Jn den bildenden Künsten ist gar ofte die Ab- wechslung des Glänzenden und des Matten zur gu- ter Würkung nothwendig. Auf Schaumünzen thut es sehr gute Würkung, daß der Grund glänzend und die in den Stempel eingegrabenen Gegenstände matt gemacht werden. Eben so wird an verguldeten Zierrathen einiges polirt, anderes matt gemacht, damit die Haupttheile durch das Matte sich besser heben, oder auszeichnen.
Nur in den Künsten der Rede wird das Matte überall verworfen. Jn der Schreibart entsteht es aus allzuvielen, den Sinn langsam ausdrükenden Worten, wie wenn Racine jemand sagen läßt:
Et le jeur a trois sois ehasse la nuit obscure, Depuis que vetre corps languit saus nourriture.(*)
Wenn hier ein Beyspiel des Matten aus einem gros- sen Schriststeller angeführt wird, da man leichter tausend andere aus geringeren hätte geben können; so geschieht es zu desto nachdrüklicherer Warnung. Ein matter Gedanke erwekt durch viel Begriffe nur eine geringe, wenig reizende Vorstellung.
Das Matte in Gedanken und in der Schreibart ist dem Zwek der Beredsamkeit und Dichtkunst so gerad entgegen, daß es unter die wesentlichsten Feh- ler der Rede gehört, und mit großem Fleiße muß ver- mieden werden. Jn der Dichtkunst besonders wird man allemal das Unrichtige, wo es mit einiger Leb- haftigkeit verbunden ist, eher verzeihen, als das Matte, mit der höchsten Richtigkeit verbunden. Die unmittelbaren Ursachen des Matten scheinen darin zu liegen, daß man zum Ausdruk mehr Worte braucht, als nöthig ist, oder vielerley unbeträchtliche und auch unbestimmte Begriffe in einen Gedanken zu- sammenfaßt. Sein Ursprung aber liegt in dem Mangel deutlicher Vorstellungen, und lebhafter Em- pfindungen. Es giebt von Natur matte Köpfe, die keinen Eindruk ledhaft fühlen, die also nothwendig sich immer matt ausdrüken. Sie sind gerade das Gegentheil dessen, was der Künstler seyn soll, der sich vorzüglich durch die Lebhaftigkeit der Empfindun- gen von andern Menschen unterscheidet. Die Mittel nicht ins Matte zu fallen sind -- nichts zu entwer- fen, als bis man es mit gehöriger Lebhaftigkeit em- pfunden hat, oder sich vorstellet; nie bis zur Ermü- dung zu arbeiten; immer mit vollen Kräften an die Arbeit zu gehen, und sie wieder weglegen, ehe diese Kräfte erschöpft sind; gewisse Sachen, die man [Spaltenumbruch]
Med Mel
nicht mit gehöriger Wärme empfindet, lieber ganz wegzulassen, als sich zum Ausdruk derselben zu zwingen.
Da die besten Köpfe, und nach Horazens Beob- achtung selbst der feurige Homer nicht ausgenommen, schläfrige Stunden oder wenigstens Augenblike ha- ben; so kann nur eine öftere und sorgfältige Ausar- beitung gegen matte Stellen in Sicherheit sezen. Obgleich zur Befeilung eines Werks das Feuer wo- mit er zu entwerfen ist, mehr schädlich, als nüzlich wäre; so muß sie doch nur in völlig heitern und muntern Stunden unternommen, und ofte wieder- holt werden. Denn es ist nicht möglich bey jeder Ueberarbeitung auf alles Achtung zu geben. Sehr nüzlich ist es, um das Matte in seinen Werken zu entdeken, wenn man einen Freund hat, dem man seine Arbeit vorließt.
Mediante. (Musik.)
Jst die Terz der Tonart in welcher der Gesang ge- führet wird. Nämlich nicht jede in der Harmonie vorkommende Terz, sondern nur die so genannte tertia modi, oder die dem Ton zugehört, aus wel- chem das ganze Stük geht, oder allenfalls, bey Tö- nen, in die man ausgewichen, die Terz des Tones, in dem man sich besindet. Die Benennung ist da- her entstanden, daß die Terz mitten zwischen dem Grundton und seiner Quinte liegt, und das Jnter-(*) S. Arithme- tisch; har- monisch. vall der Quinte entweder arithmetisch; oder har- monisch in zwey Theile theilet.
Melismatisch. (Musik.)
Bedeutet eigentlich das, was zur Ausziehrung des Gesanges gehört, besonders die Verziehrungen, wel- che den Namen der Manieren durch Diminutio- nen bekommen haben, da ein Ton in viele kleinere, oder schnellere eingetheilt wird, die zusammen die Dauer des Haupttones haben, aber eine angenehme Wendung machen. Dieses sind also melismatische Ausziehrungen.
Jn besonderm Sinne nennet man gewisse sehr einfache nnd leicht zu fassende Melodien, die jeder- man gleich behält und nachsingen kann, und die sich zu Gassenliedern schiken, melismatische Gesänge. Man hat dergleichen italiänischen Lieder, besonders solche, die aus Venedig kommen, und von den vor-
tigen
(*) in der Phädra.
Zweyter Theil. Zz zz
[Spaltenumbruch]
Mat
Jn den bildenden Kuͤnſten iſt gar ofte die Ab- wechslung des Glaͤnzenden und des Matten zur gu- ter Wuͤrkung nothwendig. Auf Schaumuͤnzen thut es ſehr gute Wuͤrkung, daß der Grund glaͤnzend und die in den Stempel eingegrabenen Gegenſtaͤnde matt gemacht werden. Eben ſo wird an verguldeten Zierrathen einiges polirt, anderes matt gemacht, damit die Haupttheile durch das Matte ſich beſſer heben, oder auszeichnen.
Nur in den Kuͤnſten der Rede wird das Matte uͤberall verworfen. Jn der Schreibart entſteht es aus allzuvielen, den Sinn langſam ausdruͤkenden Worten, wie wenn Racine jemand ſagen laͤßt:
Et le jeur a trois ſois ehaſſé la nuit obſcure, Depuis que vetre corps languit ſaus nourriture.(*)
Wenn hier ein Beyſpiel des Matten aus einem groſ- ſen Schriſtſteller angefuͤhrt wird, da man leichter tauſend andere aus geringeren haͤtte geben koͤnnen; ſo geſchieht es zu deſto nachdruͤklicherer Warnung. Ein matter Gedanke erwekt durch viel Begriffe nur eine geringe, wenig reizende Vorſtellung.
Das Matte in Gedanken und in der Schreibart iſt dem Zwek der Beredſamkeit und Dichtkunſt ſo gerad entgegen, daß es unter die weſentlichſten Feh- ler der Rede gehoͤrt, und mit großem Fleiße muß ver- mieden werden. Jn der Dichtkunſt beſonders wird man allemal das Unrichtige, wo es mit einiger Leb- haftigkeit verbunden iſt, eher verzeihen, als das Matte, mit der hoͤchſten Richtigkeit verbunden. Die unmittelbaren Urſachen des Matten ſcheinen darin zu liegen, daß man zum Ausdruk mehr Worte braucht, als noͤthig iſt, oder vielerley unbetraͤchtliche und auch unbeſtimmte Begriffe in einen Gedanken zu- ſammenfaßt. Sein Urſprung aber liegt in dem Mangel deutlicher Vorſtellungen, und lebhafter Em- pfindungen. Es giebt von Natur matte Koͤpfe, die keinen Eindruk ledhaft fuͤhlen, die alſo nothwendig ſich immer matt ausdruͤken. Sie ſind gerade das Gegentheil deſſen, was der Kuͤnſtler ſeyn ſoll, der ſich vorzuͤglich durch die Lebhaftigkeit der Empfindun- gen von andern Menſchen unterſcheidet. Die Mittel nicht ins Matte zu fallen ſind — nichts zu entwer- fen, als bis man es mit gehoͤriger Lebhaftigkeit em- pfunden hat, oder ſich vorſtellet; nie bis zur Ermuͤ- dung zu arbeiten; immer mit vollen Kraͤften an die Arbeit zu gehen, und ſie wieder weglegen, ehe dieſe Kraͤfte erſchoͤpft ſind; gewiſſe Sachen, die man [Spaltenumbruch]
Med Mel
nicht mit gehoͤriger Waͤrme empfindet, lieber ganz wegzulaſſen, als ſich zum Ausdruk derſelben zu zwingen.
Da die beſten Koͤpfe, und nach Horazens Beob- achtung ſelbſt der feurige Homer nicht ausgenommen, ſchlaͤfrige Stunden oder wenigſtens Augenblike ha- ben; ſo kann nur eine oͤftere und ſorgfaͤltige Ausar- beitung gegen matte Stellen in Sicherheit ſezen. Obgleich zur Befeilung eines Werks das Feuer wo- mit er zu entwerfen iſt, mehr ſchaͤdlich, als nuͤzlich waͤre; ſo muß ſie doch nur in voͤllig heitern und muntern Stunden unternommen, und ofte wieder- holt werden. Denn es iſt nicht moͤglich bey jeder Ueberarbeitung auf alles Achtung zu geben. Sehr nuͤzlich iſt es, um das Matte in ſeinen Werken zu entdeken, wenn man einen Freund hat, dem man ſeine Arbeit vorließt.
Mediante. (Muſik.)
Jſt die Terz der Tonart in welcher der Geſang ge- fuͤhret wird. Naͤmlich nicht jede in der Harmonie vorkommende Terz, ſondern nur die ſo genannte tertia modi, oder die dem Ton zugehoͤrt, aus wel- chem das ganze Stuͤk geht, oder allenfalls, bey Toͤ- nen, in die man ausgewichen, die Terz des Tones, in dem man ſich beſindet. Die Benennung iſt da- her entſtanden, daß die Terz mitten zwiſchen dem Grundton und ſeiner Quinte liegt, und das Jnter-(*) S. Arithme- tiſch; har- moniſch. vall der Quinte entweder arithmetiſch; oder har- moniſch in zwey Theile theilet.
Melismatiſch. (Muſik.)
Bedeutet eigentlich das, was zur Ausziehrung des Geſanges gehoͤrt, beſonders die Verziehrungen, wel- che den Namen der Manieren durch Diminutio- nen bekommen haben, da ein Ton in viele kleinere, oder ſchnellere eingetheilt wird, die zuſammen die Dauer des Haupttones haben, aber eine angenehme Wendung machen. Dieſes ſind alſo melismatiſche Ausziehrungen.
Jn beſonderm Sinne nennet man gewiſſe ſehr einfache nnd leicht zu faſſende Melodien, die jeder- man gleich behaͤlt und nachſingen kann, und die ſich zu Gaſſenliedern ſchiken, melismatiſche Geſaͤnge. Man hat dergleichen italiaͤniſchen Lieder, beſonders ſolche, die aus Venedig kommen, und von den vor-
tigen
(*) in der Phaͤdra.
Zweyter Theil. Zz zz
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[747[729]/0164]
Mat
Med Mel
Jn den bildenden Kuͤnſten iſt gar ofte die Ab-
wechslung des Glaͤnzenden und des Matten zur gu-
ter Wuͤrkung nothwendig. Auf Schaumuͤnzen thut
es ſehr gute Wuͤrkung, daß der Grund glaͤnzend und
die in den Stempel eingegrabenen Gegenſtaͤnde matt
gemacht werden. Eben ſo wird an verguldeten
Zierrathen einiges polirt, anderes matt gemacht,
damit die Haupttheile durch das Matte ſich beſſer
heben, oder auszeichnen.
Nur in den Kuͤnſten der Rede wird das Matte
uͤberall verworfen. Jn der Schreibart entſteht es
aus allzuvielen, den Sinn langſam ausdruͤkenden
Worten, wie wenn Racine jemand ſagen laͤßt:
Et le jeur a trois ſois ehaſſé la nuit obſcure,
Depuis que vetre corps languit ſaus nourriture. (*)
Wenn hier ein Beyſpiel des Matten aus einem groſ-
ſen Schriſtſteller angefuͤhrt wird, da man leichter
tauſend andere aus geringeren haͤtte geben koͤnnen;
ſo geſchieht es zu deſto nachdruͤklicherer Warnung.
Ein matter Gedanke erwekt durch viel Begriffe nur
eine geringe, wenig reizende Vorſtellung.
Das Matte in Gedanken und in der Schreibart
iſt dem Zwek der Beredſamkeit und Dichtkunſt ſo
gerad entgegen, daß es unter die weſentlichſten Feh-
ler der Rede gehoͤrt, und mit großem Fleiße muß ver-
mieden werden. Jn der Dichtkunſt beſonders wird
man allemal das Unrichtige, wo es mit einiger Leb-
haftigkeit verbunden iſt, eher verzeihen, als das
Matte, mit der hoͤchſten Richtigkeit verbunden. Die
unmittelbaren Urſachen des Matten ſcheinen darin
zu liegen, daß man zum Ausdruk mehr Worte braucht,
als noͤthig iſt, oder vielerley unbetraͤchtliche und
auch unbeſtimmte Begriffe in einen Gedanken zu-
ſammenfaßt. Sein Urſprung aber liegt in dem
Mangel deutlicher Vorſtellungen, und lebhafter Em-
pfindungen. Es giebt von Natur matte Koͤpfe, die
keinen Eindruk ledhaft fuͤhlen, die alſo nothwendig
ſich immer matt ausdruͤken. Sie ſind gerade das
Gegentheil deſſen, was der Kuͤnſtler ſeyn ſoll, der
ſich vorzuͤglich durch die Lebhaftigkeit der Empfindun-
gen von andern Menſchen unterſcheidet. Die Mittel
nicht ins Matte zu fallen ſind — nichts zu entwer-
fen, als bis man es mit gehoͤriger Lebhaftigkeit em-
pfunden hat, oder ſich vorſtellet; nie bis zur Ermuͤ-
dung zu arbeiten; immer mit vollen Kraͤften an die
Arbeit zu gehen, und ſie wieder weglegen, ehe dieſe
Kraͤfte erſchoͤpft ſind; gewiſſe Sachen, die man
nicht mit gehoͤriger Waͤrme empfindet, lieber ganz
wegzulaſſen, als ſich zum Ausdruk derſelben zu
zwingen.
Da die beſten Koͤpfe, und nach Horazens Beob-
achtung ſelbſt der feurige Homer nicht ausgenommen,
ſchlaͤfrige Stunden oder wenigſtens Augenblike ha-
ben; ſo kann nur eine oͤftere und ſorgfaͤltige Ausar-
beitung gegen matte Stellen in Sicherheit ſezen.
Obgleich zur Befeilung eines Werks das Feuer wo-
mit er zu entwerfen iſt, mehr ſchaͤdlich, als nuͤzlich
waͤre; ſo muß ſie doch nur in voͤllig heitern und
muntern Stunden unternommen, und ofte wieder-
holt werden. Denn es iſt nicht moͤglich bey jeder
Ueberarbeitung auf alles Achtung zu geben. Sehr
nuͤzlich iſt es, um das Matte in ſeinen Werken zu
entdeken, wenn man einen Freund hat, dem man
ſeine Arbeit vorließt.
Mediante.
(Muſik.)
Jſt die Terz der Tonart in welcher der Geſang ge-
fuͤhret wird. Naͤmlich nicht jede in der Harmonie
vorkommende Terz, ſondern nur die ſo genannte
tertia modi, oder die dem Ton zugehoͤrt, aus wel-
chem das ganze Stuͤk geht, oder allenfalls, bey Toͤ-
nen, in die man ausgewichen, die Terz des Tones,
in dem man ſich beſindet. Die Benennung iſt da-
her entſtanden, daß die Terz mitten zwiſchen dem
Grundton und ſeiner Quinte liegt, und das Jnter-
vall der Quinte entweder arithmetiſch; oder har-
moniſch in zwey Theile theilet.
(*) S.
Arithme-
tiſch; har-
moniſch.
Melismatiſch.
(Muſik.)
Bedeutet eigentlich das, was zur Ausziehrung des
Geſanges gehoͤrt, beſonders die Verziehrungen, wel-
che den Namen der Manieren durch Diminutio-
nen bekommen haben, da ein Ton in viele kleinere,
oder ſchnellere eingetheilt wird, die zuſammen die
Dauer des Haupttones haben, aber eine angenehme
Wendung machen. Dieſes ſind alſo melismatiſche
Ausziehrungen.
Jn beſonderm Sinne nennet man gewiſſe ſehr
einfache nnd leicht zu faſſende Melodien, die jeder-
man gleich behaͤlt und nachſingen kann, und die ſich
zu Gaſſenliedern ſchiken, melismatiſche Geſaͤnge.
Man hat dergleichen italiaͤniſchen Lieder, beſonders
ſolche, die aus Venedig kommen, und von den vor-
tigen
(*) in der
Phaͤdra.
Zweyter Theil. Zz zz
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 747[729]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/164>, abgerufen am 25.11.2024.
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