Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Ges ben, ihre Werke jenen Alten gleich zu machen undsie an ihrer Statt unterzuschieben. Zum Beweis, wie weit damals diese Kunst ge- Aus diesem zweyten Vaterland der Künste und Jn Frankreich führte Franz der I diese, wie alle Ges Geschoß. (Baukunst.) So nennt man in einem Gebäude, das aus meh- Man unterscheidet auch ganze und halbe Ge- Attiken. An den Aussenseiten werden gemeiniglich die Ge- Gesell- N n n 3
[Spaltenumbruch] Geſ ben, ihre Werke jenen Alten gleich zu machen undſie an ihrer Statt unterzuſchieben. Zum Beweis, wie weit damals dieſe Kunſt ge- Aus dieſem zweyten Vaterland der Kuͤnſte und Jn Frankreich fuͤhrte Franz der I dieſe, wie alle Geſ Geſchoß. (Baukunſt.) So nennt man in einem Gebaͤude, das aus meh- Man unterſcheidet auch ganze und halbe Ge- Attiken. An den Auſſenſeiten werden gemeiniglich die Ge- Geſell- N n n 3
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Geſ
Geſ
ben, ihre Werke jenen Alten gleich zu machen und
ſie an ihrer Statt unterzuſchieben.
Zum Beweis, wie weit damals dieſe Kunſt ge-
ſtiegen ſey, dienen folgende zwey Beyſpiele. Ein
damaliger Kuͤnſtler Alexandro Ceſari, mit dem Zuna-
men II maeſtro greco, verfertigte fuͤr den Pabſt
Paul den III eine Medaille (*), auf welcher Alexander
der Große zu den Fuͤßen des Hohenprieſters der Ju-
den zu ſehen iſt. Dieſes Werk war von ſo auſſer-
ordentlicher Schoͤnheit, daß Michel Angelo bey
Betrachtung derſelben voll Verwundrung ausgeru-
fen hat: Dies iſt der hoͤchſte Gipfel der Kunſt.
Eben derſelbe Kuͤnſtler hat das Bild Koͤnig Heinrichs
des II in Frankreich in einen Stein geſchnitten,
welches nach dem Zeugnis der beſten Kenner den
Alten ganz gleich koͤmmt. Der Kopf des Phocions
von demſelben Kuͤnſtler, der jetzo in den Haͤnden
des Herrn Zanetti iſt, ſoll keinem der beſten Antiken
etwas nachgeben (*). Von dieſer Zeit an hat ſich
die Kunft in Steine zu ſchneiden in Jtalien bis ietzo
erhalten.
(*) Sie
iſt in des
P.Bonanni
Numiſm.
Pont. Ro-
man. T. I.
p. 199. ab-
gebildet.
(*) Gori
Dactylio-
theca Za-
nettiana
Tab. III.
p. 5. Venet.
1750.
Aus dieſem zweyten Vaterland der Kuͤnſte und
Wiſſenſchaften breitete ſie ſich bald in andre Laͤnder
aus. Sandrat gedenket eines nuͤrnbergiſchen Stein-
ſchneiders, Namens Engelhart, der Albrecht Duͤ-
rers Freund geweſen. Nachher war Wilhelm V
von Bayern ein großer Liebhaber und Befoͤrderer
dieſer Kunſt, nach ihm aber der Kayſer Rudolph
der II, unter welchem viel deutſche Steinſchneider
gelebt haben, deren wir an einem andern Orte ge-
denken. So viel mir aber bekannt iſt, ſind erſt in
dieſem laufenden Jahrhundert deutſche Meiſter be-
kannt geworden, welche den beſten Welſchen und
den Griechen ſelbſt an die Seite geſetzt werden koͤn-
nen. S. Steinſchneider.
Jn Frankreich fuͤhrte Franz der I dieſe, wie alle
andre Kuͤnſte, dadurch ein, daß er aus Jtalien gute
Kuͤnſtler in ſein Reich berufte. Seit dem hat dieſes
Reich ab und zu einige wenige gute Steinſchneider
gehabt. Nach Spanien kamen unter der Regierung
Philipp des II ebenfalls einige italiaͤniſche Mei-
ſter, und England hat zu den Zeiten der Koͤnigin
Eliſabeth, und nachher bis auf unſre Zeiten viele
Steinſchneider gehabt, darunter einige vom erſten
Range ſind. Auf dieſe Weiſe hat ſich die Kunſt in
alle Laͤnder von Europa ausgebreitet, und bis jetzo in
einem ziemlichen Grad der Vollkommenheit erhalten.
Geſchoß.
(Baukunſt.)
So nennt man in einem Gebaͤude, das aus meh-
rern uͤber einander liegenden Abtheilungen beſteht,
die oberen Abtheilungen, zu denen man durch Trep-
pen hinaufſteiget. Sie werden auch Stokwerke,
und itzt ſchon vielfaͤltig mit dem franzoͤſiſchen Na-
men Etages genennt. Man ſagt von einem Hauſe,
es ſey von einem, zwey, drey Geſchoſſen, oder
Stokwerken, wenn uͤber die unterſten, gerade uͤber
der Erde liegenden Zimmer, noch ein, zwey oder
drey Aufſaͤtze von Zimmern gebauet ſind. Naͤmlich
die unterſten Wohnungen werden eigentlich noch
nicht zu den Geſchoſſen gerechnet. Dieſer Bedeu-
tung des Worts zu Folge waͤr ein Haus von drey
uͤber einander liegenden Wohnungen, und drey Rey-
hen uͤber einander ſtehender Fenſter, nur von zwey
Geſchoſſen, weil die unterſte Wohnung noch zwey
andre uͤber ſich hat.
Man unterſcheidet auch ganze und halbe Ge-
ſchoſſe. Die Ganzen ſind in gemeinen Wohnhaͤn-
ſern wenigſtens zehen und hoͤchſtens vierzehen Fuß
hoch; in Pallaͤſten funfzehen bis zwanzig; die hal-
ben Geſchoſſe, die auch Auiken (*) genennt werden,
haben nur die halbe Hoͤhe.
An den Auſſenſeiten werden gemeiniglich die Ge-
ſchoſſe durch Baͤnder und Geſimſe von einander
abgeſoͤndert; es ſey denn, daß nach roͤmiſcher Art
Saͤulen oder Pilaſter von dem Fuße des Gebaͤudes
bis an das Gebaͤlke gehen, in welchem Fall dieſe
Abſoͤnderung der Geſchoſſe nicht ſtatt haben kann.
Man giebt auch dem erſten Geſchoß ofte ſeine be-
ſondere Plinthe. Eine Auſſenſeite von zwey und
mehrern Geſchoſſen, die nicht durch Baͤnder oder
Geſimſe abgetheilt ſind, hat ein zu mageres An-
ſehen; hingegen giebt die Abtheilung der Geſchoſſe
den Auſſenſeiten nicht nur ein gutes Anſehen, ſon-
dern erwekt auch zugleich den Begriff einer mehrern
Feſtigkeit. An den Auſſenſeiten gemeiner Wohn-
haͤuſer zeiget ſich der gute oder ſchlechte Geſchmak
eines Baumeiſters auf den erſten Blik, aus der
Abtheilung der Geſchoſſe. Der gute Baumeiſter
weiß alles ſo einzurichten, daß jedes Geſchoß ein
Ganzes ausmacht, deſſen Theile nicht gegen das
ganze Gebaͤude, ſondern nur gegen das Geſchoß ab-
gemeſſen werden.
Geſell-
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