Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Har
Ein vornehmer Narr, und ein Schalk der angesehen
oder mächtig ist, kann durch nichts herunter ge-
bracht werden, als wenn er dem Spotte recht blos
gestellt wird. Dieses aber kann nicht besser, als
durch solche Leute geschehen, die den Charakter ei-
nes ächten Harlekins haben. Es ist demnach gut,
wenn witzige Hofnarren, wenigstens auf der Schau-
bühne, beybehalten werden.

Freylich ist es eben nicht nöthig, daß er ein Nar-
renkleid trage, und überall Possen anbringe; denn
dadurch fällt er leicht ins Pöbelhafte. Seine Haupt-
verrichtung muß seyn, das Lächerliche, das in den
Schein des Ernsts oder der Würde eingehüllet ist,
an den Tag zu bringen; dem Schalk die Maske ab-
zunehmen, und ihn dem Spotte Preis zu geben.
Dieses ist ohne Zweifel der größte Nutzen, den man
von der comischen Bühne zu erwarten hat, und er
ist an sich selbst nicht gering Es giebt Menschen,
die ruchlos genug sind, sich über alles wegzusetzen,
was gesetzmäßig, was billig, was menschlich ist, bey
denen die stärksten Vorstellungen, von Vernunft
und Recht hergenommen, schlechterdings nicht den
geringsten Eingang finden, deren Thorheit und
Schalkheit durch nichts zu hemmen ist: diese muß
man dem Harlekin Preis geben. So sehr sie über
allen Tadel weg sind, so empfindlich wird ihnen der
Spott seyn. Denn solche Leute dünken sich eben
dadurch groß, daß sie sich über alles wegsetzen; sie
glauben ihr Ansehen, ihren Rang, ihre Macht erst
alsdenn recht zu fühlen, wenn sie sich über das Ur-
theil andrer erheben: durch den Spott aber stürzen
sie von ihrer Höhe herunter, und itzt fühlen sie, daß
sie selbst verachtet und erniedriget sind.

Jm Grunde thut der Harlekin auf der Schaubühne
nichts anders, als was Lucian und Swifft in ihren
Spottschriften thun, wo sie den eigentlichen Charak-
ter des Harlekins annehmen. Es giebt also gewisse
Comödien, wo er die wichtigste Person ist. Dieses
haben auch die comischen Dichter gefühlt, denen er
zu niedrig war. Sie haben an seiner Stelle Be-
diente gebraucht, denen sie seine Verrichtung aufge-
tragen haben. Jm Grund aber sind solche Bediente
Harlekine in Liverey eingekleidet, und da wo sie
nöthig sind, würde der Harlekin selbst immer noch
schiklicher seyn. Aber freylich erfodert die Behand-
lung desselben einen völligen Meister der Kunst. Es
ist schweer ihn da, wo er die wichtigsten Dienste thun
kann, natürlich anzubringen; und dann kann nur
[Spaltenumbruch]

Har
ein zum Spotten aufgelegter Geist ihn völlig nu-
tzen. Unter allen Talenten aber scheinet der ächte
Spöttergeist der seltenste zu seyn. (*) Ein witziger(*) S.
Lächerlich,
Spott.

Kopf (**) hat vor einigen Jahren eine mit viel
Geist geschriebene Vertheidigung des Harlekins her-(**) Herr
Möser in
Osnabrik.

ausgegeben, die man mit Vergnügen ließt. (***)

(***) Har-
lekin, oder
Vertheidi-
gung des
Groteske-
komischen
1761.
Harmonie.
(Musik.)

Dieses Wort kommt in der heutigen Musik in mehr,
als einem Sinne vor. 1) Bedeutet es die Vereini-
gung vieler zugleich angeschlagenen Töne in einen
einzigen Hauptklang, das ist, den Klang eines Ac-
cords. Wenn man sagt, daß zu einer gewissen Baß-
note diese oder jene Harmonie gehöre, so nennt man
die obern oder höhern Töne, die zugleich mit dem
Baßton müssen angeschlagen werden. Jn diesem
Sinne wird das Wort auch genommen, wenn man
von enger und zerstreueter Harmonie spricht; (*)(*) S.
Eng.

und auch in diesem Sinne sagt man von einem in der
Melodie vorkommenden Ton, er gehöre zu dieser
oder jener Harmonie, welches so viel sagen will,
als zu diesem oder jenem Accord.

2. Versteht man durch dieses Wort die Beschaf-
fenheit eines Tonstüks, in so fern es als eine Folge
von Accorden angesehen wird. Man sagt von ei-
nem Tonstük, es sey in der Harmonie gut oder
rein, wenn die Regeln von der Zusammensetzung
und Folge der Accorde darin gut beobachtet sind.
Jn diesem Sinne wird also die Harmonie eines Stüks
der Melodie entgegengesetzt. Also ist diese Harmo-
nie nichts anders, als der Wolklang oder die gute
Zusammenstimmung aller Stimmen des Tonstüks.
Man sagt von einem Tonsetzer, er verstehe die Har-
monie, wenn er einen vielstimmigen Gesang in Ab-
sicht auf die gute Vereinigung der Stimmen, der
guten Fortschreitung der Accorde und der Modula-
tion, richtig zu setzen weiß. Jn diesem Sinne wird
das Wort genommen, so ofte die Harmonie der
Melodie entgegen gesetzt wird. Man sagt deßwegen,
daß ein guter Tonsetzer Harmonie und Melodie ver-
stehen müsse. Das letztere verstehet er, wenn er
einen einstimmigen, fließenden und gefälligen Ge-
sang setzen kann; das erstere, wenn er diesen Ge-
sang mit einem begleitenden Baß und andern beglei-
tenden Stimmen geschickt zu verbinden weiß, oder
wenn er mehrere Stimmen, deren jede ihre eigene
Melodie hat, in ein wolklingendes Ganzes zu ver-

eini-

[Spaltenumbruch]

Har
Ein vornehmer Narr, und ein Schalk der angeſehen
oder maͤchtig iſt, kann durch nichts herunter ge-
bracht werden, als wenn er dem Spotte recht blos
geſtellt wird. Dieſes aber kann nicht beſſer, als
durch ſolche Leute geſchehen, die den Charakter ei-
nes aͤchten Harlekins haben. Es iſt demnach gut,
wenn witzige Hofnarren, wenigſtens auf der Schau-
buͤhne, beybehalten werden.

Freylich iſt es eben nicht noͤthig, daß er ein Nar-
renkleid trage, und uͤberall Poſſen anbringe; denn
dadurch faͤllt er leicht ins Poͤbelhafte. Seine Haupt-
verrichtung muß ſeyn, das Laͤcherliche, das in den
Schein des Ernſts oder der Wuͤrde eingehuͤllet iſt,
an den Tag zu bringen; dem Schalk die Maske ab-
zunehmen, und ihn dem Spotte Preis zu geben.
Dieſes iſt ohne Zweifel der groͤßte Nutzen, den man
von der comiſchen Buͤhne zu erwarten hat, und er
iſt an ſich ſelbſt nicht gering Es giebt Menſchen,
die ruchlos genug ſind, ſich uͤber alles wegzuſetzen,
was geſetzmaͤßig, was billig, was menſchlich iſt, bey
denen die ſtaͤrkſten Vorſtellungen, von Vernunft
und Recht hergenommen, ſchlechterdings nicht den
geringſten Eingang finden, deren Thorheit und
Schalkheit durch nichts zu hemmen iſt: dieſe muß
man dem Harlekin Preis geben. So ſehr ſie uͤber
allen Tadel weg ſind, ſo empfindlich wird ihnen der
Spott ſeyn. Denn ſolche Leute duͤnken ſich eben
dadurch groß, daß ſie ſich uͤber alles wegſetzen; ſie
glauben ihr Anſehen, ihren Rang, ihre Macht erſt
alsdenn recht zu fuͤhlen, wenn ſie ſich uͤber das Ur-
theil andrer erheben: durch den Spott aber ſtuͤrzen
ſie von ihrer Hoͤhe herunter, und itzt fuͤhlen ſie, daß
ſie ſelbſt verachtet und erniedriget ſind.

Jm Grunde thut der Harlekin auf der Schaubuͤhne
nichts anders, als was Lucian und Swifft in ihren
Spottſchriften thun, wo ſie den eigentlichen Charak-
ter des Harlekins annehmen. Es giebt alſo gewiſſe
Comoͤdien, wo er die wichtigſte Perſon iſt. Dieſes
haben auch die comiſchen Dichter gefuͤhlt, denen er
zu niedrig war. Sie haben an ſeiner Stelle Be-
diente gebraucht, denen ſie ſeine Verrichtung aufge-
tragen haben. Jm Grund aber ſind ſolche Bediente
Harlekine in Liverey eingekleidet, und da wo ſie
noͤthig ſind, wuͤrde der Harlekin ſelbſt immer noch
ſchiklicher ſeyn. Aber freylich erfodert die Behand-
lung deſſelben einen voͤlligen Meiſter der Kunſt. Es
iſt ſchweer ihn da, wo er die wichtigſten Dienſte thun
kann, natuͤrlich anzubringen; und dann kann nur
[Spaltenumbruch]

Har
ein zum Spotten aufgelegter Geiſt ihn voͤllig nu-
tzen. Unter allen Talenten aber ſcheinet der aͤchte
Spoͤttergeiſt der ſeltenſte zu ſeyn. (*) Ein witziger(*) S.
Laͤcherlich,
Spott.

Kopf (**) hat vor einigen Jahren eine mit viel
Geiſt geſchriebene Vertheidigung des Harlekins her-(**) Herr
Moͤſer in
Osnabrik.

ausgegeben, die man mit Vergnuͤgen ließt. (***)

(***) Har-
lekin, oder
Vertheidi-
gung des
Groteske-
komiſchen
1761.
Harmonie.
(Muſik.)

Dieſes Wort kommt in der heutigen Muſik in mehr,
als einem Sinne vor. 1) Bedeutet es die Vereini-
gung vieler zugleich angeſchlagenen Toͤne in einen
einzigen Hauptklang, das iſt, den Klang eines Ac-
cords. Wenn man ſagt, daß zu einer gewiſſen Baß-
note dieſe oder jene Harmonie gehoͤre, ſo nennt man
die obern oder hoͤhern Toͤne, die zugleich mit dem
Baßton muͤſſen angeſchlagen werden. Jn dieſem
Sinne wird das Wort auch genommen, wenn man
von enger und zerſtreueter Harmonie ſpricht; (*)(*) S.
Eng.

und auch in dieſem Sinne ſagt man von einem in der
Melodie vorkommenden Ton, er gehoͤre zu dieſer
oder jener Harmonie, welches ſo viel ſagen will,
als zu dieſem oder jenem Accord.

2. Verſteht man durch dieſes Wort die Beſchaf-
fenheit eines Tonſtuͤks, in ſo fern es als eine Folge
von Accorden angeſehen wird. Man ſagt von ei-
nem Tonſtuͤk, es ſey in der Harmonie gut oder
rein, wenn die Regeln von der Zuſammenſetzung
und Folge der Accorde darin gut beobachtet ſind.
Jn dieſem Sinne wird alſo die Harmonie eines Stuͤks
der Melodie entgegengeſetzt. Alſo iſt dieſe Harmo-
nie nichts anders, als der Wolklang oder die gute
Zuſammenſtimmung aller Stimmen des Tonſtuͤks.
Man ſagt von einem Tonſetzer, er verſtehe die Har-
monie, wenn er einen vielſtimmigen Geſang in Ab-
ſicht auf die gute Vereinigung der Stimmen, der
guten Fortſchreitung der Accorde und der Modula-
tion, richtig zu ſetzen weiß. Jn dieſem Sinne wird
das Wort genommen, ſo ofte die Harmonie der
Melodie entgegen geſetzt wird. Man ſagt deßwegen,
daß ein guter Tonſetzer Harmonie und Melodie ver-
ſtehen muͤſſe. Das letztere verſtehet er, wenn er
einen einſtimmigen, fließenden und gefaͤlligen Ge-
ſang ſetzen kann; das erſtere, wenn er dieſen Ge-
ſang mit einem begleitenden Baß und andern beglei-
tenden Stimmen geſchickt zu verbinden weiß, oder
wenn er mehrere Stimmen, deren jede ihre eigene
Melodie hat, in ein wolklingendes Ganzes zu ver-

eini-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0524" n="512"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Har</hi></fw><lb/>
Ein vornehmer Narr, und ein Schalk der ange&#x017F;ehen<lb/>
oder ma&#x0364;chtig i&#x017F;t, kann durch nichts herunter ge-<lb/>
bracht werden, als wenn er dem Spotte recht blos<lb/>
ge&#x017F;tellt wird. Die&#x017F;es aber kann nicht be&#x017F;&#x017F;er, als<lb/>
durch &#x017F;olche Leute ge&#x017F;chehen, die den Charakter ei-<lb/>
nes a&#x0364;chten Harlekins haben. Es i&#x017F;t demnach gut,<lb/>
wenn witzige Hofnarren, wenig&#x017F;tens auf der Schau-<lb/>
bu&#x0364;hne, beybehalten werden.</p><lb/>
          <p>Freylich i&#x017F;t es eben nicht no&#x0364;thig, daß er ein Nar-<lb/>
renkleid trage, und u&#x0364;berall Po&#x017F;&#x017F;en anbringe; denn<lb/>
dadurch fa&#x0364;llt er leicht ins Po&#x0364;belhafte. Seine Haupt-<lb/>
verrichtung muß &#x017F;eyn, das La&#x0364;cherliche, das in den<lb/>
Schein des Ern&#x017F;ts oder der Wu&#x0364;rde eingehu&#x0364;llet i&#x017F;t,<lb/>
an den Tag zu bringen; dem Schalk die Maske ab-<lb/>
zunehmen, und ihn dem Spotte Preis zu geben.<lb/>
Die&#x017F;es i&#x017F;t ohne Zweifel der gro&#x0364;ßte Nutzen, den man<lb/>
von der comi&#x017F;chen Bu&#x0364;hne zu erwarten hat, und er<lb/>
i&#x017F;t an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht gering Es giebt Men&#x017F;chen,<lb/>
die ruchlos genug &#x017F;ind, &#x017F;ich u&#x0364;ber alles wegzu&#x017F;etzen,<lb/>
was ge&#x017F;etzma&#x0364;ßig, was billig, was men&#x017F;chlich i&#x017F;t, bey<lb/>
denen die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Vor&#x017F;tellungen, von Vernunft<lb/>
und Recht hergenommen, &#x017F;chlechterdings nicht den<lb/>
gering&#x017F;ten Eingang finden, deren Thorheit und<lb/>
Schalkheit durch nichts zu hemmen i&#x017F;t: die&#x017F;e muß<lb/>
man dem Harlekin Preis geben. So &#x017F;ehr &#x017F;ie u&#x0364;ber<lb/>
allen Tadel weg &#x017F;ind, &#x017F;o empfindlich wird ihnen der<lb/>
Spott &#x017F;eyn. Denn &#x017F;olche Leute du&#x0364;nken &#x017F;ich eben<lb/>
dadurch groß, daß &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber alles weg&#x017F;etzen; &#x017F;ie<lb/>
glauben ihr An&#x017F;ehen, ihren Rang, ihre Macht er&#x017F;t<lb/>
alsdenn recht zu fu&#x0364;hlen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber das Ur-<lb/>
theil andrer erheben: durch den Spott aber &#x017F;tu&#x0364;rzen<lb/>
&#x017F;ie von ihrer Ho&#x0364;he herunter, und itzt fu&#x0364;hlen &#x017F;ie, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t verachtet und erniedriget &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Jm Grunde thut der Harlekin auf der Schaubu&#x0364;hne<lb/>
nichts anders, als was Lucian und Swifft in ihren<lb/>
Spott&#x017F;chriften thun, wo &#x017F;ie den eigentlichen Charak-<lb/>
ter des Harlekins annehmen. Es giebt al&#x017F;o gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Como&#x0364;dien, wo er die wichtig&#x017F;te Per&#x017F;on i&#x017F;t. Die&#x017F;es<lb/>
haben auch die comi&#x017F;chen Dichter gefu&#x0364;hlt, denen er<lb/>
zu niedrig war. Sie haben an &#x017F;einer Stelle Be-<lb/>
diente gebraucht, denen &#x017F;ie &#x017F;eine Verrichtung aufge-<lb/>
tragen haben. Jm Grund aber &#x017F;ind &#x017F;olche Bediente<lb/>
Harlekine in Liverey eingekleidet, und da wo &#x017F;ie<lb/>
no&#x0364;thig &#x017F;ind, wu&#x0364;rde der Harlekin &#x017F;elb&#x017F;t immer noch<lb/>
&#x017F;chiklicher &#x017F;eyn. Aber freylich erfodert die Behand-<lb/>
lung de&#x017F;&#x017F;elben einen vo&#x0364;lligen Mei&#x017F;ter der Kun&#x017F;t. Es<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;chweer ihn da, wo er die wichtig&#x017F;ten Dien&#x017F;te thun<lb/>
kann, natu&#x0364;rlich anzubringen; und dann kann nur<lb/><cb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Har</hi></fw><lb/>
ein zum Spotten aufgelegter Gei&#x017F;t ihn vo&#x0364;llig nu-<lb/>
tzen. Unter allen Talenten aber &#x017F;cheinet der a&#x0364;chte<lb/>
Spo&#x0364;ttergei&#x017F;t der &#x017F;elten&#x017F;te zu &#x017F;eyn. (*) Ein witziger<note place="right">(*) S.<lb/>
La&#x0364;cherlich,<lb/>
Spott.</note><lb/>
Kopf (**) hat vor einigen Jahren eine mit viel<lb/>
Gei&#x017F;t ge&#x017F;chriebene Vertheidigung des Harlekins her-<note place="right">(**) Herr<lb/>
Mo&#x0364;&#x017F;er in<lb/>
Osnabrik.</note><lb/>
ausgegeben, die man mit Vergnu&#x0364;gen ließt. (***)</p>
          <note place="right">(***) Har-<lb/>
lekin, oder<lb/>
Vertheidi-<lb/>
gung des<lb/>
Groteske-<lb/>
komi&#x017F;chen<lb/>
1761.</note>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Harmonie.</hi><lb/>
(Mu&#x017F;ik.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie&#x017F;es Wort kommt in der heutigen Mu&#x017F;ik in mehr,<lb/>
als einem Sinne vor. 1) Bedeutet es die Vereini-<lb/>
gung vieler zugleich ange&#x017F;chlagenen To&#x0364;ne in einen<lb/>
einzigen Hauptklang, das i&#x017F;t, den Klang eines Ac-<lb/>
cords. Wenn man &#x017F;agt, daß zu einer gewi&#x017F;&#x017F;en Baß-<lb/>
note die&#x017F;e oder jene Harmonie geho&#x0364;re, &#x017F;o nennt man<lb/>
die obern oder ho&#x0364;hern To&#x0364;ne, die zugleich mit dem<lb/>
Baßton mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ange&#x017F;chlagen werden. Jn die&#x017F;em<lb/>
Sinne wird das Wort auch genommen, wenn man<lb/>
von enger und zer&#x017F;treueter Harmonie &#x017F;pricht; (*)<note place="right">(*) S.<lb/>
Eng.</note><lb/>
und auch in die&#x017F;em Sinne &#x017F;agt man von einem in der<lb/>
Melodie vorkommenden Ton, er geho&#x0364;re zu die&#x017F;er<lb/>
oder jener Harmonie, welches &#x017F;o viel &#x017F;agen will,<lb/>
als zu die&#x017F;em oder jenem Accord.</p><lb/>
          <p>2. Ver&#x017F;teht man durch die&#x017F;es Wort die Be&#x017F;chaf-<lb/>
fenheit eines Ton&#x017F;tu&#x0364;ks, in &#x017F;o fern es als eine Folge<lb/>
von Accorden ange&#x017F;ehen wird. Man &#x017F;agt von ei-<lb/>
nem Ton&#x017F;tu&#x0364;k, es &#x017F;ey in der Harmonie gut oder<lb/>
rein, wenn die Regeln von der Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung<lb/>
und Folge der Accorde darin gut beobachtet &#x017F;ind.<lb/>
Jn die&#x017F;em Sinne wird al&#x017F;o die Harmonie eines Stu&#x0364;ks<lb/>
der Melodie entgegenge&#x017F;etzt. Al&#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;e Harmo-<lb/>
nie nichts anders, als der Wolklang oder die gute<lb/>
Zu&#x017F;ammen&#x017F;timmung aller Stimmen des Ton&#x017F;tu&#x0364;ks.<lb/>
Man &#x017F;agt von einem Ton&#x017F;etzer, er ver&#x017F;tehe die Har-<lb/>
monie, wenn er einen viel&#x017F;timmigen Ge&#x017F;ang in Ab-<lb/>
&#x017F;icht auf die gute Vereinigung der Stimmen, der<lb/>
guten Fort&#x017F;chreitung der Accorde und der Modula-<lb/>
tion, richtig zu &#x017F;etzen weiß. Jn die&#x017F;em Sinne wird<lb/>
das Wort genommen, &#x017F;o ofte die Harmonie der<lb/>
Melodie entgegen ge&#x017F;etzt wird. Man &#x017F;agt deßwegen,<lb/>
daß ein guter Ton&#x017F;etzer Harmonie und Melodie ver-<lb/>
&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Das letztere ver&#x017F;tehet er, wenn er<lb/>
einen ein&#x017F;timmigen, fließenden und gefa&#x0364;lligen Ge-<lb/>
&#x017F;ang &#x017F;etzen kann; das er&#x017F;tere, wenn er die&#x017F;en Ge-<lb/>
&#x017F;ang mit einem begleitenden Baß und andern beglei-<lb/>
tenden Stimmen ge&#x017F;chickt zu verbinden weiß, oder<lb/>
wenn er mehrere Stimmen, deren jede ihre eigene<lb/>
Melodie hat, in ein wolklingendes Ganzes zu ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eini-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[512/0524] Har Har Ein vornehmer Narr, und ein Schalk der angeſehen oder maͤchtig iſt, kann durch nichts herunter ge- bracht werden, als wenn er dem Spotte recht blos geſtellt wird. Dieſes aber kann nicht beſſer, als durch ſolche Leute geſchehen, die den Charakter ei- nes aͤchten Harlekins haben. Es iſt demnach gut, wenn witzige Hofnarren, wenigſtens auf der Schau- buͤhne, beybehalten werden. Freylich iſt es eben nicht noͤthig, daß er ein Nar- renkleid trage, und uͤberall Poſſen anbringe; denn dadurch faͤllt er leicht ins Poͤbelhafte. Seine Haupt- verrichtung muß ſeyn, das Laͤcherliche, das in den Schein des Ernſts oder der Wuͤrde eingehuͤllet iſt, an den Tag zu bringen; dem Schalk die Maske ab- zunehmen, und ihn dem Spotte Preis zu geben. Dieſes iſt ohne Zweifel der groͤßte Nutzen, den man von der comiſchen Buͤhne zu erwarten hat, und er iſt an ſich ſelbſt nicht gering Es giebt Menſchen, die ruchlos genug ſind, ſich uͤber alles wegzuſetzen, was geſetzmaͤßig, was billig, was menſchlich iſt, bey denen die ſtaͤrkſten Vorſtellungen, von Vernunft und Recht hergenommen, ſchlechterdings nicht den geringſten Eingang finden, deren Thorheit und Schalkheit durch nichts zu hemmen iſt: dieſe muß man dem Harlekin Preis geben. So ſehr ſie uͤber allen Tadel weg ſind, ſo empfindlich wird ihnen der Spott ſeyn. Denn ſolche Leute duͤnken ſich eben dadurch groß, daß ſie ſich uͤber alles wegſetzen; ſie glauben ihr Anſehen, ihren Rang, ihre Macht erſt alsdenn recht zu fuͤhlen, wenn ſie ſich uͤber das Ur- theil andrer erheben: durch den Spott aber ſtuͤrzen ſie von ihrer Hoͤhe herunter, und itzt fuͤhlen ſie, daß ſie ſelbſt verachtet und erniedriget ſind. Jm Grunde thut der Harlekin auf der Schaubuͤhne nichts anders, als was Lucian und Swifft in ihren Spottſchriften thun, wo ſie den eigentlichen Charak- ter des Harlekins annehmen. Es giebt alſo gewiſſe Comoͤdien, wo er die wichtigſte Perſon iſt. Dieſes haben auch die comiſchen Dichter gefuͤhlt, denen er zu niedrig war. Sie haben an ſeiner Stelle Be- diente gebraucht, denen ſie ſeine Verrichtung aufge- tragen haben. Jm Grund aber ſind ſolche Bediente Harlekine in Liverey eingekleidet, und da wo ſie noͤthig ſind, wuͤrde der Harlekin ſelbſt immer noch ſchiklicher ſeyn. Aber freylich erfodert die Behand- lung deſſelben einen voͤlligen Meiſter der Kunſt. Es iſt ſchweer ihn da, wo er die wichtigſten Dienſte thun kann, natuͤrlich anzubringen; und dann kann nur ein zum Spotten aufgelegter Geiſt ihn voͤllig nu- tzen. Unter allen Talenten aber ſcheinet der aͤchte Spoͤttergeiſt der ſeltenſte zu ſeyn. (*) Ein witziger Kopf (**) hat vor einigen Jahren eine mit viel Geiſt geſchriebene Vertheidigung des Harlekins her- ausgegeben, die man mit Vergnuͤgen ließt. (***) (*) S. Laͤcherlich, Spott. (**) Herr Moͤſer in Osnabrik. Harmonie. (Muſik.) Dieſes Wort kommt in der heutigen Muſik in mehr, als einem Sinne vor. 1) Bedeutet es die Vereini- gung vieler zugleich angeſchlagenen Toͤne in einen einzigen Hauptklang, das iſt, den Klang eines Ac- cords. Wenn man ſagt, daß zu einer gewiſſen Baß- note dieſe oder jene Harmonie gehoͤre, ſo nennt man die obern oder hoͤhern Toͤne, die zugleich mit dem Baßton muͤſſen angeſchlagen werden. Jn dieſem Sinne wird das Wort auch genommen, wenn man von enger und zerſtreueter Harmonie ſpricht; (*) und auch in dieſem Sinne ſagt man von einem in der Melodie vorkommenden Ton, er gehoͤre zu dieſer oder jener Harmonie, welches ſo viel ſagen will, als zu dieſem oder jenem Accord. (*) S. Eng. 2. Verſteht man durch dieſes Wort die Beſchaf- fenheit eines Tonſtuͤks, in ſo fern es als eine Folge von Accorden angeſehen wird. Man ſagt von ei- nem Tonſtuͤk, es ſey in der Harmonie gut oder rein, wenn die Regeln von der Zuſammenſetzung und Folge der Accorde darin gut beobachtet ſind. Jn dieſem Sinne wird alſo die Harmonie eines Stuͤks der Melodie entgegengeſetzt. Alſo iſt dieſe Harmo- nie nichts anders, als der Wolklang oder die gute Zuſammenſtimmung aller Stimmen des Tonſtuͤks. Man ſagt von einem Tonſetzer, er verſtehe die Har- monie, wenn er einen vielſtimmigen Geſang in Ab- ſicht auf die gute Vereinigung der Stimmen, der guten Fortſchreitung der Accorde und der Modula- tion, richtig zu ſetzen weiß. Jn dieſem Sinne wird das Wort genommen, ſo ofte die Harmonie der Melodie entgegen geſetzt wird. Man ſagt deßwegen, daß ein guter Tonſetzer Harmonie und Melodie ver- ſtehen muͤſſe. Das letztere verſtehet er, wenn er einen einſtimmigen, fließenden und gefaͤlligen Ge- ſang ſetzen kann; das erſtere, wenn er dieſen Ge- ſang mit einem begleitenden Baß und andern beglei- tenden Stimmen geſchickt zu verbinden weiß, oder wenn er mehrere Stimmen, deren jede ihre eigene Melodie hat, in ein wolklingendes Ganzes zu ver- eini-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/524
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/524>, abgerufen am 22.11.2024.