Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Hau gewichen ist, eben so lang aufhielte, als anfänglichin dem Hauptton geschehen ist, so würde eigentlich das ganze Stük gar keinen Hauptton haben. Da- her sind die vornehmsten Regeln der Modulation ent- standen, insonderheit diejenigen, die bestimmen, wie lange man sich in jedem Ton, dahin man ausgewi- chen ist, nach dem Grade seiner Verwandschaft mit dem Hauptton, aufhalten könne, und diejenigen, welche das Ausweichen aus Nebentönen betreffen, welche Regeln an einem andern Orte angezeiget (*) Art. Auswei- chung. S. 120.worden sind. (*) Es geschieht zwar bisweilen in ganz langen Stü- Haus. Ein Gebäude, welches zur Wohnung einer Privat- Diejenigen, die über die Baukunst schreiben, ver- Hau Damit er die Bequämlichkeit, Annehmlichkeit chen
[Spaltenumbruch] Hau gewichen iſt, eben ſo lang aufhielte, als anfaͤnglichin dem Hauptton geſchehen iſt, ſo wuͤrde eigentlich das ganze Stuͤk gar keinen Hauptton haben. Da- her ſind die vornehmſten Regeln der Modulation ent- ſtanden, inſonderheit diejenigen, die beſtimmen, wie lange man ſich in jedem Ton, dahin man ausgewi- chen iſt, nach dem Grade ſeiner Verwandſchaft mit dem Hauptton, aufhalten koͤnne, und diejenigen, welche das Ausweichen aus Nebentoͤnen betreffen, welche Regeln an einem andern Orte angezeiget (*) Art. Auswei- chung. S. 120.worden ſind. (*) Es geſchieht zwar bisweilen in ganz langen Stuͤ- Haus. Ein Gebaͤude, welches zur Wohnung einer Privat- Diejenigen, die uͤber die Baukunſt ſchreiben, ver- Hau Damit er die Bequaͤmlichkeit, Annehmlichkeit chen
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Wir wollen einem an-<lb/> gehenden Baumeiſter durch die hier zumachenden An-<lb/> merkungen Gelegenheit geben, ſeine Aufmerkſamkeit<lb/> zu vollkommener Einrichtung der Wohnhaͤuſer zu<lb/> ſchaͤrfen.</p><lb/> <cb/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Hau</hi> </fw><lb/> <p>Damit er die Bequaͤmlichkeit, Annehmlichkeit<lb/> und das gute Ausſehen des Hauſes zugleich erreiche,<lb/> muß er allemal folgende Dinge in reife Ueberlegung<lb/> nehmen. Zuerſt den Stand und die Lebensart deſ-<lb/> ſen, der bauen will; weil die Erfindung und An-<lb/> ordnung des Hauſes lediglich davon abhaͤngt. Bey<lb/> dieſer Ueberlegung ſetze er feſt, wie viel Platz jede<lb/> Claſſe der Bewohner des Hauſes noͤthig hat: der<lb/> Herr des Hauſes, ſeine Gemahlin, ſeine Kinder, die<lb/> Bedienten des Hauſes. Dieſes beſtimmt alſo die<lb/> Menge und Groͤße der Zimmer. 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Hau
Hau
gewichen iſt, eben ſo lang aufhielte, als anfaͤnglich
in dem Hauptton geſchehen iſt, ſo wuͤrde eigentlich
das ganze Stuͤk gar keinen Hauptton haben. Da-
her ſind die vornehmſten Regeln der Modulation ent-
ſtanden, inſonderheit diejenigen, die beſtimmen, wie
lange man ſich in jedem Ton, dahin man ausgewi-
chen iſt, nach dem Grade ſeiner Verwandſchaft mit
dem Hauptton, aufhalten koͤnne, und diejenigen,
welche das Ausweichen aus Nebentoͤnen betreffen,
welche Regeln an einem andern Orte angezeiget
worden ſind. (*)
(*) Art.
Auswei-
chung. S.
120.
Es geſchieht zwar bisweilen in ganz langen Stuͤ-
ken, daß man einen Ton, in welchen man von dem
Hauptton ausgewichen iſt, auch wieder als den
Hauptton anſieht; und durch dieſes Mittel kann
man ſchnell auf ſehr entfernte Toͤne kommen, wie
an einem andern Orte deutlich gezeiget wird. (*)
Dieſes geſchieht aber nur auf eine kurze Zeit und
gleichſam im Vorbeygehen. Wenn man alſo von der
Modulation die Regel antrifft, daß in gewiſſen Faͤl-
len ein Nebenton an die Stelle des Haupttones ſoll
geſetzt werden, ſo iſt dieſes nicht ſo zu verſtehen,
als wenn man nun von dieſem Ton aus die Modu-
lation eben ſo wieder ausfuͤhren ſoll, wie es von
dem Hauptton aus geſchehen iſt; ſondern dieſe Re-
gel dienet blos dazu, daß man den Weg finde,
ſchnell auf Harmonien zu kommen, die dem Haupt-
ton voͤllig fremd ſind. Dabey aber hat man im-
mer die Vorſicht noͤthig, daß man eben ſo ſchnell
von ſolchen fremden Harmonien wieder gegen den
Hauptton zuruͤke kehre.
(*) S.
Art. Mo-
dulation.
Haus.
Ein Gebaͤude, welches zur Wohnung einer Privat-
familie beſtimmt iſt, und insgemein ein Wohnhaus
genennt wird. Es iſt von dem Pallaſt darin unter-
ſchieden, daß es kleiner, weniger praͤchtig iſt, und
keines beſonderen Charakters bedaͤrf.
Diejenigen, die uͤber die Baukunſt ſchreiben, ver-
ſaͤumen insgemein am meiſten, von dem Bau guter
Wohnhaͤuſer noͤthigen Unterricht zu geben, indem
ſie hauptſaͤchlich ihr Augenmerk auf Pallaͤſte und
oͤffentliche Gebaͤude richten. Wir wollen einem an-
gehenden Baumeiſter durch die hier zumachenden An-
merkungen Gelegenheit geben, ſeine Aufmerkſamkeit
zu vollkommener Einrichtung der Wohnhaͤuſer zu
ſchaͤrfen.
Damit er die Bequaͤmlichkeit, Annehmlichkeit
und das gute Ausſehen des Hauſes zugleich erreiche,
muß er allemal folgende Dinge in reife Ueberlegung
nehmen. Zuerſt den Stand und die Lebensart deſ-
ſen, der bauen will; weil die Erfindung und An-
ordnung des Hauſes lediglich davon abhaͤngt. Bey
dieſer Ueberlegung ſetze er feſt, wie viel Platz jede
Claſſe der Bewohner des Hauſes noͤthig hat: der
Herr des Hauſes, ſeine Gemahlin, ſeine Kinder, die
Bedienten des Hauſes. Dieſes beſtimmt alſo die
Menge und Groͤße der Zimmer. Ferner muß ihm
die Erwaͤgung oben gedachter Umſtaͤnde die Richt-
ſchnur zur Anordnung oder Vertheilung der Zim-
mer an die Hand geben; denn aus dem Zuſtand
der Familie muß er beurtheilen, wie fern die Ab-
ſonderung oder naͤhere Verbindung der Zimmer noth-
wendig iſt. Wo z. E. viel Bediente in einem Hauſe
ſind, die unter der Aufſicht eines Haushofmeiſters
ſtehen, da werden die Wohnungen derſelben abge-
ſondert, und nur fuͤr wenige Bediente, die der Herr-
ſchaft beſtaͤndig zur Hand ſeyn muͤſſen, werden ei-
nige kleine Zimmer, nahe an den Herrſchaftlichen
angelegt. Sind in dem Hauſe nur wenige einzele
Bediente unter der unmittelbaren Aufſicht der
Herrſchaft, ſo erfodert dieſes ſchon eine andre Ein-
richtung. Eben ſo muß der Herr des Hauſes, nach
Beſchaffenheit ſeiner Geſchaͤfte oder ſeiner Lebensart,
außer ſeinem eigentlichen Wohnzimmer mehr oder
weniger andre Zimmer haben, und dieſelben muͤſſen
von den Zimmern der Frauen des Hauſes entweder
abgeſondert, oder mit denſelben verbunden ſeyn.
Auf gleiche Weiſe muß er jeden beſondern Umſtand
aus dem, was dem Stand und der Lebensart des Ei-
genthuͤmers zukoͤmmt, genau uͤberlegen. Wenn er
nicht auf einmal alles, was dazu gehoͤrt, deutlich vor
Augen hat, ſo iſt es nicht moͤglich den kuͤnftigen
Bewohnern des Hauſes alle Bequaͤmlichkeiten zu
verſchaffen. Denn der Baumeiſter, der ſich blos
uͤberhaupt vorſetzt, ein gutes Haus von einer ge-
wiſſen Anzahl Zimmern zu bauen, und dem Beſitzer
hernach zu uͤberlaſſen, wie er ſich darin einrichten
will, wird nie etwas vollkommenes herausbringen.
Die Einrichtung muß vorher genau auf die Umſtaͤn-
de und die Beduͤrfniſſe der kuͤnftigen Bewohner deſ-
ſelben abgepaßt werden, und bey der erſten Anlage,
muß bey jedem einzeln Theile der kuͤnftige Gebrauch
deſſelben ſchon ausgemacht ſeyn. Zum wenigſten
iſt dieſes die einzige Art etwas Vollkommenes zu ma-
chen
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