geho&#x0364;r bald<lb/>
fu&#x0364;hlen, in wie weit im leztern Falle, wenn er &#x017F;ogleich<lb/>
auf den er&#x017F;ten folget, die Harmonie noch gut &#x017F;ey. So<lb/>
kann man durch alle 24 To&#x0364;ne verfahren.</p><lb/>
          <p>Man kann al&#x017F;o jede Tonleiter, und jedes einzele<lb/>
Jntervall nach den auf das genaue&#x017F;te be&#x017F;timmten<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en, auf das Monochord tragen, und denn<lb/>
an dem Geho&#x0364;r pru&#x0364;fen. Angehende Sa&#x0364;nger ko&#x0364;nnten<lb/>
es brauchen, um Ohr und Kehle zu gewa&#x0364;hnen,<lb/>
die <choice><sic>verfchiedenen</sic><corr>ver&#x017F;chiedenen</corr></choice> Jntervalle auf das genaue&#x017F;te zu<lb/>
treffen. Denn es i&#x017F;t doch kein Jntervall, die Octave<lb/>
ausgenommen, das blos durch das Geho&#x0364;r in der<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Reinigkeit ko&#x0364;nnte ge&#x017F;timmt werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Moral</hi>.<lb/>
(Scho&#x0364;ne Ku&#x0364;n&#x017F;te.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>ine Vor&#x017F;tellung aus der Cla&#x017F;&#x017F;e der &#x017F;ittlichen Wahr-<lb/>
heiten, oder Lehren, in &#x017F;o fern &#x017F;ie durch ein Werk<lb/>
der Kun&#x017F;t, als durch ein Bild an&#x017F;chauend erkennt<lb/>
wird. So i&#x017F;t die Lehre der a&#x0364;&#x017F;opi&#x017F;chen Fabel die<lb/>
Moral der&#x017F;elben; die Fabel &#x017F;elb&#x017F;t das Bild wo-<lb/>
durch &#x017F;ie an&#x017F;chanend erkennt wird. So hat auch<lb/>
die &#x017F;ittliche Allegorie und jedes &#x017F;ittliche Sinnbild &#x017F;eine<lb/>
Moral. Es hat Kun&#x017F;trichter gegeben, welche die<lb/>
Epopee als ein &#x017F;ittliches Bild an&#x017F;ehen, das &#x017F;eine<lb/>
Moral hat; der Pater <hi rendition="#fr">Le Boßu&#x0364;</hi> hat behauptet,<lb/>
die Jlias &#x017F;ey blos ein Bild an dem verbu&#x0364;ndete Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten lernen &#x017F;ollen, wie no&#x0364;thig ihnen die Eintracht<lb/>
i&#x017F;t. Mit eben &#x017F;o viel, oder noch mehr Recht ha&#x0364;tte<lb/>
er &#x017F;agen ko&#x0364;nnen, die Moral die&#x017F;es Gedichts &#x017F;ey der<lb/>
Saz: <hi rendition="#aq">Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi:</hi><lb/>
und wenn die Epopee auf eine Moral abziehlen &#x017F;ollte<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;ßte die Trago&#x0364;die der&#x017F;elben Regel unterworfen<lb/>
&#x017F;eyn. Das hieße mit gewaltigem Aufwand ver-<lb/>
richten, was durch unendlich einfachere Mittel zu<lb/>
bewerk&#x017F;telligen wa&#x0364;re. Wir haben &#x017F;chon anderswo <note place="foot" n="(*)">S.<lb/>
Fabel a&#x0364;&#x017F;op.</note><lb/>
angemerkt, daß nicht einmal jede a&#x0364;&#x017F;opi&#x017F;che Fabel<lb/>
eine Moral enthalte.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Moral Morali&#x017F;ches Gema&#x0364;hld.<lb/>
(Mahlerey.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">U</hi>nter die&#x017F;em Namen ver&#x017F;tehen wir ein Gema&#x0364;hld<lb/>
von der hi&#x017F;tori&#x017F;chen Gattung, das na&#x0364;mlich handelnde<lb/>
Per&#x017F;onen vor&#x017F;tellt, wobey der Mahler die Ab&#x017F;icht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hat,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[776[758]/0193] Mon Mor a b waͤre, ſo gaͤbe die Sayte m f die reine Quinte von C oder G; und wenn i k ſo weit eingeſchoden wuͤrde, daß die Laͤnge k d genau ⅘ der ganzen Sayte waͤre, ſo gaͤbe k d die reineſte große Terz von C. Bequaͤmer fuͤr den wuͤrklichen Gebrauch waͤr es, wenn die vier ledigen Sayten, ehe die Staͤge daran kommen, ſo geſtimmt waͤren, daß der Ton der er- ſtern a b, eine reine Octave tiefer, als die Toͤne der drey andern waͤre. Dieſes vorausgeſezt, kann man leichte ſehen, wie ein ſolches Jnſtrument zur Pruͤfung einer Tempera- tur koͤnne gebraucht werden. Ein Beyſpiel wird die Sach am beſten erlaͤutern. Geſezt alſo, man wollte die Kirnbergeriſche Temperatur pruͤfen, nach- dem man ſie einmal durch Zahlen nach den Laͤngen der Sayten ausgedruͤkt hat. (*) Da die Reinigkeit der Harmonie hauptſaͤchlich auf der Beſchaffenheit des Dreyklanges beruhet, indem die Conſonanzen die wenigſten Abweichungen von der vollkommenen Reinigkeit vertragen: ſo iſt es hinlaͤnglich, um eine Temperatur zu pruͤfen, wenn man alle darin vor- kommende Dreyklaͤnge durch das Gehoͤr beurtheilet. Denn wenn dieſe gut conſoniren, ſo iſt gewiß auch die ganze Temperatur gut. Zufoderſt alſo ſuche man alle darin vorkommende kleine und große Terzen heraus, und bezeichne ſie durch die ihnen zukommende Zahlen, als kleine Ter- zen: C-bE, [FORMEL], Cis-E, [FORMEL], Fis-A; [FORMEL], A-c, [FORMEL], E-G, ⅚; große Terzen; C-E, ⅘, B-d, [FORMEL], E-Gis, [FORMEL], F-A, [FORMEL]; A-Cis, [FORMEL], hernach auf gleiche Weiſe die Quinten, derer in die- ſer Temperatur viererley vorkommen, naͤmlich C-G, ⅔; D-A, [FORMEL]; A-e, [FORMEL] und Fis-Cis, [FORMEL]. Hierauf trage man auf dem Monochord laͤngſt der zweyten Sayte c d, alle kleinen und großen Terzen auf; das iſt, man trage von d nach k, [FORMEL] von der ganzen Laͤnge der Sayte c d; hernach nach k′ trage man [FORMEL] von der ganzen Laͤnge; nach k″, [FORMEL] derſelben Laͤnge und ſo fort, bis man gar alle großen und kleinen Terzen laͤngſt der Sayte c d hat. Auf eben dieſe Weiſe traͤgt man die Quinten laͤngſt der Sayte e f auf. Um nun die Temperatur auf die Probe zu ſezen, ſo darf man nur die Dreyklaͤnge aller 24 Toͤne durch das Gehoͤr pruͤfen. Man faͤngt von C dur an, ſchiebet i k ſo, daß der Steg k auf den Punkt der Eintheilung ⅘ ſtehe, l m ſchiebet man auf den Punkt ⅔, ſo hat man den vollkommen reinen großen Dreyklang von C. Hierauf nehme man Cis dur, und ſchiebe zu dem Ende i k auf die Eintheilung [FORMEL], l m aber laſſe man auf ⅔ ſtehen, ſo hat man einen Dreyklang der dem von Cis dur voͤllig aͤhnlich iſt. Schiebet man nun wechſelsweiſe i k, auf ⅘, und denn auf [FORMEL], ſo wird ein feines Gehoͤr bald fuͤhlen, in wie weit im leztern Falle, wenn er ſogleich auf den erſten folget, die Harmonie noch gut ſey. So kann man durch alle 24 Toͤne verfahren. Man kann alſo jede Tonleiter, und jedes einzele Jntervall nach den auf das genaueſte beſtimmten Verhaͤltniſſen, auf das Monochord tragen, und denn an dem Gehoͤr pruͤfen. Angehende Saͤnger koͤnnten es brauchen, um Ohr und Kehle zu gewaͤhnen, die verſchiedenen Jntervalle auf das genaueſte zu treffen. Denn es iſt doch kein Jntervall, die Octave ausgenommen, das blos durch das Gehoͤr in der hoͤchſten Reinigkeit koͤnnte geſtimmt werden. Moral. (Schoͤne Kuͤnſte.) Eine Vorſtellung aus der Claſſe der ſittlichen Wahr- heiten, oder Lehren, in ſo fern ſie durch ein Werk der Kunſt, als durch ein Bild anſchauend erkennt wird. So iſt die Lehre der aͤſopiſchen Fabel die Moral derſelben; die Fabel ſelbſt das Bild wo- durch ſie anſchanend erkennt wird. So hat auch die ſittliche Allegorie und jedes ſittliche Sinnbild ſeine Moral. Es hat Kunſtrichter gegeben, welche die Epopee als ein ſittliches Bild anſehen, das ſeine Moral hat; der Pater Le Boßuͤ hat behauptet, die Jlias ſey blos ein Bild an dem verbuͤndete Fuͤr- ſten lernen ſollen, wie noͤthig ihnen die Eintracht iſt. Mit eben ſo viel, oder noch mehr Recht haͤtte er ſagen koͤnnen, die Moral dieſes Gedichts ſey der Saz: Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi: und wenn die Epopee auf eine Moral abziehlen ſollte ſo muͤßte die Tragoͤdie derſelben Regel unterworfen ſeyn. Das hieße mit gewaltigem Aufwand ver- richten, was durch unendlich einfachere Mittel zu bewerkſtelligen waͤre. Wir haben ſchon anderswo (*) angemerkt, daß nicht einmal jede aͤſopiſche Fabel eine Moral enthalte. Moral Moraliſches Gemaͤhld. (Mahlerey.) Unter dieſem Namen verſtehen wir ein Gemaͤhld von der hiſtoriſchen Gattung, das naͤmlich handelnde Perſonen vorſtellt, wobey der Mahler die Abſicht hat, (*) S. Temvera- tur. (*) S. Fabel aͤſop.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/193
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 776[758]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/193>, abgerufen am 22.11.2024.