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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Dor
Raum von einem zum andern anzeigen. Die hier bey-
gefügte Figur giebt einigen Begriff von der dori-
schen Ordnung, bey welcher die Säulen, wie hier,
oft ohne Füsse gewesen sind.

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Die Griechen sagten, wie Vitruvius berichtet, daß
Dorus König in Achaja einen Tempel gebaut habe,
der diese Bauart gehabt, die den Griechen so wol
gefallen, daß sie hernach vielfältig nachgeahmt wor-
den. Nach Pokoks Bericht aber findet man in
Amara, einer sehr alten Aegyptischen Stadt, Säulen,
die eine grosse Aehnlichkeit mit den dorischen haben.
Ohne Zweifel ist diese Ordnung anfänglich blos zu
Tempeln gebraucht worden, und man ließ, da alles noch
von Holz war, den Raum zwischen den Balken offen.
Vermuthlich sah man noch zu den Zeiten des Eu-
(*) Ueber
die Bau-
kunst der
Alten S.
[2]4.
ripides ganz alte Tempel, wo das Gebälke so war;
denn dieser Dichter läßt, wie Winkelmann (*)
sehr wol anmerkt, in seiner Jphigenia den Pylades
dem Orestes den Vorschlag thun, sie wollen durch
den offenen Raum zwischen den Triglyphen in den
Tempel der Diana hereinsteigen. Ein ehemaliger
guter Baumeister in Berlin hat den Einfall gehabt,
dieses so gar in einem von Stein gemachten dori-
schen Gebälke nachzuahmen, wie daselbst an dem
Ende des sogenannten Mühlendammes zu sehen ist.

[Spaltenumbruch]
Dor

Dieser offene Raum zwischen den Balken mag
einen Priester auf den Einfall gebracht haben, die
Schädel von den Opferthieren dahin zu setzen, und
daher entstund vermuthlich ein nachher allgemeiner
Gebrauch dieses zu thun. Als man hernach die
Gebälke von Steinen machte, und die Metopen aus-
mauerte, war man so sehr gewohnt, Schädel von
Opferthieren an diesen Stellen zu sehen, daß solche in
den Metopen in Stein ausgehauen wurden. Man
muß eine sehr übertriebene Liebe fürs Alterthum ha-
ben, um dieses noch itzt nachzuahmen. Gegenwär-
tig ist es unendlich schiklicher, die Metopen mit Sa-
chen auszuzieren, die eine Beziehung auf die Be-
stimmung der Gebäude haben. Dieses ist mit gu-
ter Ueberlegung und viel Geschmak an dem Berli-
nischen Schloß und an dem Zeughause geschehen.

Es sind noch Ruinen von alten dorischen Ge-
bäuden vorhanden, deren hohes Alterthum aus der
rohen Form und den plumpen Verhältnissen der
Säulen kann abgenommen werden. Diese sind co-
nisch, die Höhe hat nicht einmal fünf Säulen-
diken. (*) Man findet, daß die Alten die Verhält-(*) S.
Winkel-
mann l. c.

nisse der dorischen Säulen von Zeit zu Zeit geän-
dert, und die Höhe derselben nach und nach von vier
Säulendiken bis auf sieben heraufgetrieben haben,
bey welchem letzten Verhältniß man noch itzt blei-
bet, da man dem Säulenstamm insgemein 14 Mo-
del, dem Fuß aber einen und dem Knauff auch ei-
nen, folglich der ganzen Säule 16 Model für die
Höhe giebt.

Diese Ordnung ist wegen der Austheilung der
Triglyphen die schweerste, (*) und die Alten könn-(*) S
Dreysch[litz].

ten sie nur zu dreyerley Säulenweiten, nämlich
von 5, 10 und 15 Modeln, anbringen, oder sie
mußten darin die Fehler leiden, daß nicht allemal
mitten über einer Säule ein Dreyschliz zu liegen
kam, wie in dem angezogenen Artikel gezeiget wor-
den. Goldman hat dieser Schwierigkeit dadurch
abgeholfen, daß er die Verhältnisse der Dreyschlize
zu den Metopen für einige Säulenweiten abgeän-
dert, und dadurch verschiedene Gebälke für gar alle
brauchbaren Säulenweiten angegeben hat. Die
Verhältnisse der Haupttheile dieser Ordnung sind an
einem andern Ort angegeben worden. (*)

(*) S
Ordnung

Obgleich diese Ordnung die willkührlichen Zierra-
then verwirft, so ist sie doch in ihrem vollen Reich-
thum, wenn die Metopen mit schiklichen Verzie-
rungen angefüllt, wenn die Unterbalken auf ihrer

untern
Erster Theil. M m

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Dor
Raum von einem zum andern anzeigen. Die hier bey-
gefuͤgte Figur giebt einigen Begriff von der dori-
ſchen Ordnung, bey welcher die Saͤulen, wie hier,
oft ohne Fuͤſſe geweſen ſind.

[Abbildung]

Die Griechen ſagten, wie Vitruvius berichtet, daß
Dorus Koͤnig in Achaja einen Tempel gebaut habe,
der dieſe Bauart gehabt, die den Griechen ſo wol
gefallen, daß ſie hernach vielfaͤltig nachgeahmt wor-
den. Nach Pokoks Bericht aber findet man in
Amara, einer ſehr alten Aegyptiſchen Stadt, Saͤulen,
die eine groſſe Aehnlichkeit mit den doriſchen haben.
Ohne Zweifel iſt dieſe Ordnung anfaͤnglich blos zu
Tempeln gebraucht worden, und man ließ, da alles noch
von Holz war, den Raum zwiſchen den Balken offen.
Vermuthlich ſah man noch zu den Zeiten des Eu-
(*) Ueber
die Bau-
kunſt der
Alten S.
[2]4.
ripides ganz alte Tempel, wo das Gebaͤlke ſo war;
denn dieſer Dichter laͤßt, wie Winkelmann (*)
ſehr wol anmerkt, in ſeiner Jphigenia den Pylades
dem Oreſtes den Vorſchlag thun, ſie wollen durch
den offenen Raum zwiſchen den Triglyphen in den
Tempel der Diana hereinſteigen. Ein ehemaliger
guter Baumeiſter in Berlin hat den Einfall gehabt,
dieſes ſo gar in einem von Stein gemachten dori-
ſchen Gebaͤlke nachzuahmen, wie daſelbſt an dem
Ende des ſogenannten Muͤhlendammes zu ſehen iſt.

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Dor

Dieſer offene Raum zwiſchen den Balken mag
einen Prieſter auf den Einfall gebracht haben, die
Schaͤdel von den Opferthieren dahin zu ſetzen, und
daher entſtund vermuthlich ein nachher allgemeiner
Gebrauch dieſes zu thun. Als man hernach die
Gebaͤlke von Steinen machte, und die Metopen aus-
mauerte, war man ſo ſehr gewohnt, Schaͤdel von
Opferthieren an dieſen Stellen zu ſehen, daß ſolche in
den Metopen in Stein ausgehauen wurden. Man
muß eine ſehr uͤbertriebene Liebe fuͤrs Alterthum ha-
ben, um dieſes noch itzt nachzuahmen. Gegenwaͤr-
tig iſt es unendlich ſchiklicher, die Metopen mit Sa-
chen auszuzieren, die eine Beziehung auf die Be-
ſtimmung der Gebaͤude haben. Dieſes iſt mit gu-
ter Ueberlegung und viel Geſchmak an dem Berli-
niſchen Schloß und an dem Zeughauſe geſchehen.

Es ſind noch Ruinen von alten doriſchen Ge-
baͤuden vorhanden, deren hohes Alterthum aus der
rohen Form und den plumpen Verhaͤltniſſen der
Saͤulen kann abgenommen werden. Dieſe ſind co-
niſch, die Hoͤhe hat nicht einmal fuͤnf Saͤulen-
diken. (*) Man findet, daß die Alten die Verhaͤlt-(*) S.
Winkel-
mann l. c.

niſſe der doriſchen Saͤulen von Zeit zu Zeit geaͤn-
dert, und die Hoͤhe derſelben nach und nach von vier
Saͤulendiken bis auf ſieben heraufgetrieben haben,
bey welchem letzten Verhaͤltniß man noch itzt blei-
bet, da man dem Saͤulenſtamm insgemein 14 Mo-
del, dem Fuß aber einen und dem Knauff auch ei-
nen, folglich der ganzen Saͤule 16 Model fuͤr die
Hoͤhe giebt.

Dieſe Ordnung iſt wegen der Austheilung der
Triglyphen die ſchweerſte, (*) und die Alten koͤnn-(*) S
Dreyſch[litz].

ten ſie nur zu dreyerley Saͤulenweiten, naͤmlich
von 5, 10 und 15 Modeln, anbringen, oder ſie
mußten darin die Fehler leiden, daß nicht allemal
mitten uͤber einer Saͤule ein Dreyſchliz zu liegen
kam, wie in dem angezogenen Artikel gezeiget wor-
den. Goldman hat dieſer Schwierigkeit dadurch
abgeholfen, daß er die Verhaͤltniſſe der Dreyſchlize
zu den Metopen fuͤr einige Saͤulenweiten abgeaͤn-
dert, und dadurch verſchiedene Gebaͤlke fuͤr gar alle
brauchbaren Saͤulenweiten angegeben hat. Die
Verhaͤltniſſe der Haupttheile dieſer Ordnung ſind an
einem andern Ort angegeben worden. (*)

(*) S
Ordnung

Obgleich dieſe Ordnung die willkuͤhrlichen Zierra-
then verwirft, ſo iſt ſie doch in ihrem vollen Reich-
thum, wenn die Metopen mit ſchiklichen Verzie-
rungen angefuͤllt, wenn die Unterbalken auf ihrer

untern
Erſter Theil. M m
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[273/0285] Dor Dor Raum von einem zum andern anzeigen. Die hier bey- gefuͤgte Figur giebt einigen Begriff von der dori- ſchen Ordnung, bey welcher die Saͤulen, wie hier, oft ohne Fuͤſſe geweſen ſind. [Abbildung] Die Griechen ſagten, wie Vitruvius berichtet, daß Dorus Koͤnig in Achaja einen Tempel gebaut habe, der dieſe Bauart gehabt, die den Griechen ſo wol gefallen, daß ſie hernach vielfaͤltig nachgeahmt wor- den. Nach Pokoks Bericht aber findet man in Amara, einer ſehr alten Aegyptiſchen Stadt, Saͤulen, die eine groſſe Aehnlichkeit mit den doriſchen haben. Ohne Zweifel iſt dieſe Ordnung anfaͤnglich blos zu Tempeln gebraucht worden, und man ließ, da alles noch von Holz war, den Raum zwiſchen den Balken offen. Vermuthlich ſah man noch zu den Zeiten des Eu- ripides ganz alte Tempel, wo das Gebaͤlke ſo war; denn dieſer Dichter laͤßt, wie Winkelmann (*) ſehr wol anmerkt, in ſeiner Jphigenia den Pylades dem Oreſtes den Vorſchlag thun, ſie wollen durch den offenen Raum zwiſchen den Triglyphen in den Tempel der Diana hereinſteigen. Ein ehemaliger guter Baumeiſter in Berlin hat den Einfall gehabt, dieſes ſo gar in einem von Stein gemachten dori- ſchen Gebaͤlke nachzuahmen, wie daſelbſt an dem Ende des ſogenannten Muͤhlendammes zu ſehen iſt. (*) Ueber die Bau- kunſt der Alten S. 24. Dieſer offene Raum zwiſchen den Balken mag einen Prieſter auf den Einfall gebracht haben, die Schaͤdel von den Opferthieren dahin zu ſetzen, und daher entſtund vermuthlich ein nachher allgemeiner Gebrauch dieſes zu thun. Als man hernach die Gebaͤlke von Steinen machte, und die Metopen aus- mauerte, war man ſo ſehr gewohnt, Schaͤdel von Opferthieren an dieſen Stellen zu ſehen, daß ſolche in den Metopen in Stein ausgehauen wurden. Man muß eine ſehr uͤbertriebene Liebe fuͤrs Alterthum ha- ben, um dieſes noch itzt nachzuahmen. Gegenwaͤr- tig iſt es unendlich ſchiklicher, die Metopen mit Sa- chen auszuzieren, die eine Beziehung auf die Be- ſtimmung der Gebaͤude haben. Dieſes iſt mit gu- ter Ueberlegung und viel Geſchmak an dem Berli- niſchen Schloß und an dem Zeughauſe geſchehen. Es ſind noch Ruinen von alten doriſchen Ge- baͤuden vorhanden, deren hohes Alterthum aus der rohen Form und den plumpen Verhaͤltniſſen der Saͤulen kann abgenommen werden. Dieſe ſind co- niſch, die Hoͤhe hat nicht einmal fuͤnf Saͤulen- diken. (*) Man findet, daß die Alten die Verhaͤlt- niſſe der doriſchen Saͤulen von Zeit zu Zeit geaͤn- dert, und die Hoͤhe derſelben nach und nach von vier Saͤulendiken bis auf ſieben heraufgetrieben haben, bey welchem letzten Verhaͤltniß man noch itzt blei- bet, da man dem Saͤulenſtamm insgemein 14 Mo- del, dem Fuß aber einen und dem Knauff auch ei- nen, folglich der ganzen Saͤule 16 Model fuͤr die Hoͤhe giebt. (*) S. Winkel- mann l. c. Dieſe Ordnung iſt wegen der Austheilung der Triglyphen die ſchweerſte, (*) und die Alten koͤnn- ten ſie nur zu dreyerley Saͤulenweiten, naͤmlich von 5, 10 und 15 Modeln, anbringen, oder ſie mußten darin die Fehler leiden, daß nicht allemal mitten uͤber einer Saͤule ein Dreyſchliz zu liegen kam, wie in dem angezogenen Artikel gezeiget wor- den. Goldman hat dieſer Schwierigkeit dadurch abgeholfen, daß er die Verhaͤltniſſe der Dreyſchlize zu den Metopen fuͤr einige Saͤulenweiten abgeaͤn- dert, und dadurch verſchiedene Gebaͤlke fuͤr gar alle brauchbaren Saͤulenweiten angegeben hat. Die Verhaͤltniſſe der Haupttheile dieſer Ordnung ſind an einem andern Ort angegeben worden. (*) (*) S Dreyſchlitz. Obgleich dieſe Ordnung die willkuͤhrlichen Zierra- then verwirft, ſo iſt ſie doch in ihrem vollen Reich- thum, wenn die Metopen mit ſchiklichen Verzie- rungen angefuͤllt, wenn die Unterbalken auf ihrer untern Erſter Theil. M m

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/285>, abgerufen am 24.11.2024.