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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Cap Car
Capelle.
(Musik.)

Aus der eigentlichen vorher erklärten Bedeutung
dieses Worts, ist die uneigentliche entstanden, nach
welcher man die Gesellschaften der Tonkünstler, die
von Grossen gehalten werden, um in ihren Capel-
len die Kirchenmusik zu machen, Capellen nennt.
Man giebt so gar diesen Namen auch solchen Ge-
sellschaften, die nur zur Schaubühne oder zur
Cammermusik bestellt sind. Der Vorsteher oder das
vornehmste Glied einer solchen Gesellschaft wird
der Capellmeister genennt. Seine Verrichtung
ist, alles, was aufgeführt werden soll, herbey zu schaf-
fen, es sey, daß er die Sachen selbst componirt,
oder anderswo hergenommen habe; ferner liegt
ihm ob die ganze Ausführung der Musik zu dirigi-
ren; daher er insgemein die Orgel oder das Haupt-
clavier dabey spielt. Also muß er, wenn er seinem
Amte genüge thun soll, ein starker Componiste seyn
und alle Theile der Musik dergestalt inne haben, daß
er jedem einzeln Glied der Capelle, er sey Sänger oder
Spieler, Vorschriften und Unterricht, zu vollkomm-
ner Aufführung des Ganzen zu geben im Stand sey.
Matheson hat in seinem vollkommenen Capell-
(*) Ham-
burg 1739.
Fol.
meister (*), einem zwar schlecht und etwas pöbel-
haft geschriebenen, aber sehr viel gutes enthaltenden
Werk, alle Eigenschaften eines guten Capellmeisters,
gründlich angegeben, die des schlechten Vortrags,
und der verschiedentlich eingestreuten unnützen An-
merkungen ungeachtet, jedem, der ein solcher zu seyn
glaubt, zu ernstlicher Ueberlegung zu empfehlen sind.

Zu einer guten Capelle gehören Sänger von
allen Arten der Stimmen, so wol Solosänger, als
andre zu Besetzung der vielstimmigen Sachen, und
eine hinlängliche Anzahl guter Spieler für alle ge-
wöhnliche Jnstrumente. Mithin wird eine gut
besetzte Capelle aus nicht viel weniger, als hundert
Personen bestehen können.

Wer die besondre Einrichtung einer Capelle näher
zu wissen verlangt, kann in Herrn Marpurgs histo-
risch critischen Beyträgen zur Aufnahm der Musik,
die Listen verschiedener Capellen, besonders die von
der Salzburgischen, im 3ten Stük des III Ban-
des nachsehen.

Carricatur.
(Zeichnende Künste.)

Eine Zeichnung, darin das Besondre in der Bil-
dung, die einzele Personen charakterisiret, über-
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Car
trieben und ins poßirliche übergetragen worden.
Diese ursprüngliche Bedeutung des Worts ist her-
nach auch auf jede übertriebene Vorstellung des
poßirlichen ausgedähnt worden: So sagt man
von einem übertriebenen comischen Charakter im
Lustspiel, es sey eine Carricatur. Jn dem Arti-
kel poßirlich haben wir überhaupt unsre Mei-
nung von diesen Vorstellungen geäussert. Hier
merken wir insbesondre von den Carricaturen
der zeichnenden Künste an, daß sie diese ästheti-
sche Eigenschaft haben, durch das besondere, uner-
wartete und lebhafte, das sie an sich haben, starke
und daurende Eindrüke in der Phantasie zurüke zu
lassen. Sie sind demnach nicht, wie einige zu
strenge Kunstrichter wollen, gänzlich zu verwerfen.
Denn bey Gelegenheiten, wo das Lächerliche erfo-
dert wird, kann eine gute Carricatur sehr dienlich
seyn: Homers Beschreibung des Thersites und
verschiedene Züge in der Odyssee von den Freyern
der Penelope, gränzen sehr nahe daran.

Wir wollen also den zeichnenden Künstlern die
Carricaturen, als Uebungen, gerne erlauben. Ver-
muthlich hat sich der sonst ernsthafte Leonhard von
Vinci
in dieser Absicht damit abgegeben. Es sollen
in der Bibliothek der Mahleracademie zu Meiland
sehr viel Carricaturen von seiner Hand auf behalten
werden. Einige davon hat der Herr Graf von
Caylus stechen lassen. Und man weiß, daß auch
Hannibal Carrache sich damit beschäftiget hat, ob
er gleich sonst unter die ersten gehört, die in dem
grossen und ernsthaften Geschmak gearbeitet haben.
Unter den Neuern hat Ghezzi es in einzeln Figuren
und Bildnissen, an denen man die Personen genau
kennt, und in ganzen Vorstellungen Hogarth, allen
andern zuvorgethan. Die Kupfer, welche letzterer
zu dem Hudibras gemacht hat, sind Meisterstüke,
die den geistreichen Vorstellungen des Dichters noch
mehr Leben mittheilen, und zugleich beweisen, wie
diese Art der Arbeit mit Nutzen könne angewendet
werden.

Carton.
(Mahlerkunst.)

Eine Zeichnung auf starkes Papier. Man giebt
diesen Namen besonders den Zeichnungen, welche
sowol für die Mahlerey auf frischen Kalk (in
Fresco
) als für die Tapetenwürker gemacht wer-
den. Jm ersten Fall wird die Zeichnung an die
Mauer gelegt, damit die Umrisse darnach können

gemacht
Erster Theil. B b
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Cap Car
Capelle.
(Muſik.)

Aus der eigentlichen vorher erklaͤrten Bedeutung
dieſes Worts, iſt die uneigentliche entſtanden, nach
welcher man die Geſellſchaften der Tonkuͤnſtler, die
von Groſſen gehalten werden, um in ihren Capel-
len die Kirchenmuſik zu machen, Capellen nennt.
Man giebt ſo gar dieſen Namen auch ſolchen Ge-
ſellſchaften, die nur zur Schaubuͤhne oder zur
Cammermuſik beſtellt ſind. Der Vorſteher oder das
vornehmſte Glied einer ſolchen Geſellſchaft wird
der Capellmeiſter genennt. Seine Verrichtung
iſt, alles, was aufgefuͤhrt werden ſoll, herbey zu ſchaf-
fen, es ſey, daß er die Sachen ſelbſt componirt,
oder anderswo hergenommen habe; ferner liegt
ihm ob die ganze Ausfuͤhrung der Muſik zu dirigi-
ren; daher er insgemein die Orgel oder das Haupt-
clavier dabey ſpielt. Alſo muß er, wenn er ſeinem
Amte genuͤge thun ſoll, ein ſtarker Componiſte ſeyn
und alle Theile der Muſik dergeſtalt inne haben, daß
er jedem einzeln Glied der Capelle, er ſey Saͤnger oder
Spieler, Vorſchriften und Unterricht, zu vollkomm-
ner Auffuͤhrung des Ganzen zu geben im Stand ſey.
Matheſon hat in ſeinem vollkommenen Capell-
(*) Ham-
burg 1739.
Fol.
meiſter (*), einem zwar ſchlecht und etwas poͤbel-
haft geſchriebenen, aber ſehr viel gutes enthaltenden
Werk, alle Eigenſchaften eines guten Capellmeiſters,
gruͤndlich angegeben, die des ſchlechten Vortrags,
und der verſchiedentlich eingeſtreuten unnuͤtzen An-
merkungen ungeachtet, jedem, der ein ſolcher zu ſeyn
glaubt, zu ernſtlicher Ueberlegung zu empfehlen ſind.

Zu einer guten Capelle gehoͤren Saͤnger von
allen Arten der Stimmen, ſo wol Soloſaͤnger, als
andre zu Beſetzung der vielſtimmigen Sachen, und
eine hinlaͤngliche Anzahl guter Spieler fuͤr alle ge-
woͤhnliche Jnſtrumente. Mithin wird eine gut
beſetzte Capelle aus nicht viel weniger, als hundert
Perſonen beſtehen koͤnnen.

Wer die beſondre Einrichtung einer Capelle naͤher
zu wiſſen verlangt, kann in Herrn Marpurgs hiſto-
riſch critiſchen Beytraͤgen zur Aufnahm der Muſik,
die Liſten verſchiedener Capellen, beſonders die von
der Salzburgiſchen, im 3ten Stuͤk des III Ban-
des nachſehen.

Carricatur.
(Zeichnende Kuͤnſte.)

Eine Zeichnung, darin das Beſondre in der Bil-
dung, die einzele Perſonen charakteriſiret, uͤber-
[Spaltenumbruch]

Car
trieben und ins poßirliche uͤbergetragen worden.
Dieſe urſpruͤngliche Bedeutung des Worts iſt her-
nach auch auf jede uͤbertriebene Vorſtellung des
poßirlichen ausgedaͤhnt worden: So ſagt man
von einem uͤbertriebenen comiſchen Charakter im
Luſtſpiel, es ſey eine Carricatur. Jn dem Arti-
kel poßirlich haben wir uͤberhaupt unſre Mei-
nung von dieſen Vorſtellungen geaͤuſſert. Hier
merken wir insbeſondre von den Carricaturen
der zeichnenden Kuͤnſte an, daß ſie dieſe aͤſtheti-
ſche Eigenſchaft haben, durch das beſondere, uner-
wartete und lebhafte, das ſie an ſich haben, ſtarke
und daurende Eindruͤke in der Phantaſie zuruͤke zu
laſſen. Sie ſind demnach nicht, wie einige zu
ſtrenge Kunſtrichter wollen, gaͤnzlich zu verwerfen.
Denn bey Gelegenheiten, wo das Laͤcherliche erfo-
dert wird, kann eine gute Carricatur ſehr dienlich
ſeyn: Homers Beſchreibung des Therſites und
verſchiedene Zuͤge in der Odyſſee von den Freyern
der Penelope, graͤnzen ſehr nahe daran.

Wir wollen alſo den zeichnenden Kuͤnſtlern die
Carricaturen, als Uebungen, gerne erlauben. Ver-
muthlich hat ſich der ſonſt ernſthafte Leonhard von
Vinci
in dieſer Abſicht damit abgegeben. Es ſollen
in der Bibliothek der Mahleracademie zu Meiland
ſehr viel Carricaturen von ſeiner Hand auf behalten
werden. Einige davon hat der Herr Graf von
Caylus ſtechen laſſen. Und man weiß, daß auch
Hannibal Carrache ſich damit beſchaͤftiget hat, ob
er gleich ſonſt unter die erſten gehoͤrt, die in dem
groſſen und ernſthaften Geſchmak gearbeitet haben.
Unter den Neuern hat Ghezzi es in einzeln Figuren
und Bildniſſen, an denen man die Perſonen genau
kennt, und in ganzen Vorſtellungen Hogarth, allen
andern zuvorgethan. Die Kupfer, welche letzterer
zu dem Hudibras gemacht hat, ſind Meiſterſtuͤke,
die den geiſtreichen Vorſtellungen des Dichters noch
mehr Leben mittheilen, und zugleich beweiſen, wie
dieſe Art der Arbeit mit Nutzen koͤnne angewendet
werden.

Carton.
(Mahlerkunſt.)

Eine Zeichnung auf ſtarkes Papier. Man giebt
dieſen Namen beſonders den Zeichnungen, welche
ſowol fuͤr die Mahlerey auf friſchen Kalk (in
Freſco
) als fuͤr die Tapetenwuͤrker gemacht wer-
den. Jm erſten Fall wird die Zeichnung an die
Mauer gelegt, damit die Umriſſe darnach koͤnnen

gemacht
Erſter Theil. B b
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[193/0205] Cap Car Car Capelle. (Muſik.) Aus der eigentlichen vorher erklaͤrten Bedeutung dieſes Worts, iſt die uneigentliche entſtanden, nach welcher man die Geſellſchaften der Tonkuͤnſtler, die von Groſſen gehalten werden, um in ihren Capel- len die Kirchenmuſik zu machen, Capellen nennt. Man giebt ſo gar dieſen Namen auch ſolchen Ge- ſellſchaften, die nur zur Schaubuͤhne oder zur Cammermuſik beſtellt ſind. Der Vorſteher oder das vornehmſte Glied einer ſolchen Geſellſchaft wird der Capellmeiſter genennt. Seine Verrichtung iſt, alles, was aufgefuͤhrt werden ſoll, herbey zu ſchaf- fen, es ſey, daß er die Sachen ſelbſt componirt, oder anderswo hergenommen habe; ferner liegt ihm ob die ganze Ausfuͤhrung der Muſik zu dirigi- ren; daher er insgemein die Orgel oder das Haupt- clavier dabey ſpielt. Alſo muß er, wenn er ſeinem Amte genuͤge thun ſoll, ein ſtarker Componiſte ſeyn und alle Theile der Muſik dergeſtalt inne haben, daß er jedem einzeln Glied der Capelle, er ſey Saͤnger oder Spieler, Vorſchriften und Unterricht, zu vollkomm- ner Auffuͤhrung des Ganzen zu geben im Stand ſey. Matheſon hat in ſeinem vollkommenen Capell- meiſter (*), einem zwar ſchlecht und etwas poͤbel- haft geſchriebenen, aber ſehr viel gutes enthaltenden Werk, alle Eigenſchaften eines guten Capellmeiſters, gruͤndlich angegeben, die des ſchlechten Vortrags, und der verſchiedentlich eingeſtreuten unnuͤtzen An- merkungen ungeachtet, jedem, der ein ſolcher zu ſeyn glaubt, zu ernſtlicher Ueberlegung zu empfehlen ſind. (*) Ham- burg 1739. Fol. Zu einer guten Capelle gehoͤren Saͤnger von allen Arten der Stimmen, ſo wol Soloſaͤnger, als andre zu Beſetzung der vielſtimmigen Sachen, und eine hinlaͤngliche Anzahl guter Spieler fuͤr alle ge- woͤhnliche Jnſtrumente. Mithin wird eine gut beſetzte Capelle aus nicht viel weniger, als hundert Perſonen beſtehen koͤnnen. Wer die beſondre Einrichtung einer Capelle naͤher zu wiſſen verlangt, kann in Herrn Marpurgs hiſto- riſch critiſchen Beytraͤgen zur Aufnahm der Muſik, die Liſten verſchiedener Capellen, beſonders die von der Salzburgiſchen, im 3ten Stuͤk des III Ban- des nachſehen. Carricatur. (Zeichnende Kuͤnſte.) Eine Zeichnung, darin das Beſondre in der Bil- dung, die einzele Perſonen charakteriſiret, uͤber- trieben und ins poßirliche uͤbergetragen worden. Dieſe urſpruͤngliche Bedeutung des Worts iſt her- nach auch auf jede uͤbertriebene Vorſtellung des poßirlichen ausgedaͤhnt worden: So ſagt man von einem uͤbertriebenen comiſchen Charakter im Luſtſpiel, es ſey eine Carricatur. Jn dem Arti- kel poßirlich haben wir uͤberhaupt unſre Mei- nung von dieſen Vorſtellungen geaͤuſſert. Hier merken wir insbeſondre von den Carricaturen der zeichnenden Kuͤnſte an, daß ſie dieſe aͤſtheti- ſche Eigenſchaft haben, durch das beſondere, uner- wartete und lebhafte, das ſie an ſich haben, ſtarke und daurende Eindruͤke in der Phantaſie zuruͤke zu laſſen. Sie ſind demnach nicht, wie einige zu ſtrenge Kunſtrichter wollen, gaͤnzlich zu verwerfen. Denn bey Gelegenheiten, wo das Laͤcherliche erfo- dert wird, kann eine gute Carricatur ſehr dienlich ſeyn: Homers Beſchreibung des Therſites und verſchiedene Zuͤge in der Odyſſee von den Freyern der Penelope, graͤnzen ſehr nahe daran. Wir wollen alſo den zeichnenden Kuͤnſtlern die Carricaturen, als Uebungen, gerne erlauben. Ver- muthlich hat ſich der ſonſt ernſthafte Leonhard von Vinci in dieſer Abſicht damit abgegeben. Es ſollen in der Bibliothek der Mahleracademie zu Meiland ſehr viel Carricaturen von ſeiner Hand auf behalten werden. Einige davon hat der Herr Graf von Caylus ſtechen laſſen. Und man weiß, daß auch Hannibal Carrache ſich damit beſchaͤftiget hat, ob er gleich ſonſt unter die erſten gehoͤrt, die in dem groſſen und ernſthaften Geſchmak gearbeitet haben. Unter den Neuern hat Ghezzi es in einzeln Figuren und Bildniſſen, an denen man die Perſonen genau kennt, und in ganzen Vorſtellungen Hogarth, allen andern zuvorgethan. Die Kupfer, welche letzterer zu dem Hudibras gemacht hat, ſind Meiſterſtuͤke, die den geiſtreichen Vorſtellungen des Dichters noch mehr Leben mittheilen, und zugleich beweiſen, wie dieſe Art der Arbeit mit Nutzen koͤnne angewendet werden. Carton. (Mahlerkunſt.) Eine Zeichnung auf ſtarkes Papier. Man giebt dieſen Namen beſonders den Zeichnungen, welche ſowol fuͤr die Mahlerey auf friſchen Kalk (in Freſco) als fuͤr die Tapetenwuͤrker gemacht wer- den. Jm erſten Fall wird die Zeichnung an die Mauer gelegt, damit die Umriſſe darnach koͤnnen gemacht Erſter Theil. B b

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/205>, abgerufen am 23.04.2024.