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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Weil diese Säule die zierlichste und feinste von
allen ist, so leidet sie auch Verzierungen der kleinern
Glieder, welche von den römischen Baumeistern
sehr häufig angebracht worden. Doch scheint dieses
dem grossen Geschmak zuwider.

Den Namen hat sie von der Stadt Corinthus,
wo sie, nach der bekannten Erzählung des Vitru-
vius,
von dem Bildhauer Callimachus erfunden
worden; wenn anders die Geschichte ihrer Erfin-
dung nicht ein blosses griechisches Mährchen ist.
(*) De ap-
paratu
templi Sa-
lomonis.
Der Jesuit Villalpandus (*) hat beweisen wollen,
daß die Säulen am Tempel zu Jerusalem, so-
wol in den Verhältnissen, als in den Hauptverzie-
rungen wenig von der, lange nachher erst von den
Griechen gebrauchten, corinthischen Säule unterschie-
den gewesen. Diesemnach könnte diese Säule wol
eine phönizische Erfindung seyn. Vielleicht hat
Callimachus blos die Art der Blätter verändert, und
Acanthusblätter anstatt der Palmen oder andrer
Blätter eingeführt. An einer alten ägyptischen
(*) Be-
schreibung
des Mor-
genlands.
Säule, die Pokok (*) abgezeichnet hat, ist der erste
Ursprung des corinthischen Capiteels nicht undeut-
lich zu sehen, in dem schon Laubwerk, als wenn
es über den Rinken heraus gewachsen, längst dem
Knauff in die Höhe steiget, unter dem Dekel sich
sanft umbeuget, und etwas, das den corinthischen
Schneken gleichet, vorstellt.

Haben etwa die im Orient so sehr gemeinen Pal-
menbäume, die im ersten Anfang der Baukunst
statt der Säulen gebraucht worden, zu diesem | Laub-
werk an dem Capiteel Anlaß gegeben? Es ist sonst
schweer zu sagen, warum eben dieser Theil der Säule,
eine solche Zierrath bekommen habe. Jm übrigen
giebt diese Säule ein schönes Beyspiel von der
geschikten Abwechslung, und der, dem Geschmak so
nöthigen, Mannigfaltigkeit der Theile. Das Gerade
und Runde, das Glatte und Gebogene, das Einfache
und Gezierte wechseln darin auf die angenehmste
Weise mit einander ab.

Corridor.
(Baukunst.)

Ein langer und schmaler Gang in einem Gebäude,
der längs einer Reyhe von Zimmern liegt, damit
jedes einen besondern Ausgang dadurch gewinne.
Er dienet also blos zur Bequemlichkeit der einzeln
Ausgänge aus den Zimmern, und wo diese nicht
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Cou Cup
verlangt werden, da ist er unnöthig. Jn Hospi-
tälern, Clöstern und überhaupt solchen Gebäuden,
wo jedes einzele Zimmer für sich einen Ausgang
haben muß, sind sie unumgänglich nothwendig. Jn
gemeinen Wohnhäusern oder Pallästen, sind sie
deshalb unbequem, weil dadurch die Zimmer zu frey
an einem Gange liegen, wohin jederman kommen
kann, so daß man in den Zimmern weder still noch
einsam genug seyn kann. Kleine Corridore, die nur
hier und da einigen Zimmern besondere Ausgänge
verstatten, sind sehr bequem und gehören mit unter
die Dinge, auf welche ein Baumeister bey der
Anordnung der Gebäude am aller sorgfältigsten zu
sehen hat. Sie müssen aber so verstekt seyn, daß
nicht leicht fremde, oder Dieben, die sich in ein Haus
einschleichen möchten, dahin kommen können.

Courante.
(Musik.)

Ein ursprünglich zum Tanzen gemachtes Tonstük,
das aber auch blos für Jnstrumente gesetzt wird,
fürnehmlich in der neuen Zeit, da der Tanz, wel-
cher Courante genennt wird, abgekommen ist. Es
wird in 2/3 Takt gesetzt, mit zwey Wiederholungen.
Seinen Charakter setzt Mattheson in dem Ausdruk
eines hoffnungsvollen Verlangens, und versichert
diesen Charakter in einer Menge Couranten, von
verschiedenen Verfassern, bestimmt bemerkt zu ha-
ben. S. Tänze.

Cupel.
(Baukunst.)

Vom italiänischen Cupola. Ein Gewölbe, welches
das Dach über ein rundes Gebäude ausmacht. Viele
Tempel der Alten waren rund, und konnten also
nicht wol andre als halbkugelrunde, folglich ge-
wölbte Dächer haben; also ist die Cupel eine Er-
findung des Alterthums. Wie überhaupt die run-
den Gebäude in Ansehung der Figur die schönsten
sind, so sind auch die Cupeln die schönsten Dächer.
Etliche hohe Gebäude mit Cupeln geben von weitem
einer Stadt ein großes Ansehen, welches durch die
Menge der hohen spitzigen Thürme nie zu erhal-
ten ist. Es scheinet, daß die elliptische Form, da
die Höhe der Cupel ihre Breite in etwas über-
trift, nicht nur wegen des angenehmeren Anse-

hens
Erster Theil. G g
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Cor

Weil dieſe Saͤule die zierlichſte und feinſte von
allen iſt, ſo leidet ſie auch Verzierungen der kleinern
Glieder, welche von den roͤmiſchen Baumeiſtern
ſehr haͤufig angebracht worden. Doch ſcheint dieſes
dem groſſen Geſchmak zuwider.

Den Namen hat ſie von der Stadt Corinthus,
wo ſie, nach der bekannten Erzaͤhlung des Vitru-
vius,
von dem Bildhauer Callimachus erfunden
worden; wenn anders die Geſchichte ihrer Erfin-
dung nicht ein bloſſes griechiſches Maͤhrchen iſt.
(*) De ap-
paratu
templi Sa-
lomonis.
Der Jeſuit Villalpandus (*) hat beweiſen wollen,
daß die Saͤulen am Tempel zu Jeruſalem, ſo-
wol in den Verhaͤltniſſen, als in den Hauptverzie-
rungen wenig von der, lange nachher erſt von den
Griechen gebrauchten, corinthiſchen Saͤule unterſchie-
den geweſen. Dieſemnach koͤnnte dieſe Saͤule wol
eine phoͤniziſche Erfindung ſeyn. Vielleicht hat
Callimachus blos die Art der Blaͤtter veraͤndert, und
Acanthusblaͤtter anſtatt der Palmen oder andrer
Blaͤtter eingefuͤhrt. An einer alten aͤgyptiſchen
(*) Be-
ſchreibung
des Mor-
genlands.
Saͤule, die Pokok (*) abgezeichnet hat, iſt der erſte
Urſprung des corinthiſchen Capiteels nicht undeut-
lich zu ſehen, in dem ſchon Laubwerk, als wenn
es uͤber den Rinken heraus gewachſen, laͤngſt dem
Knauff in die Hoͤhe ſteiget, unter dem Dekel ſich
ſanft umbeuget, und etwas, das den corinthiſchen
Schneken gleichet, vorſtellt.

Haben etwa die im Orient ſo ſehr gemeinen Pal-
menbaͤume, die im erſten Anfang der Baukunſt
ſtatt der Saͤulen gebraucht worden, zu dieſem | Laub-
werk an dem Capiteel Anlaß gegeben? Es iſt ſonſt
ſchweer zu ſagen, warum eben dieſer Theil der Saͤule,
eine ſolche Zierrath bekommen habe. Jm uͤbrigen
giebt dieſe Saͤule ein ſchoͤnes Beyſpiel von der
geſchikten Abwechslung, und der, dem Geſchmak ſo
noͤthigen, Mannigfaltigkeit der Theile. Das Gerade
und Runde, das Glatte und Gebogene, das Einfache
und Gezierte wechſeln darin auf die angenehmſte
Weiſe mit einander ab.

Corridor.
(Baukunſt.)

Ein langer und ſchmaler Gang in einem Gebaͤude,
der laͤngs einer Reyhe von Zimmern liegt, damit
jedes einen beſondern Ausgang dadurch gewinne.
Er dienet alſo blos zur Bequemlichkeit der einzeln
Ausgaͤnge aus den Zimmern, und wo dieſe nicht
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Cou Cup
verlangt werden, da iſt er unnoͤthig. Jn Hoſpi-
taͤlern, Cloͤſtern und uͤberhaupt ſolchen Gebaͤuden,
wo jedes einzele Zimmer fuͤr ſich einen Ausgang
haben muß, ſind ſie unumgaͤnglich nothwendig. Jn
gemeinen Wohnhaͤuſern oder Pallaͤſten, ſind ſie
deshalb unbequem, weil dadurch die Zimmer zu frey
an einem Gange liegen, wohin jederman kommen
kann, ſo daß man in den Zimmern weder ſtill noch
einſam genug ſeyn kann. Kleine Corridore, die nur
hier und da einigen Zimmern beſondere Ausgaͤnge
verſtatten, ſind ſehr bequem und gehoͤren mit unter
die Dinge, auf welche ein Baumeiſter bey der
Anordnung der Gebaͤude am aller ſorgfaͤltigſten zu
ſehen hat. Sie muͤſſen aber ſo verſtekt ſeyn, daß
nicht leicht fremde, oder Dieben, die ſich in ein Haus
einſchleichen moͤchten, dahin kommen koͤnnen.

Courante.
(Muſik.)

Ein urſpruͤnglich zum Tanzen gemachtes Tonſtuͤk,
das aber auch blos fuͤr Jnſtrumente geſetzt wird,
fuͤrnehmlich in der neuen Zeit, da der Tanz, wel-
cher Courante genennt wird, abgekommen iſt. Es
wird in ⅔ Takt geſetzt, mit zwey Wiederholungen.
Seinen Charakter ſetzt Mattheſon in dem Ausdruk
eines hoffnungsvollen Verlangens, und verſichert
dieſen Charakter in einer Menge Couranten, von
verſchiedenen Verfaſſern, beſtimmt bemerkt zu ha-
ben. S. Taͤnze.

Cupel.
(Baukunſt.)

Vom italiaͤniſchen Cupola. Ein Gewoͤlbe, welches
das Dach uͤber ein rundes Gebaͤude ausmacht. Viele
Tempel der Alten waren rund, und konnten alſo
nicht wol andre als halbkugelrunde, folglich ge-
woͤlbte Daͤcher haben; alſo iſt die Cupel eine Er-
findung des Alterthums. Wie uͤberhaupt die run-
den Gebaͤude in Anſehung der Figur die ſchoͤnſten
ſind, ſo ſind auch die Cupeln die ſchoͤnſten Daͤcher.
Etliche hohe Gebaͤude mit Cupeln geben von weitem
einer Stadt ein großes Anſehen, welches durch die
Menge der hohen ſpitzigen Thuͤrme nie zu erhal-
ten iſt. Es ſcheinet, daß die elliptiſche Form, da
die Hoͤhe der Cupel ihre Breite in etwas uͤber-
trift, nicht nur wegen des angenehmeren Anſe-

hens
Erſter Theil. G g
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[233/0245] Cor Cou Cup Weil dieſe Saͤule die zierlichſte und feinſte von allen iſt, ſo leidet ſie auch Verzierungen der kleinern Glieder, welche von den roͤmiſchen Baumeiſtern ſehr haͤufig angebracht worden. Doch ſcheint dieſes dem groſſen Geſchmak zuwider. Den Namen hat ſie von der Stadt Corinthus, wo ſie, nach der bekannten Erzaͤhlung des Vitru- vius, von dem Bildhauer Callimachus erfunden worden; wenn anders die Geſchichte ihrer Erfin- dung nicht ein bloſſes griechiſches Maͤhrchen iſt. Der Jeſuit Villalpandus (*) hat beweiſen wollen, daß die Saͤulen am Tempel zu Jeruſalem, ſo- wol in den Verhaͤltniſſen, als in den Hauptverzie- rungen wenig von der, lange nachher erſt von den Griechen gebrauchten, corinthiſchen Saͤule unterſchie- den geweſen. Dieſemnach koͤnnte dieſe Saͤule wol eine phoͤniziſche Erfindung ſeyn. Vielleicht hat Callimachus blos die Art der Blaͤtter veraͤndert, und Acanthusblaͤtter anſtatt der Palmen oder andrer Blaͤtter eingefuͤhrt. An einer alten aͤgyptiſchen Saͤule, die Pokok (*) abgezeichnet hat, iſt der erſte Urſprung des corinthiſchen Capiteels nicht undeut- lich zu ſehen, in dem ſchon Laubwerk, als wenn es uͤber den Rinken heraus gewachſen, laͤngſt dem Knauff in die Hoͤhe ſteiget, unter dem Dekel ſich ſanft umbeuget, und etwas, das den corinthiſchen Schneken gleichet, vorſtellt. (*) De ap- paratu templi Sa- lomonis. (*) Be- ſchreibung des Mor- genlands. Haben etwa die im Orient ſo ſehr gemeinen Pal- menbaͤume, die im erſten Anfang der Baukunſt ſtatt der Saͤulen gebraucht worden, zu dieſem | Laub- werk an dem Capiteel Anlaß gegeben? Es iſt ſonſt ſchweer zu ſagen, warum eben dieſer Theil der Saͤule, eine ſolche Zierrath bekommen habe. Jm uͤbrigen giebt dieſe Saͤule ein ſchoͤnes Beyſpiel von der geſchikten Abwechslung, und der, dem Geſchmak ſo noͤthigen, Mannigfaltigkeit der Theile. Das Gerade und Runde, das Glatte und Gebogene, das Einfache und Gezierte wechſeln darin auf die angenehmſte Weiſe mit einander ab. Corridor. (Baukunſt.) Ein langer und ſchmaler Gang in einem Gebaͤude, der laͤngs einer Reyhe von Zimmern liegt, damit jedes einen beſondern Ausgang dadurch gewinne. Er dienet alſo blos zur Bequemlichkeit der einzeln Ausgaͤnge aus den Zimmern, und wo dieſe nicht verlangt werden, da iſt er unnoͤthig. Jn Hoſpi- taͤlern, Cloͤſtern und uͤberhaupt ſolchen Gebaͤuden, wo jedes einzele Zimmer fuͤr ſich einen Ausgang haben muß, ſind ſie unumgaͤnglich nothwendig. Jn gemeinen Wohnhaͤuſern oder Pallaͤſten, ſind ſie deshalb unbequem, weil dadurch die Zimmer zu frey an einem Gange liegen, wohin jederman kommen kann, ſo daß man in den Zimmern weder ſtill noch einſam genug ſeyn kann. Kleine Corridore, die nur hier und da einigen Zimmern beſondere Ausgaͤnge verſtatten, ſind ſehr bequem und gehoͤren mit unter die Dinge, auf welche ein Baumeiſter bey der Anordnung der Gebaͤude am aller ſorgfaͤltigſten zu ſehen hat. Sie muͤſſen aber ſo verſtekt ſeyn, daß nicht leicht fremde, oder Dieben, die ſich in ein Haus einſchleichen moͤchten, dahin kommen koͤnnen. Courante. (Muſik.) Ein urſpruͤnglich zum Tanzen gemachtes Tonſtuͤk, das aber auch blos fuͤr Jnſtrumente geſetzt wird, fuͤrnehmlich in der neuen Zeit, da der Tanz, wel- cher Courante genennt wird, abgekommen iſt. Es wird in ⅔ Takt geſetzt, mit zwey Wiederholungen. Seinen Charakter ſetzt Mattheſon in dem Ausdruk eines hoffnungsvollen Verlangens, und verſichert dieſen Charakter in einer Menge Couranten, von verſchiedenen Verfaſſern, beſtimmt bemerkt zu ha- ben. S. Taͤnze. Cupel. (Baukunſt.) Vom italiaͤniſchen Cupola. Ein Gewoͤlbe, welches das Dach uͤber ein rundes Gebaͤude ausmacht. Viele Tempel der Alten waren rund, und konnten alſo nicht wol andre als halbkugelrunde, folglich ge- woͤlbte Daͤcher haben; alſo iſt die Cupel eine Er- findung des Alterthums. Wie uͤberhaupt die run- den Gebaͤude in Anſehung der Figur die ſchoͤnſten ſind, ſo ſind auch die Cupeln die ſchoͤnſten Daͤcher. Etliche hohe Gebaͤude mit Cupeln geben von weitem einer Stadt ein großes Anſehen, welches durch die Menge der hohen ſpitzigen Thuͤrme nie zu erhal- ten iſt. Es ſcheinet, daß die elliptiſche Form, da die Hoͤhe der Cupel ihre Breite in etwas uͤber- trift, nicht nur wegen des angenehmeren Anſe- hens Erſter Theil. G g

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/245>, abgerufen am 23.11.2024.