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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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nicht. Für diesen schiken sich vorzüglich die Zeich-
nungen, wo durch wenig kernhafte Striche nur die
Hauptsachen ausgedrukt sind. Meisterhafte, aber
wenig ausgeführte Handzeichnungen, können sehr
gut in Holz geschnitten werden.

Die Holzschnitte haben aber vor den Kupfersti-
chen den Vortheil, daß man einige tausend gute Ab-
drüke davon nehmen kann, da die Kupferstiche nur
einige Hundert geben. Es würde also ohne Zwei-
fel zur Aufnahm der Kunst gereichen, wenn das
Formschneiden mit dem Eyfer getrieben würde, als
das Kupferstechen. Es giebt fürtreff liche Gemählde,
die sich fürnehmlich durch das Große der Anlage und
der Zeichnung herausnehmen; diese könnte man
durch Holzschnitte weit besser, als durch Kupfer-
stiche allgemein machen. So könnten auch die vor-
nehmsten Werke der alten Bildhauer durch Holz-
schnitte beynahe eben so gut, als durch Kupferstiche,
zum Unterricht der Studirenden ausgebreitet wer-
den. Es ist zum Nachtheil der zeichnenden Künste
geschehen, daß das Formschneiden von dem Kupfer-
stechen bey nahe verdrängt worden. Denn gegen-
wärtig wird es größtentheils nur in der Buchdruke-
rey zur Verzierung gebraucht, da es ehedem zur
Bekanntmachung und Ausbreitung der Werke der
größten Meister gebraucht worden.

Das Mechanische der Kunst hat der fürtreffliche
französische Formschneider Papillon, in einem beson-
dern Werk ausführlich beschrieben [Spaltenumbruch] (+), wo er auch
zugleich eine gute Geschichte dieser Kunst gegeben hat.
Niemand aber hat dem Ursprung derselben fleißiger
und mühesamer nachgeforscht, als der Hr. von Hei-
neke
(++). Es ergiebt sich aus seinen Untersuchun-
gen, daß das Formschneiden vermuthlich bey Gele-
genheit der Verfertigung der Charten zum Spielen
aufgekommen sey. Der Ursprung dieser Charten ist
nicht bekannt; unstreitig aber ist es, daß sie schon
im XIII Jahrhundert bekannt gewesen. Zu welcher
Zeit man aber angefangen habe, das Formschneiden
zu einem edlern Gebrauch anzuwenden, hat Niemand
ausmachen können. Nur so viel ist gewiß, daß
schon vor dem Jahr 1430 biblische Geschichten in
Holz geschnitten worden.

[Spaltenumbruch]
For

Erst aber um den Anfang des XVI Jahrhunderts
hat diese Kunst sich in einem vortheilhaften Lichte
gezeiget. Man hat von dieser Zeit von verschiede-
nen Meistern, besonders aber von Albrecht Alt-
dorfer
einem Schweizer, fürtreffliche kleine Holz-
schnitte, darin so wol die Zeichnung, als der
Schnitt sehr schätzbar sind. Auch ist den Liebhabern
bekannt, daß um diese Zeit Albrecht Dürer so für-
treffliche Zeichnungen in Holz geschnitten, daß ver-
schiedene davon in Jtalien von dem berühmten
Marc-Antonio und andern nachgestochen worden.
Wer eine ausführliche Geschichte dieser Kunst ver-
langt, wird selbige in dem angeführten Werke des
Papillons finden.

Wir müssen hier noch einer besondern Art der
Holzschnitte erwähnen, die von den Jtaliänern chi-
aro-scuro,
von den Franzosen camayeux genennt
werden. Sie ahmen mahlerische Zeichnungen nach,
wo die Umriße mit Strichen, die Hauptlichter und
Schatten aber durch Duschen angezeiget sind. Die
Kunst besteht darin, daß für eine Zeichnung zwey
oder drey Formen gemacht werden. Die eine ent-
hält die Umriße, und die Stellen der stärksten Schat-
ten; die andre aber enthält die Stellen der halben
Schatten, und eine dritte die Stellen der höchsten
Lichter; wo diese nicht durch das weiße Papier
selbst schon in die Zeichnung kommen. Aber man
nihmt oft graues, oder braunes Papier dazu. Die
größte Sorgfalt hat der Künstler darauf zu wenden,
die verschiedenen Formen so genau auf einander zu
paßen, daß jede Farbe an ihren rechten Ort komme.
Man hat viel schöne Stüke von dieser Art, von be-
rühmten italiänischen Meistern.

Es scheinet, daß auch diese Art in Deutschland
entstanden sey, indem man noch einige Stüke hat,
die vor Albrecht Dürers Zeiten gemacht sind (+++).
Jn Jtalien hat sich Hugo da Carpi zuerst darin
hervor gethan. Weitläuftige Nachrichten hievon
findet man bey Papillon, und in dem Dictionaire
Eneyclopedique,
im Artikel Gravure en bois, de
camayeu.

Diese Art schiket sich fürtrefflich zur Ausbreitung
derjenigen Handzeichnungen, darin die Künstler

blos
(+) S. Traitte historique et pratlque de la gravure en
bois par I. M. Papillon. a Paris
1766.
(++) S. Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen,
zweyter Theil, darin eine weitläuftige Abhandlung von
[Spaltenumbruch] der Formschneiderey und den ersten gedrukten Büchern zu
finden ist.
(+++) S. Heineken in dem angezogenen Werk auf
der 113 Seite.
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[Spaltenumbruch]

For
nicht. Fuͤr dieſen ſchiken ſich vorzuͤglich die Zeich-
nungen, wo durch wenig kernhafte Striche nur die
Hauptſachen ausgedrukt ſind. Meiſterhafte, aber
wenig ausgefuͤhrte Handzeichnungen, koͤnnen ſehr
gut in Holz geſchnitten werden.

Die Holzſchnitte haben aber vor den Kupferſti-
chen den Vortheil, daß man einige tauſend gute Ab-
druͤke davon nehmen kann, da die Kupferſtiche nur
einige Hundert geben. Es wuͤrde alſo ohne Zwei-
fel zur Aufnahm der Kunſt gereichen, wenn das
Formſchneiden mit dem Eyfer getrieben wuͤrde, als
das Kupferſtechen. Es giebt fuͤrtreff liche Gemaͤhlde,
die ſich fuͤrnehmlich durch das Große der Anlage und
der Zeichnung herausnehmen; dieſe koͤnnte man
durch Holzſchnitte weit beſſer, als durch Kupfer-
ſtiche allgemein machen. So koͤnnten auch die vor-
nehmſten Werke der alten Bildhauer durch Holz-
ſchnitte beynahe eben ſo gut, als durch Kupferſtiche,
zum Unterricht der Studirenden ausgebreitet wer-
den. Es iſt zum Nachtheil der zeichnenden Kuͤnſte
geſchehen, daß das Formſchneiden von dem Kupfer-
ſtechen bey nahe verdraͤngt worden. Denn gegen-
waͤrtig wird es groͤßtentheils nur in der Buchdruke-
rey zur Verzierung gebraucht, da es ehedem zur
Bekanntmachung und Ausbreitung der Werke der
groͤßten Meiſter gebraucht worden.

Das Mechaniſche der Kunſt hat der fuͤrtreffliche
franzoͤſiſche Formſchneider Papillon, in einem beſon-
dern Werk ausfuͤhrlich beſchrieben [Spaltenumbruch] (†), wo er auch
zugleich eine gute Geſchichte dieſer Kunſt gegeben hat.
Niemand aber hat dem Urſprung derſelben fleißiger
und muͤheſamer nachgeforſcht, als der Hr. von Hei-
neke
(††). Es ergiebt ſich aus ſeinen Unterſuchun-
gen, daß das Formſchneiden vermuthlich bey Gele-
genheit der Verfertigung der Charten zum Spielen
aufgekommen ſey. Der Urſprung dieſer Charten iſt
nicht bekannt; unſtreitig aber iſt es, daß ſie ſchon
im XIII Jahrhundert bekannt geweſen. Zu welcher
Zeit man aber angefangen habe, das Formſchneiden
zu einem edlern Gebrauch anzuwenden, hat Niemand
ausmachen koͤnnen. Nur ſo viel iſt gewiß, daß
ſchon vor dem Jahr 1430 bibliſche Geſchichten in
Holz geſchnitten worden.

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For

Erſt aber um den Anfang des XVI Jahrhunderts
hat dieſe Kunſt ſich in einem vortheilhaften Lichte
gezeiget. Man hat von dieſer Zeit von verſchiede-
nen Meiſtern, beſonders aber von Albrecht Alt-
dorfer
einem Schweizer, fuͤrtreffliche kleine Holz-
ſchnitte, darin ſo wol die Zeichnung, als der
Schnitt ſehr ſchaͤtzbar ſind. Auch iſt den Liebhabern
bekannt, daß um dieſe Zeit Albrecht Duͤrer ſo fuͤr-
treffliche Zeichnungen in Holz geſchnitten, daß ver-
ſchiedene davon in Jtalien von dem beruͤhmten
Marc-Antonio und andern nachgeſtochen worden.
Wer eine ausfuͤhrliche Geſchichte dieſer Kunſt ver-
langt, wird ſelbige in dem angefuͤhrten Werke des
Papillons finden.

Wir muͤſſen hier noch einer beſondern Art der
Holzſchnitte erwaͤhnen, die von den Jtaliaͤnern chi-
aro-ſcuro,
von den Franzoſen camayeux genennt
werden. Sie ahmen mahleriſche Zeichnungen nach,
wo die Umriße mit Strichen, die Hauptlichter und
Schatten aber durch Duſchen angezeiget ſind. Die
Kunſt beſteht darin, daß fuͤr eine Zeichnung zwey
oder drey Formen gemacht werden. Die eine ent-
haͤlt die Umriße, und die Stellen der ſtaͤrkſten Schat-
ten; die andre aber enthaͤlt die Stellen der halben
Schatten, und eine dritte die Stellen der hoͤchſten
Lichter; wo dieſe nicht durch das weiße Papier
ſelbſt ſchon in die Zeichnung kommen. Aber man
nihmt oft graues, oder braunes Papier dazu. Die
groͤßte Sorgfalt hat der Kuͤnſtler darauf zu wenden,
die verſchiedenen Formen ſo genau auf einander zu
paßen, daß jede Farbe an ihren rechten Ort komme.
Man hat viel ſchoͤne Stuͤke von dieſer Art, von be-
ruͤhmten italiaͤniſchen Meiſtern.

Es ſcheinet, daß auch dieſe Art in Deutſchland
entſtanden ſey, indem man noch einige Stuͤke hat,
die vor Albrecht Duͤrers Zeiten gemacht ſind (†††).
Jn Jtalien hat ſich Hugo da Carpi zuerſt darin
hervor gethan. Weitlaͤuftige Nachrichten hievon
findet man bey Papillon, und in dem Dictionaire
Eneyclopedique,
im Artikel Gravure en bois, de
camayeu.

Dieſe Art ſchiket ſich fuͤrtrefflich zur Ausbreitung
derjenigen Handzeichnungen, darin die Kuͤnſtler

blos
(†) S. Traitté hiſtorique et pratlque de la gravure en
bois par I. M. Papillon. à Paris
1766.
(††) S. Nachrichten von Kuͤnſtlern und Kunſtſachen,
zweyter Theil, darin eine weitlaͤuftige Abhandlung von
[Spaltenumbruch] der Formſchneiderey und den erſten gedrukten Buͤchern zu
finden iſt.
(†††) S. Heineken in dem angezogenen Werk auf
der 113 Seite.
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[397/0409] For For nicht. Fuͤr dieſen ſchiken ſich vorzuͤglich die Zeich- nungen, wo durch wenig kernhafte Striche nur die Hauptſachen ausgedrukt ſind. Meiſterhafte, aber wenig ausgefuͤhrte Handzeichnungen, koͤnnen ſehr gut in Holz geſchnitten werden. Die Holzſchnitte haben aber vor den Kupferſti- chen den Vortheil, daß man einige tauſend gute Ab- druͤke davon nehmen kann, da die Kupferſtiche nur einige Hundert geben. Es wuͤrde alſo ohne Zwei- fel zur Aufnahm der Kunſt gereichen, wenn das Formſchneiden mit dem Eyfer getrieben wuͤrde, als das Kupferſtechen. Es giebt fuͤrtreff liche Gemaͤhlde, die ſich fuͤrnehmlich durch das Große der Anlage und der Zeichnung herausnehmen; dieſe koͤnnte man durch Holzſchnitte weit beſſer, als durch Kupfer- ſtiche allgemein machen. So koͤnnten auch die vor- nehmſten Werke der alten Bildhauer durch Holz- ſchnitte beynahe eben ſo gut, als durch Kupferſtiche, zum Unterricht der Studirenden ausgebreitet wer- den. Es iſt zum Nachtheil der zeichnenden Kuͤnſte geſchehen, daß das Formſchneiden von dem Kupfer- ſtechen bey nahe verdraͤngt worden. Denn gegen- waͤrtig wird es groͤßtentheils nur in der Buchdruke- rey zur Verzierung gebraucht, da es ehedem zur Bekanntmachung und Ausbreitung der Werke der groͤßten Meiſter gebraucht worden. Das Mechaniſche der Kunſt hat der fuͤrtreffliche franzoͤſiſche Formſchneider Papillon, in einem beſon- dern Werk ausfuͤhrlich beſchrieben (†), wo er auch zugleich eine gute Geſchichte dieſer Kunſt gegeben hat. Niemand aber hat dem Urſprung derſelben fleißiger und muͤheſamer nachgeforſcht, als der Hr. von Hei- neke (††). Es ergiebt ſich aus ſeinen Unterſuchun- gen, daß das Formſchneiden vermuthlich bey Gele- genheit der Verfertigung der Charten zum Spielen aufgekommen ſey. Der Urſprung dieſer Charten iſt nicht bekannt; unſtreitig aber iſt es, daß ſie ſchon im XIII Jahrhundert bekannt geweſen. Zu welcher Zeit man aber angefangen habe, das Formſchneiden zu einem edlern Gebrauch anzuwenden, hat Niemand ausmachen koͤnnen. Nur ſo viel iſt gewiß, daß ſchon vor dem Jahr 1430 bibliſche Geſchichten in Holz geſchnitten worden. Erſt aber um den Anfang des XVI Jahrhunderts hat dieſe Kunſt ſich in einem vortheilhaften Lichte gezeiget. Man hat von dieſer Zeit von verſchiede- nen Meiſtern, beſonders aber von Albrecht Alt- dorfer einem Schweizer, fuͤrtreffliche kleine Holz- ſchnitte, darin ſo wol die Zeichnung, als der Schnitt ſehr ſchaͤtzbar ſind. Auch iſt den Liebhabern bekannt, daß um dieſe Zeit Albrecht Duͤrer ſo fuͤr- treffliche Zeichnungen in Holz geſchnitten, daß ver- ſchiedene davon in Jtalien von dem beruͤhmten Marc-Antonio und andern nachgeſtochen worden. Wer eine ausfuͤhrliche Geſchichte dieſer Kunſt ver- langt, wird ſelbige in dem angefuͤhrten Werke des Papillons finden. Wir muͤſſen hier noch einer beſondern Art der Holzſchnitte erwaͤhnen, die von den Jtaliaͤnern chi- aro-ſcuro, von den Franzoſen camayeux genennt werden. Sie ahmen mahleriſche Zeichnungen nach, wo die Umriße mit Strichen, die Hauptlichter und Schatten aber durch Duſchen angezeiget ſind. Die Kunſt beſteht darin, daß fuͤr eine Zeichnung zwey oder drey Formen gemacht werden. Die eine ent- haͤlt die Umriße, und die Stellen der ſtaͤrkſten Schat- ten; die andre aber enthaͤlt die Stellen der halben Schatten, und eine dritte die Stellen der hoͤchſten Lichter; wo dieſe nicht durch das weiße Papier ſelbſt ſchon in die Zeichnung kommen. Aber man nihmt oft graues, oder braunes Papier dazu. Die groͤßte Sorgfalt hat der Kuͤnſtler darauf zu wenden, die verſchiedenen Formen ſo genau auf einander zu paßen, daß jede Farbe an ihren rechten Ort komme. Man hat viel ſchoͤne Stuͤke von dieſer Art, von be- ruͤhmten italiaͤniſchen Meiſtern. Es ſcheinet, daß auch dieſe Art in Deutſchland entſtanden ſey, indem man noch einige Stuͤke hat, die vor Albrecht Duͤrers Zeiten gemacht ſind (†††). Jn Jtalien hat ſich Hugo da Carpi zuerſt darin hervor gethan. Weitlaͤuftige Nachrichten hievon findet man bey Papillon, und in dem Dictionaire Eneyclopedique, im Artikel Gravure en bois, de camayeu. Dieſe Art ſchiket ſich fuͤrtrefflich zur Ausbreitung derjenigen Handzeichnungen, darin die Kuͤnſtler blos (†) S. Traitté hiſtorique et pratlque de la gravure en bois par I. M. Papillon. à Paris 1766. (††) S. Nachrichten von Kuͤnſtlern und Kunſtſachen, zweyter Theil, darin eine weitlaͤuftige Abhandlung von der Formſchneiderey und den erſten gedrukten Buͤchern zu finden iſt. (†††) S. Heineken in dem angezogenen Werk auf der 113 Seite. D d d 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/409>, abgerufen am 02.05.2024.