Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Grü Gru nimmt eine Kohlpfanne, die etwas grösser, als diePlatte seyn muß, und macht ein so viel möglich durchaus gleich glüendes Kohlfeuer darin an. Her- nach zieht man die meisten Kohlen gegen den Rand der Kohlpfanne zusammen. Ueber diesem Kohlfeuer wird die Platte, die unrechte Seite gegen das Feuer gekehrt, in einiger Höhe über den Kohlen gesetzt und so lange darüber gelassen, bis der Firnis etwas hart gebrennt ist. Man erkennt an dem Rauchen desselben, daß er bald gut ist. Weil er aber auch zu stark kann gebrennt werden, in welchem Fall er bey der Arbeit abspringen würde, so muß man hiebey vorsichtig seyn. Man kann an einem Ende der Platte mit ein Stükgen Holz ihn probiren. So lange er noch am Holz anklebt, ist er noch nicht hart genung; so bald er aber nicht mehr anklebt, muß man die Platte vom Feuer abnehmen. Der weiche Firniß ist etwas leichter aufzutragen. Auf diese Art werden also die Kupferplatten ge- Gruppe. (Zeichnende Künste.) Dieses Wort ist bis itzt nur in den zeichnenden Kün- Gru Theile in ein Ganzes ist eine Gruppe, (der mensch-liche Körper ist ein aus vielen vereinigten Theilen zusammengesetztes Ganzes, aber keine Gruppe) son- dern die, da jeder Theil schon für sich etwas Gan- zes seyn könnte. Das Ganze ist ein System, oder eine Masse von Theilen, deren keiner für sich etwas Ganzes wäre; die Gruppe ist ein großes Ganzes aus kleinen Ganzen zusammengesetzt. Ein solches Ganzes ist z. B. eine Weintraube: jede Beere für sich betrachtet, ist etwas ganzes, nämlich ein runder Körper; diese Beeren auf einem Tische zer- streuet, machen nicht einen, sondern viel Körper aus; aber in eine Traube vereiniget, werden sie zu einer Gruppe und dadurch zu einem Ganzen, das seine Form hat und nun auf einmal, als ein einziges System, kann gefaßt werden. Der Historienmahler, der zu Vorstellung seiner Geschichte mehrere Per- sonen oder Figuren zu zeichnen hat, stellt sie nicht einzeln oder zerstreuet, eine hier, die andre da, vor, sondern vereiniget derer etliche hier, andre an einer andern Stelle, in eine Masse oder in einen Klump zusammen, und wenn er die Sachen so geordnet hat, so sagt man, er habe Gruppen gemacht, oder die Figuren gruppirt. Wiewol man nun dieses Wort, wie gesagt, blos in zeichnenden Künsten braucht, so ist offenbar, daß die Sache selbst in allen andern Künsten vorhanden ist. Eine Periode der Rede ist nichts anders, als eine Gruppe einzeler Sätze, und die Periode in der Musik, eine Gruppe kleinerer Einschnitte. Dieses sey zur Erklärung des Worts gesagt. Die Sache selbst verdienet in der Theorie der schö- vor R r r 3
[Spaltenumbruch] Gruͤ Gru nimmt eine Kohlpfanne, die etwas groͤſſer, als diePlatte ſeyn muß, und macht ein ſo viel moͤglich durchaus gleich gluͤendes Kohlfeuer darin an. Her- nach zieht man die meiſten Kohlen gegen den Rand der Kohlpfanne zuſammen. Ueber dieſem Kohlfeuer wird die Platte, die unrechte Seite gegen das Feuer gekehrt, in einiger Hoͤhe uͤber den Kohlen geſetzt und ſo lange daruͤber gelaſſen, bis der Firnis etwas hart gebrennt iſt. Man erkennt an dem Rauchen deſſelben, daß er bald gut iſt. Weil er aber auch zu ſtark kann gebrennt werden, in welchem Fall er bey der Arbeit abſpringen wuͤrde, ſo muß man hiebey vorſichtig ſeyn. Man kann an einem Ende der Platte mit ein Stuͤkgen Holz ihn probiren. So lange er noch am Holz anklebt, iſt er noch nicht hart genung; ſo bald er aber nicht mehr anklebt, muß man die Platte vom Feuer abnehmen. Der weiche Firniß iſt etwas leichter aufzutragen. Auf dieſe Art werden alſo die Kupferplatten ge- Gruppe. (Zeichnende Kuͤnſte.) Dieſes Wort iſt bis itzt nur in den zeichnenden Kuͤn- Gru Theile in ein Ganzes iſt eine Gruppe, (der menſch-liche Koͤrper iſt ein aus vielen vereinigten Theilen zuſammengeſetztes Ganzes, aber keine Gruppe) ſon- dern die, da jeder Theil ſchon fuͤr ſich etwas Gan- zes ſeyn koͤnnte. Das Ganze iſt ein Syſtem, oder eine Maſſe von Theilen, deren keiner fuͤr ſich etwas Ganzes waͤre; die Gruppe iſt ein großes Ganzes aus kleinen Ganzen zuſammengeſetzt. Ein ſolches Ganzes iſt z. B. eine Weintraube: jede Beere fuͤr ſich betrachtet, iſt etwas ganzes, naͤmlich ein runder Koͤrper; dieſe Beeren auf einem Tiſche zer- ſtreuet, machen nicht einen, ſondern viel Koͤrper aus; aber in eine Traube vereiniget, werden ſie zu einer Gruppe und dadurch zu einem Ganzen, das ſeine Form hat und nun auf einmal, als ein einziges Syſtem, kann gefaßt werden. Der Hiſtorienmahler, der zu Vorſtellung ſeiner Geſchichte mehrere Per- ſonen oder Figuren zu zeichnen hat, ſtellt ſie nicht einzeln oder zerſtreuet, eine hier, die andre da, vor, ſondern vereiniget derer etliche hier, andre an einer andern Stelle, in eine Maſſe oder in einen Klump zuſammen, und wenn er die Sachen ſo geordnet hat, ſo ſagt man, er habe Gruppen gemacht, oder die Figuren gruppirt. Wiewol man nun dieſes Wort, wie geſagt, blos in zeichnenden Kuͤnſten braucht, ſo iſt offenbar, daß die Sache ſelbſt in allen andern Kuͤnſten vorhanden iſt. Eine Periode der Rede iſt nichts anders, als eine Gruppe einzeler Saͤtze, und die Periode in der Muſik, eine Gruppe kleinerer Einſchnitte. Dieſes ſey zur Erklaͤrung des Worts geſagt. Die Sache ſelbſt verdienet in der Theorie der ſchoͤ- vor R r r 3
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Gruͤ Gru
Gru
nimmt eine Kohlpfanne, die etwas groͤſſer, als die
Platte ſeyn muß, und macht ein ſo viel moͤglich
durchaus gleich gluͤendes Kohlfeuer darin an. Her-
nach zieht man die meiſten Kohlen gegen den Rand
der Kohlpfanne zuſammen. Ueber dieſem Kohlfeuer
wird die Platte, die unrechte Seite gegen das Feuer
gekehrt, in einiger Hoͤhe uͤber den Kohlen geſetzt
und ſo lange daruͤber gelaſſen, bis der Firnis etwas
hart gebrennt iſt. Man erkennt an dem Rauchen
deſſelben, daß er bald gut iſt. Weil er aber auch zu
ſtark kann gebrennt werden, in welchem Fall er bey
der Arbeit abſpringen wuͤrde, ſo muß man hiebey
vorſichtig ſeyn. Man kann an einem Ende der
Platte mit ein Stuͤkgen Holz ihn probiren. So lange
er noch am Holz anklebt, iſt er noch nicht hart
genung; ſo bald er aber nicht mehr anklebt, muß
man die Platte vom Feuer abnehmen.
Der weiche Firniß iſt etwas leichter aufzutragen.
Wenn die Tafel warm iſt, ſo reibet man den Fir-
niß, der in dem Taffet, worin er eingewikelt iſt, blei-
ben kann, auf derſelben herum. Die Waͤrme macht,
daß er durch den Taffet ſchwitzt und an der Platte
klebet. Nur gehoͤrt allerdings Uebung und Genauig-
keit dazu, ihn uͤberall gleich dik, und nirgend zu viel
aufzutragen. Man kann ihn eben ſo, wie den har-
ten, mit Ballen von Taffet austheilen und gleich ma-
chen. Wenn man glaubt, daß er ziemlich gleich
aufgetragen ſey, ſo ſetzt man die Platte noch einmal
auf die Kohlen, laͤßt ſie gelinde warm werden, bis
der Firnis ſo weich worden, daß er von ſelbſt eine
glatte Flaͤche bekoͤmmt. Hernach wird er eben ſo,
wie vorhergeſagt worden iſt, geſchwaͤrzt.
Auf dieſe Art werden alſo die Kupferplatten ge-
gruͤndet, und nun kann die Zeichnung darauf ge-
tragen werden. S. Abzeichnen.
Gruppe.
(Zeichnende Kuͤnſte.)
Dieſes Wort iſt bis itzt nur in den zeichnenden Kuͤn-
ſten aufgenommen, obgleich die Sache ſelbſt, die es
ausdruͤkt, allen Kuͤnſten gemein iſt. Man ver-
ſteht nemlich dadurch die Zuſammenſtellung, oder
Vereinigung mehrerer einzeler, zuſammengehoͤriger
Gegenſtaͤnde, in eine einzige Maſſe, ſo daß die Ge-
genſtaͤnde, die man ſonſt einzeln als fuͤr ſich beſtehende
Dinge wuͤrde geſehen oder bemerkt haben, durch
dieſe Zuſammenſetzung als Theile eines groͤſſern
Ganzen erſcheinen. Nicht jede Vereinigung der
Theile in ein Ganzes iſt eine Gruppe, (der menſch-
liche Koͤrper iſt ein aus vielen vereinigten Theilen
zuſammengeſetztes Ganzes, aber keine Gruppe) ſon-
dern die, da jeder Theil ſchon fuͤr ſich etwas Gan-
zes ſeyn koͤnnte. Das Ganze iſt ein Syſtem, oder
eine Maſſe von Theilen, deren keiner fuͤr ſich etwas
Ganzes waͤre; die Gruppe iſt ein großes Ganzes
aus kleinen Ganzen zuſammengeſetzt. Ein ſolches
Ganzes iſt z. B. eine Weintraube: jede Beere
fuͤr ſich betrachtet, iſt etwas ganzes, naͤmlich ein
runder Koͤrper; dieſe Beeren auf einem Tiſche zer-
ſtreuet, machen nicht einen, ſondern viel Koͤrper aus;
aber in eine Traube vereiniget, werden ſie zu einer
Gruppe und dadurch zu einem Ganzen, das ſeine
Form hat und nun auf einmal, als ein einziges
Syſtem, kann gefaßt werden. Der Hiſtorienmahler,
der zu Vorſtellung ſeiner Geſchichte mehrere Per-
ſonen oder Figuren zu zeichnen hat, ſtellt ſie nicht
einzeln oder zerſtreuet, eine hier, die andre da, vor,
ſondern vereiniget derer etliche hier, andre an einer
andern Stelle, in eine Maſſe oder in einen Klump
zuſammen, und wenn er die Sachen ſo geordnet hat,
ſo ſagt man, er habe Gruppen gemacht, oder die
Figuren gruppirt. Wiewol man nun dieſes Wort,
wie geſagt, blos in zeichnenden Kuͤnſten braucht, ſo
iſt offenbar, daß die Sache ſelbſt in allen andern
Kuͤnſten vorhanden iſt. Eine Periode der Rede iſt
nichts anders, als eine Gruppe einzeler Saͤtze, und
die Periode in der Muſik, eine Gruppe kleinerer
Einſchnitte. Dieſes ſey zur Erklaͤrung des Worts
geſagt.
Die Sache ſelbſt verdienet in der Theorie der ſchoͤ-
nen Kuͤnſte eine genaue Betrachtung, weil die
Gruppirung der Gegenſtaͤnde in den meiſten Wer-
ken der Kunſt eine Hauptſache iſt. Daß ein Werk
des Geſchmaks, welches aus ſehr viel einzelen Ge-
genſtaͤnden zuſammengeſetzt iſt, dieſe Theile nicht
zerſtreuet und einzeln barſtellen, ſondern dieſelben in
eine oder mehrere Gruppen ſammeln, und dieſe
Gruppen wieder in einen einzigen Gegenſtand ver-
binden muͤſſe, iſt eine weſentliche Regel, deren Grund
leicht einzuſehen iſt. Es iſt weder der Phantaſte
noch dem Verſtande moͤglich, ſich viel einzele Dinge
auf einmal klar vorzuſtellen. Das einfache Weſen
unſers Geiſtes zeiget ſich auch darin, daß wir die
Aufmerkſamkeit auf einmal nur auf einen einzigen
Gegenſtand richten koͤnnen; eben ſo wie es unmoͤg-
lich iſt, wenn wir viel einzeln zerſtreuete Perſonen
vor
R r r 3
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