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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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[Spaltenumbruch]

Die Dis
nung im Artikel Gebälke. Jn der Baukunst der
Alten kommen sie nicht vor.

Bey den Dielenköpfen muß, wie bey allen Zier-
rathen dieser Art, den Dreyschlitzen, Sparrenkö-
pfen
und Zahnschnittern, die wesentliche Regel be-
obachtet werden, daß allezeit einer mitten auf jede
(*) S.
Dreyschliz.
Säule oder jeden Pfeiler treffe. (*) Dieses kann aber
nicht bey jeder Säulenweite geschehen, es sey dann,
daß jeder Dielenkopf einen Model breit, und die
Zwischentiefen, oder der Raum von einem Dielen-
kopf zum andern, auch einen Model weit seyen.
Einige Baumeister verzieren die Dielenköpfe mit
Tropfen, die an der Unterfläche derselben hangen.

Diesis.
(Musik)

War bey den Griechen der Name eines kleinen
Jntervalls, dessen Grösse aber verschiedentlich ange-
geben wird. Aristoxenus, der in seiner Einbildung
den ganzen Ton in drey oder auch in vier Jnter-
valle theilte, nennte den vierten Theil desselben, (also
nach unsrer Art zu reden den Ton, der mitten zwi-
schen C und Cis fiele) eine enharmonische Diesis,
den dritten Theil die kleine chromatische Diesis,
den halben Ton aber die grosse Diesis.

Von dieser letzten Bedeutung kommt es, daß die
Neuern an einigen Orten dem Zeichen #, das die
Deutschen insgemein ein Kreuz nennen, den Na-
men Diesis geben, weil es die Note, vor welcher es
steht, um einen halben Ton erhöhet. So werden
in Frankreich die Töne, die wir Cis und Dis nen-
nen, Ut-diesis oder diese und Re-diese genennt.

Dis.
(Musik.)

Der Name der vierten Sayte unsrer heutigen dia-
tonisch-chromatischen Tonleiter. Jhre Länge ver-
hält sich zu der Länge der Sayte C wie zu 1.
Sie macht also gegen C eine merklich unter sich
schwebende kleine Terz aus, wird aber anstatt der
reinen kleinen Terz zu C mol gebraucht. Eben diese
Sayte wird als die grosse Terz zu H gebraucht; sie
[Spaltenumbruch]

Dis
schwebt aber merklich über sich, indem ihr Verhält-
niß , anstatt 4/5 ist. Endlich wird sie auch selbst
als ein Grundton gebraucht, aus welchem sowol
in der harten als in der weichen Tonart kann ge-
spielt werden. Dismol kommt aber sehr selten vor,
weil es sehr schweer ist, daraus zu spielen.

Discant.
(Musik.)

Eine der vier Hauptgattungen, in welche die mensch-
liche Stimme in Ansehung ihrer Höhe eingetheilt
wird, und zwar die höchste, welche nur Kinder,
oder die weibliche Kehle, oder Castraten erreichen.
Diese Stimme wird deswegen von den Jtaliänern
Soprano, und von den Franzosen le Dessus, die oberste
genennt. Hiernächst nennt man auch den für diese
höchste Stimme gesetzten Gesang den Discant, dem
man auch im Schreiben der Noten die oberste Stelle
giebt.

Man unterscheidet aber in der Discantstimme
wieder zwey Mittelarten, die der hohe und der tiefe
Sopran genennt werden. Dieser letztere scheinet
wegen der Fülle des Tones vor dem andern einen
Vorzug zu haben.

Es läßt sich aus dem Namen dieser Stimme,
der eigentlich so viel als einen zweyten Gesang be-
deutet, muthmaassen, daß in den alten Zeiten der
Gesang nur einstimmig gewesen, und daß geschikte
Sänger, die diese Stimme mitsingen sollten, durch
ein natürliches Gefühl der Harmonie geleitet, eine
andre in harmonirenden Jntervallen dazu gesungen
haben, [Spaltenumbruch] (+) daß hernach dieses die Tonsetzer auf die
Gedanken gebracht hat, zwey oder noch mehr Stim-
men zugleich singen zu lassen, woraus denn endlich
der harmonische vielstimmige Gesang entstanden und
durchgehends eingeführt worden.

Der Discant ist überall, wo er vorkommt, die
Hauptstimme, weil er die höchste ist; folglich muß
der Setzer allemal auch den größten Fleiß auf den-
selben wenden. Wenn er sich gehörig ausnehmen soll,
so müssen die sogenannten vollkommenen Consonan-
zen, nämlich die Octav und die Quinte, so viel mög-

lich
(+) Deutlich erhellet dieses aus folgender Stelle des
Johann von Muris, die Rousseau in seinem Wörter-
buch unter dem Wort Discant anführet. Discantat, qui
simul cum uno vel pluribus dulciter cantat, ut ex distinctis
sonis sonus unus fiat, non unitate simplicitatis, sed dulcis
[Spaltenumbruch] concordisque mixtionis unions.
Diese concors mixtio zeiget
deutlich das, was wir itzt Harmonie nennen, an. Wie
denn das, was wir itzt Consonanz nennen, ehedem Con-
cordanz genennt worden ist.
K k 3

[Spaltenumbruch]

Die Dis
nung im Artikel Gebaͤlke. Jn der Baukunſt der
Alten kommen ſie nicht vor.

Bey den Dielenkoͤpfen muß, wie bey allen Zier-
rathen dieſer Art, den Dreyſchlitzen, Sparrenkoͤ-
pfen
und Zahnſchnittern, die weſentliche Regel be-
obachtet werden, daß allezeit einer mitten auf jede
(*) S.
Dreyſchliz.
Saͤule oder jeden Pfeiler treffe. (*) Dieſes kann aber
nicht bey jeder Saͤulenweite geſchehen, es ſey dann,
daß jeder Dielenkopf einen Model breit, und die
Zwiſchentiefen, oder der Raum von einem Dielen-
kopf zum andern, auch einen Model weit ſeyen.
Einige Baumeiſter verzieren die Dielenkoͤpfe mit
Tropfen, die an der Unterflaͤche derſelben hangen.

Dieſis.
(Muſik)

War bey den Griechen der Name eines kleinen
Jntervalls, deſſen Groͤſſe aber verſchiedentlich ange-
geben wird. Ariſtoxenus, der in ſeiner Einbildung
den ganzen Ton in drey oder auch in vier Jnter-
valle theilte, nennte den vierten Theil deſſelben, (alſo
nach unſrer Art zu reden den Ton, der mitten zwi-
ſchen C und Cis fiele) eine enharmoniſche Dieſis,
den dritten Theil die kleine chromatiſche Dieſis,
den halben Ton aber die groſſe Dieſis.

Von dieſer letzten Bedeutung kommt es, daß die
Neuern an einigen Orten dem Zeichen #, das die
Deutſchen insgemein ein Kreuz nennen, den Na-
men Dieſis geben, weil es die Note, vor welcher es
ſteht, um einen halben Ton erhoͤhet. So werden
in Frankreich die Toͤne, die wir Cis und Dis nen-
nen, Ut-dièſis oder dièſe und Re-dièſe genennt.

Dis.
(Muſik.)

Der Name der vierten Sayte unſrer heutigen dia-
toniſch-chromatiſchen Tonleiter. Jhre Laͤnge ver-
haͤlt ſich zu der Laͤnge der Sayte C wie zu 1.
Sie macht alſo gegen C eine merklich unter ſich
ſchwebende kleine Terz aus, wird aber anſtatt der
reinen kleinen Terz zu C mol gebraucht. Eben dieſe
Sayte wird als die groſſe Terz zu H gebraucht; ſie
[Spaltenumbruch]

Dis
ſchwebt aber merklich uͤber ſich, indem ihr Verhaͤlt-
niß , anſtatt ⅘ iſt. Endlich wird ſie auch ſelbſt
als ein Grundton gebraucht, aus welchem ſowol
in der harten als in der weichen Tonart kann ge-
ſpielt werden. Dismol kommt aber ſehr ſelten vor,
weil es ſehr ſchweer iſt, daraus zu ſpielen.

Discant.
(Muſik.)

Eine der vier Hauptgattungen, in welche die menſch-
liche Stimme in Anſehung ihrer Hoͤhe eingetheilt
wird, und zwar die hoͤchſte, welche nur Kinder,
oder die weibliche Kehle, oder Caſtraten erreichen.
Dieſe Stimme wird deswegen von den Jtaliaͤnern
Soprano, und von den Franzoſen le Deſſus, die oberſte
genennt. Hiernaͤchſt nennt man auch den fuͤr dieſe
hoͤchſte Stimme geſetzten Geſang den Discant, dem
man auch im Schreiben der Noten die oberſte Stelle
giebt.

Man unterſcheidet aber in der Discantſtimme
wieder zwey Mittelarten, die der hohe und der tiefe
Sopran genennt werden. Dieſer letztere ſcheinet
wegen der Fuͤlle des Tones vor dem andern einen
Vorzug zu haben.

Es laͤßt ſich aus dem Namen dieſer Stimme,
der eigentlich ſo viel als einen zweyten Geſang be-
deutet, muthmaaſſen, daß in den alten Zeiten der
Geſang nur einſtimmig geweſen, und daß geſchikte
Saͤnger, die dieſe Stimme mitſingen ſollten, durch
ein natuͤrliches Gefuͤhl der Harmonie geleitet, eine
andre in harmonirenden Jntervallen dazu geſungen
haben, [Spaltenumbruch] (†) daß hernach dieſes die Tonſetzer auf die
Gedanken gebracht hat, zwey oder noch mehr Stim-
men zugleich ſingen zu laſſen, woraus denn endlich
der harmoniſche vielſtimmige Geſang entſtanden und
durchgehends eingefuͤhrt worden.

Der Discant iſt uͤberall, wo er vorkommt, die
Hauptſtimme, weil er die hoͤchſte iſt; folglich muß
der Setzer allemal auch den groͤßten Fleiß auf den-
ſelben wenden. Wenn er ſich gehoͤrig ausnehmen ſoll,
ſo muͤſſen die ſogenannten vollkommenen Conſonan-
zen, naͤmlich die Octav und die Quinte, ſo viel moͤg-

lich
(†) Deutlich erhellet dieſes aus folgender Stelle des
Johann von Muris, die Rouſſeau in ſeinem Woͤrter-
buch unter dem Wort Diſcant anfuͤhret. Discantat, qui
ſimul cum uno vel pluribus dulciter cantat, ut ex diſtinctis
ſonis ſonus unus fiat, non unitate ſimplicitatis, ſed dulcis
[Spaltenumbruch] concordisque mixtionis unions.
Dieſe concors mixtio zeiget
deutlich das, was wir itzt Harmonie nennen, an. Wie
denn das, was wir itzt Conſonanz nennen, ehedem Con-
cordanz genennt worden iſt.
K k 3
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[261/0273] Die Dis Dis nung im Artikel Gebaͤlke. Jn der Baukunſt der Alten kommen ſie nicht vor. Bey den Dielenkoͤpfen muß, wie bey allen Zier- rathen dieſer Art, den Dreyſchlitzen, Sparrenkoͤ- pfen und Zahnſchnittern, die weſentliche Regel be- obachtet werden, daß allezeit einer mitten auf jede Saͤule oder jeden Pfeiler treffe. (*) Dieſes kann aber nicht bey jeder Saͤulenweite geſchehen, es ſey dann, daß jeder Dielenkopf einen Model breit, und die Zwiſchentiefen, oder der Raum von einem Dielen- kopf zum andern, auch einen Model weit ſeyen. Einige Baumeiſter verzieren die Dielenkoͤpfe mit Tropfen, die an der Unterflaͤche derſelben hangen. (*) S. Dreyſchliz. Dieſis. (Muſik) War bey den Griechen der Name eines kleinen Jntervalls, deſſen Groͤſſe aber verſchiedentlich ange- geben wird. Ariſtoxenus, der in ſeiner Einbildung den ganzen Ton in drey oder auch in vier Jnter- valle theilte, nennte den vierten Theil deſſelben, (alſo nach unſrer Art zu reden den Ton, der mitten zwi- ſchen C und Cis fiele) eine enharmoniſche Dieſis, den dritten Theil die kleine chromatiſche Dieſis, den halben Ton aber die groſſe Dieſis. Von dieſer letzten Bedeutung kommt es, daß die Neuern an einigen Orten dem Zeichen #, das die Deutſchen insgemein ein Kreuz nennen, den Na- men Dieſis geben, weil es die Note, vor welcher es ſteht, um einen halben Ton erhoͤhet. So werden in Frankreich die Toͤne, die wir Cis und Dis nen- nen, Ut-dièſis oder dièſe und Re-dièſe genennt. Dis. (Muſik.) Der Name der vierten Sayte unſrer heutigen dia- toniſch-chromatiſchen Tonleiter. Jhre Laͤnge ver- haͤlt ſich zu der Laͤnge der Sayte C wie [FORMEL] zu 1. Sie macht alſo gegen C eine merklich unter ſich ſchwebende kleine Terz aus, wird aber anſtatt der reinen kleinen Terz zu C mol gebraucht. Eben dieſe Sayte wird als die groſſe Terz zu H gebraucht; ſie ſchwebt aber merklich uͤber ſich, indem ihr Verhaͤlt- niß [FORMEL], anſtatt ⅘ iſt. Endlich wird ſie auch ſelbſt als ein Grundton gebraucht, aus welchem ſowol in der harten als in der weichen Tonart kann ge- ſpielt werden. Dismol kommt aber ſehr ſelten vor, weil es ſehr ſchweer iſt, daraus zu ſpielen. Discant. (Muſik.) Eine der vier Hauptgattungen, in welche die menſch- liche Stimme in Anſehung ihrer Hoͤhe eingetheilt wird, und zwar die hoͤchſte, welche nur Kinder, oder die weibliche Kehle, oder Caſtraten erreichen. Dieſe Stimme wird deswegen von den Jtaliaͤnern Soprano, und von den Franzoſen le Deſſus, die oberſte genennt. Hiernaͤchſt nennt man auch den fuͤr dieſe hoͤchſte Stimme geſetzten Geſang den Discant, dem man auch im Schreiben der Noten die oberſte Stelle giebt. Man unterſcheidet aber in der Discantſtimme wieder zwey Mittelarten, die der hohe und der tiefe Sopran genennt werden. Dieſer letztere ſcheinet wegen der Fuͤlle des Tones vor dem andern einen Vorzug zu haben. Es laͤßt ſich aus dem Namen dieſer Stimme, der eigentlich ſo viel als einen zweyten Geſang be- deutet, muthmaaſſen, daß in den alten Zeiten der Geſang nur einſtimmig geweſen, und daß geſchikte Saͤnger, die dieſe Stimme mitſingen ſollten, durch ein natuͤrliches Gefuͤhl der Harmonie geleitet, eine andre in harmonirenden Jntervallen dazu geſungen haben, (†) daß hernach dieſes die Tonſetzer auf die Gedanken gebracht hat, zwey oder noch mehr Stim- men zugleich ſingen zu laſſen, woraus denn endlich der harmoniſche vielſtimmige Geſang entſtanden und durchgehends eingefuͤhrt worden. Der Discant iſt uͤberall, wo er vorkommt, die Hauptſtimme, weil er die hoͤchſte iſt; folglich muß der Setzer allemal auch den groͤßten Fleiß auf den- ſelben wenden. Wenn er ſich gehoͤrig ausnehmen ſoll, ſo muͤſſen die ſogenannten vollkommenen Conſonan- zen, naͤmlich die Octav und die Quinte, ſo viel moͤg- lich (†) Deutlich erhellet dieſes aus folgender Stelle des Johann von Muris, die Rouſſeau in ſeinem Woͤrter- buch unter dem Wort Diſcant anfuͤhret. Discantat, qui ſimul cum uno vel pluribus dulciter cantat, ut ex diſtinctis ſonis ſonus unus fiat, non unitate ſimplicitatis, ſed dulcis concordisque mixtionis unions. Dieſe concors mixtio zeiget deutlich das, was wir itzt Harmonie nennen, an. Wie denn das, was wir itzt Conſonanz nennen, ehedem Con- cordanz genennt worden iſt. K k 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/273>, abgerufen am 28.11.2024.